Der bekannte TV- und Schlagerstar Michael Schanze vertonte vor neun Jahren die wohl berühmteste Erzählung von Charles Dickens als Musical. Jetzt tourt die "Weihnachtsgeschichte" neu arrangiert und inszeniert durch Deutschland. Sie erweist sich am Deutschen Theater in München als gefühlig, aber nicht sentimental – und absolut familiengerecht.
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Natürlich sind Märchen unrealistisch, sonst wären sie ja keine, aber bekanntlich lassen sie sich psychoanalytisch deuten, weil sie Bilder aus den Tiefen der menschlichen Seele enthalten. Bei der "Weihnachtsgeschichte" nach der Erzählung von Charles Dickens geht es um Behaglichkeit und Läuterung, ganz so, wie man es im protestantischen England 1843, als "A Christmas Carol" erstveröffentlicht wurde, schätzte. Draußen tobte damals die Industrialisierung, die Leute verarmten massenhaft, und drinnen gönnte sich die bessere Gesellschaft eine Portion Tee samt Mitgefühl.
Gefühlvoll und familiengerecht: das Musical "Eine Weihnachtsgeschichte". Zu sehen bis 8.12. am Deutschen Theater München. | Bildquelle: Jens Ochmann Klar, dass auch das Musical von Michael Schanze dabei nicht ganz ohne Kitsch auskommt, allerdings gelang es dem inzwischen 77-jährigen Komponisten, musikalische Gefühlsduselei weitgehend zu vermeiden. Der bekannte Ex-Schlagerstar und TV-Moderator zum BR: "Wenn man den Kitsch ganz rauslässt, dann verliert man ein bisschen das Märchenhafte dabei. In dem Fall Mut zum Kitsch, wenn man so will! Ich habe es auch gar nicht so kitschig empfunden. Natürlich, wenn man sich nicht darauf einlässt und das Ganze mit einer gehörigen Portion Distanz wahrnimmt, dann mag dieser Eindruck entstehen. Aber wenn man sich darauf einlässt und sich sagt, Mensch, es ist Weihnachten, lasst uns ein Märchen anschauen, dann finde ich das ganz in Ordnung."
Die Uraufführung von Schanzes "Weihnachtsgeschichte" über den geizigen Kaufmann Ebenezer Scrooge, der dann doch zu einem besseren Menschen wird, fand im November 2015 in Hamburg statt. Derzeit tourt eine Neuproduktion durch Deutschland, die noch bis 8. Dezember im Deutschen Theater in München Station macht. Das Besondere daran: Michael Schanze selbst hörte diese "modernisierte" Fassung bei der Münchner Premiere zum ersten Mal. "Es ist ja eine Neuinszenierung mit neuen Arrangements", so der Komponist. "Für einen Musiker ist es eine abenteuerliche Situation, wenn seine Sachen, die man mal aus ganz bestimmten Gründen im Studio aufgenommen hat, jetzt in einem etwas anderen Gewand daherkommen. Da habe ich ein, zwei Mal geschluckt."
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Streckenweise ist es kein Musical, sondern eher Schauspiel mit Musik, denn die Dialoge sind recht lang, was den Gesamteindruck aber keineswegs trübt. Schwungvoll und familiengerecht vergehen die gut zwei Stunden: Kinder dürfen lachen und Erwachsene über den schnöden Gelderwerb nachdenken, der einen manchmal womöglich zu sehr beansprucht. Regisseur Christoph Weyers inszeniert das gefühlvoll, aber nicht sentimental. Es ist eher eine englische Weihnacht als eine deutsche, die hier vorgeführt wird. Auf der Insel wird ja eher ausgelassen gefeiert statt besinnlich im Familienkreis geplaudert.
Musical-Urgestein Uwe Kröger in der Rolle des Ebenezer Scrooge | Bildquelle: Jens Ochmann Musical-Urgestein Uwe Kröger, der demnächst seinen 60. Geburtstag feiert, hat hier und da mal kleine Texthänger, ist aber dennoch oder gerade deshalb ein absolut authentischer und liebenswerter Geizhals Ebenezer Scrooge, der seine musikalischen Einsätze mit viel Herzblut meistert. Michael Schanze ist besonders stolz darauf, dass er sängerfreundlich komponiert hat, was ihm sehr wichtig ist: "Ich verrate hier kein Geheimnis, dass der große Udo Jürgens es geliebt hat, wenn er auf den hohen Tönen den Vokal "i" zu singen hatte. Von Plácido Domingo weiß ich, dass er an diesen Stellen ganz gerne ein "a" oder "o" hat. Dann muss die Musik natürlich mit dem Sinn des Textes zusammenpassen."
"Eine Weihnachtsgeschichte: Das märchenhafte Musical nach Charles Dickens"
26. November bis 8. Dezember 2024
Deutsches Theater München
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Dass Weihnachten die Menschen insgesamt moralisch veredelt, ist mehr als fraglich. Ganz im Gegenteil: Ausgerechnet der geldgierige Onkel Scrooge wurde bekanntlich unter dem Namen Dagobert Duck ein Popstar des 20. Jahrhunderts. Sein Geiz und sein Reichtum machten den prominenten Entenhausener geradezu zur Kultmarke, jagt er doch in jedem neuen Comic den Millionen hinterher. Der viktorianische Moralist Charles Dickens hätte darüber gestaunt. In gewisser Weise auch eine – sehr moderne – Weihnachtsgeschichte.
Sendung: "Allegro" am 28. November 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Freitag, 29.November, 20:11 Uhr
C C
Kein Orchester
Es ist traurig, dass sich mittlerweile anscheinend alle schon daran gewöhnt haben, das es kein Orchester gibt in einem Musical, in welchem die besten Karten um die 100 € kosten.
Die Musik kommt vom Band. Aber das interessiert wohl niemanden.