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Abholzung der Tropenwälder Geigenbögen sind bedrohte Art

Am 14. September gedenkt man jedes Jahr der fortschreitenden Zerstörung der Tropenwälder. Eines der wichtigsten Hölzer für Musiker ist das Fernambukholz, das seit 250 Jahren für Streicherbögen verwendet wird. Es wächst nur in Brasilien - und viel gibt es davon nicht mehr.

Geigenbögen auf einem Tisch | Bildquelle: imago/MiS

Bildquelle: imago/MiS

"Wir sind damals total davon überrascht worden", erinnert sich der Bogenbaumeister Wolfgang Romberg. "Wir sind ja doch ein sehr kleiner Bereich der holzverarbeitenden Industrie." Und doch erwischte es die Bogenbauer um die Jahrtausendwende eiskalt, als die Nachricht eintraf: kein Fernambukholz mehr aus Brasilien. Das jahrhundertelange Abholzen des Tropenwaldes Mata Atlantica längs der Ostküste des Landes hatte die Baumbestände auf rund sechs Prozent schrumpfen lassen - und damit auch das kostbare Fernambukholz. Dabei sind Bogenbauer in aller Welt genau auf dieses Holz angewiesen.

Fernambuk - die Wunderformel im Bogenbau

"Das Fernambukholz ist ein relativ einzigartiges Material", verrät Wolfgang Romberg, der in seiner Grafinger Bogenbauer-Werkstatt glücklicherweise noch einiges von dem wertvollen Rohmaterial lagern hat. "Es besitzt technische Eigenschaften wie kaum ein anderes Holz: eine gewisse Festigkeit, ein spezifisches Gewicht und die besondere Fähigkeit bei der Biegung des Holzes." Diese konkave Biegung der Bogenstange wird per Hand erzeugt - nachdem das Holz über eine Flamme auf rund 120 Grad erwärmt wurde.

Geigenbögen auf einem Tisch | Bildquelle: Westend61 Das Fernambukholz ist meist stark rötlich gefärbt. es eignet sich hervorragend für den Bau von Streicherbögen. | Bildquelle: Westend61 Dadurch werden die Holzfasern so flexibel, dass sich die Stange biegen lässt ohne zu brechen. Das Besondere am Fernambukholz ist, dass diese Biegung auch nach Erkalten des Holzes genauso bleibt, wie die Musiker sie beim Spielen brauchen. Etabliert hat das Fernambukholz im Bogenbau der berühmte französische Bogenbauer François Xavier Tourte Ende des 18. Jahrhunderts. Er löste damals eine wahre Revolution aus! Zuvor war das rötliche Fernambukholz in Europa vor allem als Färbemittel für Textilien verwendet worden. Bereits ein paar Jahrzehnte später wurden alle hochwertigen Streicherbögen aus diesem Holz gefertigt. Die originalen Tourte-Bögen haben heute einen sehr hohen Stellenwert bei Musikern und Händlern - ähnlich wie die Stradivaris unter den Geigen.

Wir haben nichts gefunden, was dem Fernambuk gleich kommt.
Klaus Grünke, Bogenbauer und erster Vorsitzender von IPCI Deutschland e.V.

Neuanpflanzung soll Bogenbau retten

Bis zum Jahr 2000 hatte der Ausbau von Weidelandschaft und Zuckerrohrplantagen den Tropenwald in Brasilien soweit zurückgedrängt, dass die Lage ernst wurde. Bogenbauer in aller Welt schlugen Alarm, denn das seltene Fernambukholz kann nur in Brasilien wachsen. Und die Suche nach einer Alternative blieb erfolglos. "Da haben wir nichts gefunden, was dem Fernambuk gleich kommt", sagt Klaus Grünke, selbst Bogenbauer und erster Vorsitzender der IPCI Deutschland. Die IPCI ist eine internationale Initiative zur Erhaltung des Fernambukbaumes. 2001 schloss sich ein großteil der deutschen Bogenbaumeister zum IPCI Deutschland e.V. zusammen. Ihr gemeinsames Ziel: die Neuanpflanzung des Fernambukholzes. In Kooperation mit brasilianischen Organisationen wurden neue Setzlinge gepflanzt - unter anderem in Bahia, im Südosten des Landes, wo auch viel Kakao angepflanzt wird. "Kakao braucht Schattenpflanzen und die Kakaobauern setzen Fernambuk als Schattenspender mit in ihre Plantagen ein", erzählt Klaus Grünke. So profitieren beide Seiten.

Handel mit Rohstoff Fernambuk untersagt

2007 setzte die UN-Artenschutzorganisation CITES den Fernambukbaum auf den Artenschutzindex Anhang II. Das bedeutet, dass neu geschlagenes Holz nicht mehr gehandelt werden darf, Musiker aber weiterhin mit Bögen aus Fernambukholz über Ländergrenzen hinweg reisen dürfen. Die Bogenbauer müssen auf Altbestände zurückgreifen. Doch auch die werden irgendwann ausgeschöpft sein. Der Fernambukbaum wächst sehr langsam. Er braucht mindestens 30 bis 40 Jahre.

Abholzung im brasilianischen Regenwald | Bildquelle: picture-alliance/dpa An der Ostküste Brasiliens ist der Tropenwald inzwischen bis auf 5-7 Prozent seiner ursprünglichen Größe abgeholzt worden. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Es wird also noch dauern, bis Bogenbauer von dem neu angepflanzten Fernambukholz profitieren können. Und auch das muss erstmal genehmigt werden. Aber immerhin gebe es einen Lichtblick am Horizont, sagt Klaus Grünke: "Es gibt Holzhändler, die schon vor über 40 Jahren angepflanzt haben. Davon darf man jetzt erstmals Holz schlagen - mit Erlaubnis der Regierung." Auch die deutschen Bogenbauer hoffen, von diesem Holz bald etwas abzubekommen. Doch der Handel mit dem geschützten Holz wird streng überwacht. "Die brasilianische Regierung ist sehr strikt", so Grünke. "Momentan kommt nur sehr wenig legales Holz aus Brasilien nach Europa. Und dieses muss nachweislich aus Altbeständen sein. Und auch das hat die Regierung nur zugelassen, weil es eben Aufforstprogramme gibt."

Berufsstand Bogenbauer bedroht

Aufgrund der schwierigen Situation mit dem Fernambukholz wird sich das Berufsbild des Bogenbauers wohl über kurz oder lang verändern. Schon jetzt spezialisieren sich viele junge Bogenbauer eher auf Restaurierung und Handel mit alten Bögen statt selbst neue anzufertigen. In den letzten Jahren greifen Musiker vermehrt auch auf Streicherbögen aus Carbon zurück, wenngleich die Holzbögen unter den Profis nach wie vor beliebter sind. Bogenbauer Klaus Grünke jedenfalls hält an den Neuanpflanzungs-Projekten der IPCI in Brasilien fest, auch wenn sich der Verein bislang überwiegend über die Bogenbauer selbst und über Spenden finanzieren muss: "Wir sind guter Hoffnung, dass das funktioniert und gute Früchte trägt. Und dann können künftige Generationen von Bogenmachern auch von diesem Fernambukholz profitieren. Sonst würde die Tradition des Berufes in der Form zumindest aussterben."

Sendung: "Das Musik-Feature" am 20. Oktober 2017, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK.

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