In der Vorweihnachtszeit ist sie wegen ihres engelsgleichen Images sehr gefragt. Wieviel mehr die Harfe auf dem Kasten hat, weiß die Harfenistin Silke Aichhorn. In Bayreuth spielt sie ein Konzert in Kooperation mit der Psychosozialen Krebsberatungsstelle und der Reformierten Gemeinde.
Bildquelle: BR/Andreas Dirscherl
BR-KLASSIK: Silke Aichhorn, dieses Jahr ist Ihr zweites Buch erschienen. Es heißt: "Frohlocken leicht gemacht". Warum lässt Sie das Harfespielen frohlocken?
Silke Aichhorn: Ach, ich empfinde es einfach immer als wahnsinniges Geschenk, dieses Instrument spielen zu dürfen. Die Reaktionen vom Publikum sind großartig, und mir selber tut es auch irrsinnig gut, Harfe zu spielen. Also das lässt mich eigentlich immer frohlocken!
BR-KLASSIK: Wieviele Harfen haben Sie eigentlich? Haben Sie eine oder mehrere?
Silke Aichhorn: Harfen sind Rudelwesen. Da hat man eigentlich immer ein paar mehrere. Ich habe tatsächlich zwei große und dann eine Volksharfe und dann noch so Kleingedöns. Also, ich glaube, noch mal so drei, vier kleinere.
BR-KLASSIK: Kleingedöns, was heißt das konkret? Wie klein kann denn eine Harfe sein?
Silke Aichhorn: Die kleinsten können wirklich so 30, 40, Zentimeter sein. Das sind dann ganz rudimentäre Harfen. Da kann man nicht recht viel drauf machen. Aber trotzdem werden sie von vielen genutzt, um sie einfach zu berühren, Musik zu machen.
Beginn 19:00 Uhr. Mehr zum Konzert erfahren Sie hier.
BR-KLASSIK: Neben Ihrer Haupttätigkeit Harfespielen schreiben Sie eben auch Bücher. Sie beschreiben da den skurrilen Alltag als Harfenistin. Was ist so komisch daran?
Silke Aichhorn: Bei der Harfe sind einfach Sachen dabei, die zum Beispiel eine Pianistin oder eine Flötistin nicht hat: Etwa die Transportfrage, logistische Probleme. Aber dann auch Anfragen für eine Hochzeit oder als Background zum Abendessen. Das kriege ich ja immer noch. Wenn dann auf Augenhöhe der Hummer an einem vorbeigetragen wird im Fünf Sterne Hotel. Und es hängt einem selber schon der Magen bei den Knien. Also, da lernt man einfach auch Aushalten und Ertragen.
Die Harfe braucht eigentlich einen ziemlich handfesten Menschen.
BR-KLASSIK: Und dann geht man in die Künstlergarderobe und da steht dann irgendeine olle Käsesemmel oder Gummibärchen. Kein Hummer.
Silke Aichhorn: Richtig. Nix mit Hummer. Speziell da hatten wir damals dann Nudeln mit roter Soße an Weihnachten. Es war unglaublich. Und ich denke, bei der Harfe vermischt sich das. Die Öffentlichkeit weiß oft nicht ganz, wo sie die Harfe einordnen soll. Wir sind natürlich mit diesem Engels-Touch unterwegs. Aber die Harfe braucht eigentlich einen ziemlich handfesten Menschen, der sie spielt: Wenn man dieses Instrument transportieren muss und wenn man übt - das ist ziemlich komplex für Hände und Füße. Die Harfe ist eigentlich wahnsinnig unangenehm als Instrument zu spielen. Da nützt es nichts, wenn man nur ätherisch daher schwebt und sagt: Oh, ich mach jetzt mal Harfe.
BR-KLASSIK: Sie haben also keine Art Harfen- oder Kofferträger dabei?
Silke Aichhorn: Das wäre mein Traum! Ein Hubschrauber, ein fliegender Chauffeur, der mich mal schnell durch die Gegend bringt. Nein, ich fahr wirklich wahnsinnig viel. Ich habe jetzt im Oktober 20 Konzerte gespielt, und ich bin knapp 6000 Kilometer Auto gefahren. Alleine.
BR-KLASSIK: Physiologisch gesehen - was sind die heiklen Punkte für die Harfenistin? Also bei der Geige weiß man das ja: Da ist es die Schulterhaltung.
Silke Aichhorn: Also bei uns ist es auch sehr asymmetrisch. Da ist das Problem, dass wir nicht so gerade sitzen können wie hinter einem Klavier. Bei der Harfe sind sehr viele Grundanforderungen, die sehr, sehr hoch sind und auch sehr physisch. Man braucht sehr viel Kraft, auf den Seiten ist eine Spannung von 1,5 Tonnen auf der großen Konzertharfe. Man hat die Harfe auf der Schulter, man macht die Hände zu. Das muss man auch erst mal halten können. Das geht auf den Schultergürtel, auf die Hüften. Ich habe das Glück, weil ich eben so groß bin, dass ich da nicht so viele Probleme habe.
BR-KLASSIK: Sie sind sehr aktiv in der Hospizarbeit. Außerdem spielen Sie Konzerte, zum Beispiel heute Abend in Bayreuth, wo Sie im Rahmen einer Veranstaltung der psychosozialen Krebsberatungsstelle spielen. Inwiefern kann ein Harfenkonzert zur Heilung beitragen?
Silke Aichhorn: Ich weiß einfach um die Wirkung meines Instruments. Ich kriege so viele extrem positive Rückmeldungen. Dass Menschen, die am Ende ihres Lebens stehen oder eine schlechte Phase haben, sagen: Die Harfe nimmt mich mit, sie entspannt mich, sie beruhigt mich. Ich kann sie stundenlang hören. Es tut mir gut. Ich bin Hospiz-Botschafterin, meine Musik läuft viel in Palliativeinrichtungen in Hospizen von CD. Und ich weiß, dass es ein Geschenk ist, dass ich so etwas machen darf. Ich sehe es auch als Aufgabe, das zu tun. Auch bei gesunden Menschen, die im Konzert sind, höre ich hinterher immer wieder: "Ach, ich hätte Ihnen jetzt noch zwei Stunden zuhören können. Sie haben mir gutgetan."
BR-KLASSIK: Waren Sie auch schon mal mit der Harfe direkt im Hospiz?
Silke Aichhorn beim Harfespielen | Bildquelle: BR/Peter Veit
Silke Aichhorn: Ja. Das ist eine meiner ersten Begegnungen, die ich in der Yehudi Menuhin Organisation Live Music Now gemacht habe vor vielen, vielen Jahren. Da wird man ja ausgewählt. Und dann darf man in sozialen Einrichtungen spielen, mit dem Ziel, Menschen, die aufgrund ihrer momentanen Lebenssituation nicht ins Konzert kommen können, eine Freude zu bereiten. Und da habe ich unter anderem im Christophorus Hospiz gespielt, in Harlaching. Da war nur ein Mann da. Die anderen hatten einfach keine Kraft. Und dann habe ich gefragt, ob er einen Wunsch hätte. Und er hat gesagt: "Ja", ob ich etwas von Debussy kenne. Und ich hatte zum Glück was von
ihm dabei und konnte das auch spielen. Und dann hat er mich tränenüberströmt angeschaut und gesagt: "Danke, jetzt ist die Türe offen". Das war so ein unglaublich bewegendes Erlebnis. Ich war damals ja noch viel jünger und seitdem hat mich das immer begleitet. Und ich denke wirklich, dass dieses Instrument ganz was Besonderes kann. Es kann Menschen im Bauch streicheln, das muss man nicht über den Kopf verarbeiten. Man kann es einfach auf sich wirken lassen.
Sendung: "Leporello" am 16. November 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (0)