Auf Social Media hatten wir Sie aufgefordert, uns Ihre Fragen an Sir Simon Rattle zu schicken. Hier kommt eine Auswahl: Alles über peinliche Bühnenmomente, Frustration im Job und seinen Erfolg als Autogramm-Jäger.
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Mit welchem Komponisten würden Sie gern mal einen Tag verbringen?
Das ist einfach: Joseph Haydn. Nicht nur, weil seine Musik meine liebste ist, sondern auch, weil er ein sehr warmer, herzlicher, lustiger und generöser Mann war. Ich würde ihm ein Abendessen zubereiten und ich bin sicher: Wir hätten eine Menge zu lachen!
Was macht für Sie einen guten Musiker aus?
Neugierde, Menschlichkeit – ein sehr guter Musiker blickt und hört über den Tellerrand hinaus. Ein guter Musiker ist einer, der Verbindungen herstellt und im tiefsten Sinne gut hören kann. Das ist keine Sache der Technik, sondern es geht darum, was du teilst und kommunizierst.
Im Kopf eines Dirigenten muss es zugehen wie auf einer sechsspurigen Autobahn. Was, wenn man da mal reinschauen könnte? Das Onlineformat Discover Music with Simon Rattle macht es möglich.
Von wem hätten Sie gern ein Autogramm?
Simon Rattle hat früh begonnen, Schlagzeug zu spielen. | Bildquelle: Simon Rattle privat
Als ich Kind war, hatte ich ein Autogrammbuch und ich habe nach Konzerten die Künstler angesprochen und um ein Autogramm gebeten. Die meisten waren sehr freundlich. Einmal, da war ich elf Jahre alt und habe Schlagzeug gespielt, habe ich Benjamin Britten getroffen. Ich hatte die Partitur seines Stücks "The Young Person's Guide to the Orchestra" dabei. Und er hat darauf geschrieben: "Mit den besten Wünschen für meinen jungen Kollegen. Benjamin Britten." Das werde ich niemals vergessen!
Gibt es ein Gen für die Liebe zur Klassischen Musik?
Ich glaube, die Liebe zur klassischen Musik ist eher wie ein Virus. Du musst die Menschen dem aussetzen. Und ich hoffe, sie werden vom Virus angesteckt und verlieren es nie mehr. Aber zuerst musst du die Menschen finden und ihnen die Musik vorspielen. Vielleicht ist klassische Musik nichts für alle, aber für die meisten.
Wie stehen Sie zu Haustieren?
Meine Frau Magdalena, die eine professionelle Musikerin ist, und ich – wir hatten jahrelang kein Haustier, weil wir dachten, dass wir zu beschäftigt seien. Aber als ihre Mutter gestorben ist, haben wir ihren sehr großen Hund übernommen. Es ist kompliziert wegen unseres Tourlebens, aber auf der anderen Seite sind wir mit ihm zwei Mal am Tag draußen und er ist immer freudig, uns zu sehen. Und wir haben zwei Schildkröten im Haus und einen Dirigenten. Ein Dirigent ist auch ein bisschen wie ein Haustier (lacht).
Was war Ihr peinlichster Moment auf der Bühne?
Sir Simon Rattle beim Dirigieren | Bildquelle: picture-alliance / akg-images / Marion Kalter
Der peinlichste Moment war, als ich es fast nicht geschafft hätte, rechtzeitig zu meinem Konzert auf die Bühne zu kommen. Ich wurde vom Geiger Shlomo Mintz gefahren, wir waren irgendwo außerhalb von Amsterdam. Er hat sich fürchterlich verfahren. Schließlich haben wir die Konzertstätte erreicht. Ich habe mich schnell im Auto umgezogen und wir sind dann vom Publikumseingang aus in Richtung Saal gegangen. Nur hat mich der Aufseher für einen Verrückten aus dem Publikum gehalten, der vorgibt, das Orchester dirigieren zu wollen. Ich habe dann einfach die Gelegenheit genutzt und bin durch die erstbeste Tür gestürmt und zufällig direkt auf der Bühne gelandet. Dort hatte sich das Orchester schon darauf vorbereitet, den Haydn ohne Dirigenten zu spielen.
Einen Blick hinter die Kulissen liefert SCHOENHOLTZ – der Orchester-Podcast des BRSO. Die Geigerin Anne Schoenholtz spricht in jeder Folge mit Kolleginnen und Kollegen über das Orchesterleben, wie Konzertprogramme zustande kommen, die coolste Instrumentengruppe, das Tourleben in Asien und und und. In jeder Folge beantwortet auch Sir Simon Rattle weiterhin eine Frage aus der Community.
Was war das schönste Kompliment, was Sie bekommen haben?
Oh, das ist etwas sehr Ernstes eigentlich. Es hat mir mal jemand geschrieben, dass seine Mutter im Sterben lag und dabei ganz bestimmte Stücke hören wollte, die ich dirigiert hatte. Das hat mich sehr bewegt, dass jemand Musik, deren Teil ich war, auf seiner letzten Reise hören wollte.
Wollten Sie schon mal alles hinschmeißen?
Bildquelle: Astrid Ackermann
Absolut! Denn Dirigent zu sein ist schon ein merkwürdiger Beruf. Wenn du ein Instrument spielst, dann weißt du, du selbst produzierst gerade den Klang. Ein Dirigent produziert den Klang nicht, sondern er motiviert ihn. Und wenn du den Kontakt zu den Musikern nicht richtig findest, kann das das Selbstvertrauen sehr schwächen. Denn wenn ein Orchester nicht für dich spielt, dann gibt es wenige Dinge, die du tun kannst. Dann geht's ums Überleben.
Der charismatische Maestro begeistert und inspiriert nicht nur auf dem Konzertpodium. Erleben Sie Sir Simon mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in der ARD Mediathek.
Welche bayerischen Gerichte essen Sie am liebsten?
Ich bin ein großer Weißwurst-Fan. Ganz ganz selten gönne ich mir auch mal eine Schweinshaxe. Aber ehrlich gesagt: Ich esse fast alles.
Was war bisher Ihr "Magic Moment" mit dem BRSO?
Da fallen mir drei sehr unterschiedliche Momente ein. Der erste: Als ich mit 16 Jahren zum ersten Mal live das BRSO gehört habe, in Liverpool. Da habe ich realisiert, wie viel ein echtes Verständnis zwischen Orchester und Dirigent ausmachen kann. Diese Erkenntnis hat mein Leben verändert. Der zweite Moment: Die erste halbe Stunde unserer allerersten gemeinsamen Probe, das ist schon ein paar Jahre her. Da habe ich gemerkt, wie anders doch das BRSO ist im Vergleich zu weiteren deutschen Orchestern. So eine kollaborative Gruppe, wir haben einfach riesige Kammermusik gemacht! Und schließlich: Als wir gerade die Pandemie überstanden hatten und in dieser Zeit eine Probe mit Mahlers Neunter beendet haben – da habe ich mit Freude realisiert, dass ich gerade den Rest meines musikalischen Lebens vor mir habe und zwar mit diesen außerordentlich tollen Menschen. Was für eine Familie das ist und noch werden wird.
Sendung: "Allegro" am 13. Mai 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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