Am Wochenende hat die Musicbanda Franui im Tiroler Innervillgraten beim "Hoch Kultur Festival" ihr 30-jähriges Jubiläum gefeiert. Eine Osttiroler Combo, die Mahler, Brahms oder Schubert in ein neues Gwand steckt und damit Furore macht: aus dem Heustadel, wo alles angefangen hat, haben sie es in die Elbphilharmonie und andere Top-Konzerthäuser geschafft. Gefeiert wurde aber jetzt nicht im Saal, sondern ganz weit oben auf der Alm auf 1673 Metern Seehöhe.
Bildquelle: Ramona Waldner
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Genannt hat sich die Musicbanda Franui danach, wo sie herkommt: nach der gleichnamigen Almwiese in den Tiroler Bergen. Und dort hat man nun mit musikalischen Freundinnen und Freunden und 7000 Leuten gefeiert. Der Geist dieser zehnköpfigen, herrlich schräg-schönen und hochmusikantischen Truppe ist sympathisch subversiv – und das hat auch mit der Herkunft ihres Mit-Gründers Andreas Schett zu tun: "Die Herkunft hat etwas Positives für uns, weil sie Reibung bedeutet. Und Reibungsflächen braucht man, um zu irgendwas zu kommen. Unsere Herkunft, die ganz stark katholisch geprägt ist, war maximale Reibefläche. Wir haben jetzt die große Freiheit gewonnen, indem wir zum Beispiel Vorlagen verwenden, die wir gern haben. Das ist im doppelten Wortsinn gemeint. Wir haben das Lied vom Schubert, das wir bearbeiten, gern. Aber ab einem gewissen Punkt kann uns Schubert auch gernhaben."
Aber ab einem gewissen Punkt kann uns Schubert auch gernhaben.
Florian Bösch gab beim "Hoch Kultur Festival" in Innervillgraten zusammen mit der Musicbanda Franui "Die Schöne Müllerin" von Franz Schubert. Das Wandern ist auch tatsächlich Teil dieses überaus gelungenen, dreitägigen Festivals in Innervillgraten, Osttirol. Eine Stunde muss jeder, der dabei sein will, bergauf gehen: über satt grüne Wiesen, mit herrlichem Ausblick auf zackige Felsgipfel, und einige Unerschrockene gönnen sich auf dem Weg nach droben ein eiskaltes Bad im Gebirgsbach. Von diesem Bach erfrischt, geht es dann weiter zu einem andern Bach: Johann Sebastian Bach.
Víkingur Ólafsson | Bildquelle: Bernhard Poscher
Für den isländischen Pianisten Víkingur Ólafsson sind Bachs "Goldberg-Variationen" so etwas wie eine Art Alpensymphonie, bei denen man von Bergen in Täler wandert. Diese perfekte Dramaturgie verleitet den Pianisten dazu, die "Goldberg-Variationen" auch als "Alpen-Variationen" zu bezeichnen.
Und für das Publikum tut sich ein magischer Moment auf: Als der isländische Pianist auf der Alm oben die Goldbergvariationen spielt, ist es da so still wie selten im Konzertsaal. Nur Bach und die Natur – und manchmal steuern die Kuhglocken noch eine Extrastimme bei zum Bach‘schen Klang-Kosmos.
Bei einem Alpen-Musik-Fest darf natürlich auch das Jodeln nicht fehlen. Und Stimmkünstler Christian Zehnder aus der Schweiz sieht im Jodeln auch eine politische Komponente: "Ich rede gerne vom linken und vom rechten Jodel. Der rechte Jodel ist in der Schweiz sehr okkupiert und vereinnahmt von politischen Interessen, also den Bürgerlichen. Deshalb haben sich viele junge Musiker davon abgewendet, aber das ändert sich langsam."
Bildquelle: Ramona Waldner / Franui
Und dann tritt noch das Kult-Mundharmonika-Quartett Sväng aus Finnland auf: vier Männer im Anzug, dicke Klunker an den Fingern und eben in den Händen: vier Mundharmonikas – was für ein fetter Sound! Das Publikum wippt begeistert mit, die meisten nicht so schick wie die Finnen auf der Bühne, denn das Publikum sitzt in Wanderklamotten da, und wenn die Sonne runterbrennt mit Hut auf dem Kopf, wenn es Abend wird, kramen alle ihre Flies- und Daunenjacken aus dem Rucksack. Es ist ein Wiesenfestival. Woodstock, but higher – bringt es die Wiener Singer-Song-Writerin Anna Mabo auf den Punkt: Stühle gibt’s nicht, aber dafür Gemütlichkeit und musikalischen Hochgenuss in der Höhe – Hochkultur eben, so hat die Musicbanda Franui ihr Festival ja auch genannt.
Sendung: "Allegro" am 14. August 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK