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Münchner Opernfestspiele "Pelléas et Mélisande" – ein Blick auf unsere Schattenseiten

Eine weinende junge Frau und ein rätselhafter Brunnen – es ist der Beginn einer komplizierten Liebesgeschichte, die mit Eifersucht und Mord endet. Am 9. Juli feiert Claude Debussys Oper "Pelléas et Mélisande" Premiere bei den Münchner Opernfestspielen. Regisseurin Jetske Mijnssen rückt bewusst die Schattenseiten des Menschen in den Fokus. Sie gibt damit ihr Debüt an der Bayerischen Staatsoper – ebenso wie Dirigent Hannu Lintu. BR-KLASSIK überträgt ab 19 Uhr live.

Bildquelle: Wilfried Hösl

Vorbericht

"Pelléas et Mélisande" an der Bayerischen Staatsoper

Hannu Lintu ist Finne. Die Anrede "Maestro" klingt für ihn, als ob man sich über ihn lustig machen wolle. Und auch sonst ist der Mann aus der Küstenstadt Rauma ein geerdeter Typ, der mit "Pelléas und Mélisande" sein Debüt an der Bayerischen Staatsoper gibt. "Als ich zur ersten Probe kam, war das unglaublich beeindruckend", erzählt er. "Innerhalb der ersten 60 Minuten wurden mir alle vorgestellt: vom Staatsintendanten zu den Pianisten, alle hinter der Bühne, alle Leute in der Bibliothek. Ich hatte wirklich das Gefühl, ich bin an einem Ort, an dem ich willkommen bin. So ein Gefühl hat man nicht immer!"

Hannu Lintu: "Musik aus Molekülen und Motiven"

Für den Dirigenten Hannu Lintu ist auch das Stück ein Debüt! Zwar hat er die französische Märchenoper hunderte Male gehört und erlebt, aber bislang noch nie selbst dirigiert: "Ich habe immer gedacht, ich kenne das Stück. Aber als ich dann die Partitur aufgeschlagen habe, merkte ich: Du hast keine Ahnung davon. Das ist keine duftige Musik. Da geht es um so viele winzige Details. Für mich besteht die Musik aus Molekülen und Motiven. Nicht aus weitläufigen Melodien."

"Pelléas et Mélisande" live auf BR-KLASSIK

Die Bayerische Staatsoper bringt Claude Debussys Oper "Pelléas et Mélisande" im Rahmen der Münchner Opernfestspiele auf die Bühne. Premiere ist am 9. Juli im Münchner Prinzregententheater. BR-KLASSIK überträgt ab 19 Uhr live im Radio.

Christian Gerhaher kämpft mit der Oper

Hannu Lintu will den Molekülfluss in angemessene Schranken weisen. Das kommt Christian Gerhaher sehr entgegen. Der Bariton hat sich mit der Oper, der er einen gewissen Suchtfaktor nicht absprechen mag, aus unterschiedlichen Perspektiven genähert. So hat er bereits die Titelpartie des Pelléas gesungen. Nun ist er zum ersten Mal dessen Halbbruder, der misstrauische und missmutige Golaud. Gerhaher findet, diese Musik sei schwer zu lernen – aus verschiedenen Gründen: "Zum einen ist jede Silbe ein Ton. Die Textmenge ist dadurch enorm groß. Zum anderen spielt die Deklamation eine extrem wichtige Rolle – auch eine innovative Rolle. Mich fasziniert dieses Werk zwar, aber ich komme ihm einfach nicht wirklich auf die Schliche. Ich kämpfe."

Ich komme diesem Werk nicht auf die Schliche.
Christian Gerhaher, Bariton

Damit liegt Christian Gerhaher voll im Trend des Stückes. Denn da  kämpfen alle irgendwie. Und genau dieser Aspekt interessiert die Regisseurin Jetske Mijnssen. Der despotische Choleriker Golaud ist für ihren psychologischen Ansatz geradezu ein "gefundenes Fressen": "Ich liebe die Figur ohne Ende. Ich liebe Golauds Unfähigkeit. Und ich liebe es, zu sehen, wie er immer wieder in Wut gerät und das dann so furchtbar bedauert. Das macht die Figur aus."

Interview mit Christian Gerhaher

Ein ausführliches Interview mit dem Bariton Christian Gerhaher zu seiner Rolle des Golaud in "Pelléas et Mélisande" bei den Münchner Opernfestspielen lesen Sie hier.

Während Golaud seinen Aggressionen freien Lauf lässt, wehrt sich dessen Bruder Pelléas gegen alle Gefühle. Und Mélisande, die zwischen den beiden Brüdern steht, zerreißt das. Gesungen wird diese "Frau mit den goldenen Haaren", an denen sie der Ehegatte durchs Zimmer schleift, von der Sopranistin Sabine Devieilhe: "Ich mag das. Alle Türen sind offen bei dieser Rolle der Mélisande. Auch gesanglich. Die Partie ist ja nicht wirklich umfangreich. Es gibt auch keine großen stimmlichen Herausforderungen. Das bedeutet: Alles ist offen – und zwar für die Interpretation."

Jetske Mijnssen verzichtet in München auf Regietheater

"Pelléas et Mélisande" 2024 an der Bayerischen Staatsoper | Bildquelle: Wilfried Hösl Jetske Mijnssen inszeniert die Neuproduktion von "Pelléas et Mélisande" an der Bayerischen Staatsoper. | Bildquelle: Wilfried Hösl In ihrer Interpretation verzichtet die Niederländerin Jetske Mijnssen auf Regietheater-Elemente. Sie konzentriert sich vielmehr auf die Schattenseiten des Menschen. Und dafür geht sie das Stück fast schon historisch an. Debussys Pelléas et Mélisande wurde 1902 uraufgeführt, und in genau dem Jahr spielt die Oper auch im Jahr 2024! Nur an den Räumlichkeiten schraubt Mijnssen ein wenig: "Im Stück ist es im Wald, am Meer, an einem Brunnen, im Garten – und wir haben uns entschieden, das ganz pur und menschlich in großbürgerliche Situationen zu versetzen, weil ich davon überzeugt bin, dass ein Teil von der Problematik im Stück damit zu tun hat, im eigenen Leben eingesperrt zu sein!"

Interview mit Jetske Mijnssen

Ein ausführliches Interview mit der Regisseurin Jetske Mijnssen zu ihrer Neuinszenierung von "Pelléas et Mélisande" bei den Münchner Opernfestspielen lesen Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 8. Juli 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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