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"Leviathan" in Augsburg Auf Meeresmüll musizieren

Metallkanister, alte Ölfässer oder Plastikflaschen – auf Meeresmüll lässt sich wunderbar musizieren. Das demonstriert Schlagzeuger Alexej Gerassimez beim nächsten Sinfoniekonzert der Augsburger Philharmoniker. Am 8. und 9. April spielt er "Leviathan", ein Konzert für Schlagzeug und Orchester von John Psathas. Darin geht es um ein Meeresungeheuer. Das klingt nach Fantasy, steht aber für eine reale Bedrohung.

Schlagzeuger Alexej Gerassimez  | Bildquelle: Nikolaj Lund

Bildquelle: Nikolaj Lund

Nicht nur für das Ohr ist hier einiges geboten. Auch das Auge hört mit, wenn Schlagzeuger Alexej Gerassimez auf dem Podium athletisch hin und her springt und dabei neben dem klassischen Instrumentarium auch auf einem Ölfass, Plastikkanistern und anderem Treibgut aus dem Meer trommelt. "Leviathan" so lautete der Titel des Werkes, mit dem die Augsburger Philharmoniker auf die zunehmende Verschmutzung der Meere aufmerksam machen möchten.

Meeresungeheuer und Umweltverschmutzung

Dass der neuseeländische Komponist John Psathas beim Titel auf das mythische Seeungeheuer verweist, scheint uns dabei auf den ersten Blick eine düstere Zukunft zu prophezeien. Dies ist auch Hornistin Barbara Vogler von den Augsburger Philharmonikern nach den ersten Proben sehr bewusst. "Natürlich geht es um das Monster und den Meeresmüll", sagt Vogler. "Die Umweltverschmutzung, das ist für ihn der Leviathan. Aber ich finde schon, dass da sehr viel Hoffnung drinsteckt. Den Kopf in den Sand stecken, sich umdrehen und fertigmachen lassen, das ist nicht der Sinn. Aber ich empfinde das Stück auch nicht so. Es sind sehr viele helle Momente mit dabei."

Augsburger Philharmoniker Teil vom "Orchester des Wandels"

Augsburger Philharmoniker | Bildquelle: Staatstheater Augsburg/Jan-Pieter Fuhr Die Augsburger Philharmoniker sind dem "Orchester des Wandels" beigetreten. | Bildquelle: Staatstheater Augsburg/Jan-Pieter Fuhr Nicht wegsehen, sondern selber aktiv werden ist ebenfalls die Devise der "Orchester des Wandels", einer bundesweiten Vereinigung von knapp 40 Klangkörpern. Auch Barbara Vogler engagiert sich hier mit ihren Kolleginnen und Kollegen. "Nahezu 90 Prozent haben dafür gestimmt, dem Orchester des Wandels beizutreten", erzählt die Hornistin. "Es war eine überragende Mehrheit dafür. Es ist ja auch ein Mitgliedsbeitrag, der da fällig wird. Aber die Kollegen haben alle gesagt, wir machen das. Es ist eine tolle Idee, mit dem Mittel, das uns zur Verfügung steht, nämlich Musik und die Kunst, die Leute zu inspirieren, umzudenken und sich auf den Weg zu machen. Ohne den Wandel wird es nicht funktionieren."

Was ist das Orchester des Wandels?

Mittlerweile gehören 40 Orchestern aus ganz Deutschland dem "Orchester des Wandels" an. Die Musikerinnen und Musiker haben sich privat zusammengeschlossen – mit dem Ziel, für Klima-, Naturund Artenschutz aktiv zu werden. Dazu gehören auch außergewöhnliche Konzertformate. Mehr Informationen dazu finden Sie auf der Homepage des "Orchesters des Wandels".

Alexej Gerassimez musiziert auf Meeresmüll

Schlagzeuger Alexej Gerassimez mit Plastikfalsche | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Schlagzeuger Alexej Gerassimez musizirt auf einer Plastikflasche | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Ein Zeichen setzen sollen beim aktuellen Konzertprogramm der Augsburger Philharmoniker aber ebenso jene Werke, die man dem "Leviathan" zur Seite stellt. Wozu neben der ersten Sinfonie von Jean Sibelius auch das atmosphärische Orchesterstück "Ciel d'hiver" von Kaija Saarjaho zählt. Drei Kompositionen, die das Thema Natur für den Dirigenten Ivan Demidov auf sehr unterschiedliche Weise beleuchten und das Publikum auch zum Nachdenken anregen soll: "Ich glaube, unser Publikum ist schon daran gewöhnt, dass nicht immer nur die blaue Donau und das 'Brindisi' aus 'Traviata' kommt", sagt Demidov. "Jedes Konzert hat mindestens ein Stück, das neu und manchmal gewöhnungsbedürftig ist. Aber jeder findet etwas Interessantes für sich. Dieses Konzert mit Schlagzeug ist schon etwas Einzigartiges. Oder andere möchten lieber Sibelius hören. Ich kann nicht sagen, wie es funktioniert, aber es funktioniert."

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Alexej Gerassimez über John Psathas „Leviathan“ | Bildquelle: Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (via YouTube)

Alexej Gerassimez über John Psathas „Leviathan“

Im Fokus: Beziehung Mensch und Natur

Ein lang gehegter Herzenswunsch des Dirigenten war vor allem das Stück von Sibelius. Doch auch der als Kontrast gegenübergestellte "Leviathan" hinterließ bereits beim ersten Aufschlagen der Partitur großen Eindruck. Auch deshalb, weil er eine Brücke zwischen Saariaho und Sibelius schlägt: "Naturkraft, Natur und Mensch, Mensch und Natur. Diese Beziehungen. Das Erste Stück ist für mich eine Beobachtung einer menschenlosen Natur. Pure Natur", erklärt Ivan Demidov. "Dann kommt das Konzert: Was macht der Mensch mit der Natur. Und das ist nicht nur sichtbar, weil Alexej mit Instrumenten aus Meeresmüll spielt. Es ist auch hörbar und für mich eine Vorwarnung für die Menschen, dass alles nicht so weitergehen kann. Diese Musik ist schon apokalyptisch. Es gibt auch pastorale Momente. Aber eher als schöne Erinnerung. Wie war es damals und wie kann es wieder gut werden."

6. Sinfoniekonzert "Naturkraft"

8. und 9. April 2024, 20 Uhr, Kongress am Park

Augsburger Philharmoniker
Alexej Gerassimez, Solist
Leitung: Ivan Demidov

Programm:
Kaija Saariaho: "Ciel d’hiver" für Orchester
John Psathas (* 1966): "Leviathan" Konzert für Schlagzeug und Orchester
Jean Sibelius (1865 – 1957): Sinfonie Nr. 1 e-Moll op. 39

Sendung: "Allegro" am 8. April 2024 um 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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