Der Weltfrauentag wird bei ihr zu Hause groß gefeiert. Denn ihr Vater kam in einem Frauenhaus zur Welt. Das prägte sein Leben, sagt Pianistin Sophie Pacini. Sie selbst spielt für Frauen in Frauenhäusern und erlebt dort berührende Konzerte. Zum Weltfrauentag erscheint ihr neues Album "Bittersweet", auf dem sie sehr Persönliches teilt. Im Interview spricht sie über die Hintergründe.
Bildquelle: picture alliance / SZ Photo | Robert Haas
BR-KLASSIK: Bittersweet – so heißt Ihr neues Album, Frau Pacini. Mit den Werken wollen Sie Mut machen. Wie passt "bitter" dazu?
Sophie Pacini: Ich denke, weil man in bitteren Momenten mehr als sonst auf sich gestellt ist und eine Lösung braucht, um sich aus der bitteren Lage zu befreien. Auf der einen Seite werden einem eigene Grenzen klar, die man noch nicht überwunden hat. Auf der anderen Seite aber auch Tatsachen, mit denen man klarkommen muss. Gleichzeitig entdeckt man neue Stärken. Und das zumindest merkt man besonders in Momenten, die bitter sind. Bitter ist für mich nicht traurig, sondern ein Zustand, den man bisher nicht ändern konnte. Meistens ist man dafür gar nicht selbst verantwortlich. Und teilweise muss man sich auch neu erfinden, um sich daraus zu befreien.
BR-KLASSIK: Am Anfang stand ein besonderes Konzert, ein Album hatten Sie erstmal gar nicht im Sinn. Was war das für ein Konzert?
Das neue Album "Bittersweet" von Pianistin Sophie Pacini ist von Konzerten in Frauenhäusern geprägt. | Bildquelle: Susanne Krauss
Sophie Pacini: Dieses für mich besondere Konzert hat im größten Frauenhaus Bayerns, in München stattgefunden. Mich beschäftigt das Thema Gewalt bei Frauen sehr. Letztlich war das Konzert eine logische Folge aus eigenen Beziehungserfahrungen und einem Erlebnis aus meiner Grundschulzeit. Die Tante einer Mitschülerin von mir hat häusliche Gewalt erlebt. Eine wunderschöne, selbstbewusste, sehr moderne Frau, die Dinge angepackt hat. Eines Tages habe ich sie mit Sonnenbrille und blauem Rand darunter gesehen, als sie ihre Nichte abgeholt hat. Ein blaues Auge. Der ganze Glanz, das Strahlen war weg. Ich hatte das Gefühl, sie schreit um Hilfe. Das hat mich so berührt, dass ich ein paar Abende bei meinen Eltern zu Hause geweint habe.
BR-KLASSIK: Wie kamen Sie auf die Idee, sich an das Frauenhaus in München zu wenden?
Sophie Pacini: Ich habe überlegt, wo ein Ort sein könnte, wo Musik etwas Gutes bewirken und ich als Frau einen Unterschied machen kann. Dann habe ich versucht, mit dem Frauenhaus in Kontakt zu treten. Das war nicht einfach. Ich musste feststellen, wie wenig ich, mein Freundeskreis und die Gesellschaft über das Thema wissen. Und ich habe erfahren, dass die Dunkelziffer von Gewalt sehr hoch ist.
BR-KLASSIK: Welche Erfahrungen haben Sie bei dem Konzert im Frauenhaus gemacht?
Sophie Pacini: Mittlerweile habe ich einige Konzerte in Frauenhäusern gespielt. Es sind die berührendsten Konzerte meiner Karriere, denn da spüre ich, wie heilsam Musik wirken kann und dass Tränen einfach fließen können und dürfen. Das ist mir im Frauenhaus in München und auch in allen anderen Frauenhäusern passiert.
BR-KLASSIK: Haben die Frauen und Kinder dort Zugang zu musikalischer Bildung?
Sophie Pacini: Es gibt dort kein Klavier. Eine Frau, die ein Instrument spielen kann, und da habe ich einige kennengelernt, muss damit aufhören, wenn sie ins Frauenhaus kommt. Die Kinder erhalten keinen Musikunterricht mehr. Weder finanziell noch physisch ist das möglich.
Zur Situation von Frauen in der Klassik: Es tut sich etwas
BR-KLASSIK: Wie schade! Was kann man tun, um diese Situation zu verbessern?
Sophie Pacini: Man könnte Benefizkonzerte mit großen Orchestern veranstalten und Partner für Instrumentenstiftungen gewinnen. Ich spüre den Wunsch in mir, eine Bewegung zu initiieren. Ich möchte Politik und Öffentlichkeit einbeziehen, damit am Ende vielleicht jedes Frauenhaus ein Instrument besitzt. Für die Frauen ist es wichtig, sich in wirklich bitteren Momenten neu zu erfinden. Wie geht das besser als mit einem Instrument, indem man lernt, das Instrument zu spielen, und sich selbst neu kennenlernt?
BR-KLASSIK: Nach welchem roten Faden haben Sie die Stücke für die Konzerte und dann für das Album zusammengestellt?
Sophie Pacini: Meistens durchlaufen Werke, auch wenn sie in Moll enden, eine Dur-Phase, ein anderes Moll. So habe ich die Stücke ausgewählt. Chopin ist einer meiner Schlüsselkomponisten. Er zeichnet oft eine echte Situation nach, indem er tief in sich hineinhört, Mut zur Emotion hat und dann zum Ausgangspunkt zurückkehrt, immer mit der Erfahrung des Mittelteils. Selbst wenn er in einer freudvollen Lage beginnt, kehrt er zurück und legt quasi selbst den Finger in die Wunde. Ich glaube, das machen wir alle ganz gerne mal, besonders für schwierige Situationen, die wir bewältigt haben. An den Reaktionen der Frauen habe ich gesehen, wie dankbar sie waren, dass ich mich getraut habe, die extremen Emotionen auf den Tisch zu bringen. Ich hatte den Eindruck, sie haben gespürt, dass ich ihr Leid respektiere und nicht versuche, es kleinzureden.
BR-KLASSIK: Wie ist es für Sie, mit einem so emotionalen Musikprogramm auf Tour zu gehen?
Sophie Pacini: Der Sinn ist für mich nicht, das Programm möglichst neutral vorzutragen. Es sollte bei jedem in Schwingung gehen und vielleicht noch lange Zeit nachschwingen. Deswegen ist es ein sehr persönliches Programm. Es ist auch eine Art Zusammenfassung meines Lebens bisher. Ich möchte den Menschen da draußen vor allem eines mit an die Hand geben: Du hast ein Recht auf deine Gefühle, egal wie stark sie sind, egal welcher Art sie sind und egal wann du sie empfindest. Musik kann uns näher zu uns selbst bringen, weil sie Überraschungen aus uns herausholt. Gerade in der jetzigen Zeit sind Überraschungen oft negativ. Doch wir sollten uns daran erinnern, dass es da draußen auch viele positive Überraschungen gibt und dass ein gewisser Idealismus dazugehört, um das Glück zu finden.
Mit ihrem Album "Bittersweet" ist Sophie Pacini auf Tour.
Am 25. März spielt sie um 19:30 Uhr im Künstlerhaus in München und am 8. April um 20:00 Uhr im bosco in Gauting.
Sendung: "Allegro" am 7. März 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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