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Federico García Lorca und die Volksmusik Ein Sprachmusiker

Der Dichter Federico García Lorca sammelte Lieder und Verse aus Andalusien und interessierte sich vor allem für den Flamenco. Am 5. Juni jährt sich sein Geburtstag zum 125. Mal.

Federico Garcia Lorca | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Federico García Lorca wurde am 5. Juni 1898 in Fuente Vaqueros, einem kleinen Dorf in der Vega von Granada, geboren. Die Begeisterung für Musik bekam er schon früh von seiner Familie mit. Einer seiner Großonkel war Flamencosänger, sein Vater spielte Gitarre und seine Mutter war eine große Musikliebhaberin. Er wuchs mit den Gesängen und Tänzen der Bauern und Dorfbewohner auf.

García Lorca: Inspiriert vom Flamenco

Später zog die Familie vom Land in die Provinzhauptstadt Granada – ein Zentrum für Flamenco, andalusische Volkskunst  und die Kultur der Gitanos, der Zigeuner aus Südspanien. All diese Dinge inspirierten den jungen Dichter und schlugen sich in seinem Werk nieder. Seine eigentliche Berufung sah er zunächst in der Musik, doch untersagte ihm die Familie, seine Ausbildung auf professionellem Niveau fortzusetzen.

Als er sein erstes Buch publizierte, dachten alle, er würde nun eine Sonate schreiben, nicht ein Sonett.
Pablo Heras-Casado, Dirigent, der wie Lorca aus Granada stammt

"Schon sehr früh lernte er Gitarre zu spielen bei einem Gitarristen aus Granada und bei seiner Tante Isabel", erzählt Laura García Lorca, die Nichte des Dichters und Präsidentin der Lorca-Stiftung. "Seine Tante schenkte ihm die erste und einzige Gitarre, die er je besessen hat." Gleichzeitig begann er mit dem Klavierspiel, und von seinen beachtlichen pianistischen Fähigkeiten zeugen einige historische Aufnahmen aus dem Jahr 1931, auf denen er die Sängerin und Tänzerin La Argentinita am Klavier begleitet.

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Federico García Lorca y La Argentinita: Los Cuatro Muleros (Letra) | Bildquelle: TamerlanMusic Traducciones II (via YouTube)

Federico García Lorca y La Argentinita: Los Cuatro Muleros (Letra)

García Lorca lässt die Sprache wie Musik klingen

In seiner Lyrik erzählt Lorca von der Heimat, seine Sprache klingt wie Musik, und in seinen Theaterstücken bringt er immer wieder Lieder auf die Bühne, die direkt aus dem Volk stammen könnten. Viele solcher alten Lieder hat Lorca vor dem Vergessen bewahrt. Heute zählen sie zum allgemeinen Kulturgut.

Die Folklore, die immer sehr viel mit Liedgut zu tun hat, bestimmt Lorcas literarische Formen und seine Art zu schreiben. Er hat immer sehr musikalisch geschrieben.
Pablo Heras-Casado, Dirigent

Allein die Titel von Lorcas wichtigsten Gedichtsammlungen spiegeln seine Liebe zum Flamenco, zur Volkskunst und zur Musik im Allgemeinen wider: Romancero gitano - Zigeunerromanzen, Poema del Cante Jondo - Gedicht vom Cante Jondo, Canciones - Lieder. Immer wieder greift er musikalische Motive auf: den Gesang, den Tanz, die Gitarre. Die Grenzen zwischen Lorca dem Lyriker und Lorca dem Musiker verschwimmen

Der Tod geht ein und aus in der Taverne.
Vorbei ziehn schwarze Pferde und düstre Leute
auf den tiefinneren Wegen der Gitarre.
(Malagueña aus Poema del Cante Jondo 1921)

Wenn die Figuren in Lorcas Theaterstücken wie "Bernarda Albas Haus", "Yerma" oder "Doña Rosita bleibt" ledig oft volkstümliche Lieder anstimmen, dann weiß man nicht so recht, ob die Verse nun von Lorca selbst stammen, oder ob der Dichter sie seinen Landsleuten abgelauscht hat. Mehr als nur abgelauscht hat er ihnen seine "Canciones populares españolas", eine Sammlung, für die er alte Volkslieder zusammengetragen, diese durch eigene Verse angereichert und für Klavier arrangiert hat. "Einige Stücke dieses Zyklus' sind sogar Originalkompositionen von ihm", so der Dirigent Pablo Heras-Casado.

Lorca und Manuel de Falla

Die Liebe zur Volkskunst verband Lorca mit dem wie er aus Granada stammenden Komponisten Manuel de Falla. "In den Versen der Volksmusik und des Flamenco haben Lorca und Falla eine ganz lebendige und hochwertige Lyrik entdeckt", sagt Lorcas Nichte Laura. So wie Lorca dies in seinen Gedichten aufgreift, übernimmt Falla es in seiner Musik.

"Dieser folkloristische Touch war für Falla, Lorca und andere Künstler ein Weg, um eine ganz direkte Verbindung mit dem Publikum herzustellen und trotzdem aus diesem Material eine avantgardistische Kunst des 20. Jahrhunderts zu schaffen", erzählt der Dirigent Pablo Heras-Casado.

Auch das Puppenspiel ist eine Volkskunst, für die sich Lorca und Falla begeisterten. Aus dieser alten Theaterform machte Falla sein wohl radikalstes und modernstes Stück "El retablo de maese Pedro". Lorca, der zuvor selbst schon Puppentheaterstücke für Kinder konzipiert und aufgeführt hatte, gab entscheidende Anregungen zu diesem Bühnenwerk für Marionetten, Schauspieler und Sänger nach einer Episode aus Don Quijote von Cervantes. Hier, wie auch in Lorcas eigenen Stücken für Puppentheater, bildet die Musik des Siglo de Oro und des Mittelalters die musikalische Grundlage der Aufführung.

Lebensaufgabe Flamenco

Im ganz alten Flamenco-Gesang, dem Cante Jondo, sah Lorca das kulturelle Herz seiner andalusischen Heimat. "Der Cante Jondo ist einfach durch Alter und Stilisierung. Er ist wahrlich ein äußerst seltenes Muster des primitiven Gesanges, Europas ältesten Gesanges."

Lorca hatte eine geradezu apokalyptische Vorstellung, dass die alten, im Volk entstandenen Traditionen aussterben und die reinen und unverfälschten Gesänge verloren gehen könnten. Aus dieser Angst heraus entstand ein bahnbrechendes Projekt: Zu Fronleichnam im Jahr 1922 organisierte er in Granada zusammen mit Falla und anderen Künstlerkollegen den Concurso de Cante Jondo, ein großangelegtes Flamencofestival mit dem Ziel, bisher nie gehörte Gesänge, die nur noch ganz wenige, meist alte Leute beherrschten, wieder zu Tage zu fördern und zu bewahren. "Damals war das eine Musik, die man nur in den Tavernen, den Straßen und den Häusern hören konnte", berichtet Laura García Lorca. "Nun war es das erste Mal, dass ein Konzert mit Flamenco veranstaltet wurde für ein gebildetes Publikum." Ein riskantes Projekt, wie Pablo Heras-Casado findet, da Granada zu jener Zeit eine sehr konservative Stadt gewesen sei.

Tragisches Ende

Die Tragik und Todesnähe, die in den alten Gesängen des Cante Jondo oftmals mitschwingt, bildet auch einen Grundton von Lorcas Lyrik.

Wenn dereinst ich sterbe,
begrabt mich mit meiner Gitarre
unter dem Sand.
(Memento aus Poema del Cante Jondo - 1921)

Eine gewisse Tragik prägte auch Lorcas Leben. Der nonkonforme Künstler wurde 1936 zu Beginn des Spanischen Bürgerkriegs mit nur 38 Jahren von Anhängern Francos auf einem Feld in der Nähe von Granada erschossen. Er hat ein Werk hinterlassen, in dem Hochkultur und Volkskultur verschmelzen, in dem Literarisches und Musikalisches eins werden.

Sendungshinweis

10. Juni 2023 ab 23 Uhr: Musik der Welt: Federico García Lorca und die Volksmusik

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