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Von den Taliban verfolgt Afghanische Musikerinnen im Exil

Musik ist in Afghanistan verboten, seit die Taliban im August 2021 erneut an die Macht gekommen sind. Eine akute Gefahr für alle Musikerinnen und Musiker im Land, vor allem für die Frauen hat sich die Lage nun dramatisch zugespitzt. Einige führen ihre traditionelle Musik nun im Exil weiter.

Afghanische Musiker*innen: Manche leben noch in ihrer Heimat Afghanistan und halten sich versteckt. Manche sind auf offener Straße umgebracht worden. Andere haben das Land verlassen und versuchen, ihre Musik im Ausland weiter lebendig zu halten. Große mediale Aufmerksamkeit erfuhr die Evakuierung der wohl wichtigsten Musikausbildungsstätte Afghanistans letztes Jahr: das "Afghanistan national institute of music", kurz ANIM.

In Portugal soll Afghanistans wichtigste Musikschule wieder aufgebaut werden

Knapp 300 Lehrende und Studierende wurden nach Portugal ausgeflogen, wo die Schule wiederaufgebaut und das reiche Erbe afghanischer Musik bewahrt werden soll. Dabei richtet sich die Musikausbildung am ANIM auch explizit an Mädchen und junge Frauen. Eine Besonderheit ist das dort angesiedelte und weltweit auftretende afghanishe Frauenorchester Zohra. Geleitet wird es von der jungen Perkussionistin und Dirigentin Shugofar Safi, die heute ebenfalls in Portugal lebt.

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Davos 2017 - Leadership beyond Borders: The Afghan Women's Orchestra "Zohra" | Bildquelle: World Economic Forum (via YouTube)

Davos 2017 - Leadership beyond Borders: The Afghan Women's Orchestra "Zohra"

Häuser werden durchsucht, Instrumente werden zerstört

Es gibt aber auch junge Sängerinnen, die auf eigene Faust geflohen sind und sich der traditionellen Musik, oftmals verbunden mit Popmusik, nun im Exil widmen.

Seit die Taliban an der Macht sind, darf niemand mehr singen.
Sadiqa Madadgar

Sadiqa Madadgar | Bildquelle: © Sadiqa Madadgar / Twitter Die afghanische Musikerin Sadiqua Madadgar. | Bildquelle: © Sadiqa Madadgar / Twitter Die Sängerin Sadiqa Madadgar, die inzwischen in einem Flüchtlingscamp in Abu Dhabi lebt, stammt ursprünglich aus Pakistan. Doch schon als Kind war sie so fasziniert von der Musikkultur Afghanistans, dass sie ihre Familie verließ und im Alleingang eine Musikkarriere in Afghanistan aufbaute. "Traditionelle afghanische Musik macht meine Seele froh", ein Satz, mit dem sie diesen Schritt erklärt. Sie hatte Erfolg als Sängerin, war bekannt in Kabul, bis zum 15. August 2021: "Seit die Taliban an der Macht sind, darf niemand mehr singen. Auch Instrumente sind verboten. Wenn irgendjemand doch musiziert, werden die Taliban ihn foltern oder bestrafen. Sie kommen sogar ins Haus und durchsuchen alles. Wenn sie ein Instrument finden, zerstören sie es." So beschreibt Sadiqa Madadgar die große Gefahr und Angst, die von den Taliban ausgehen. Heißgeliebte Instrumente wurden seitdem eigenhändig vernichtet, aus Furcht, die Taliban könnten diese in ihren Verstecken entdecken und ihre Besitzer bedrohen. Proben, Musikunterricht und Konzerte – alles abgebrochen. Um weiterhin Musik zu machen, blieb als einziger Schritt, die Heimat zu verlassen.

So erging es auch Sumaia Karimi, die mit ihrer Familie fliehen musste und sich in Italien ein neues Leben aufbaut. Unbeugsam und kämpferisch ist sie.

Musik ist eine Sprache gegen Gewalt und Unterdrückung der Frauen.
Sumaia Karimi

Zohra - Mädchenorchester | Bildquelle: © Deutschlandfunk / Till Lorenzen Das afghanische Mädchenorchester Zohra. | Bildquelle: © Deutschlandfunk / Till Lorenzen Die afghanische Sängerin ist Mitte zwanzig und begeistert sich für Musik, Politik und Fußball. All das ist gefährlich für eine Frau in Afghanistan. Dazu kommt, dass Sumaia Karimi zur Ethnie der Hazara gehört, einer vorwiegend schiitischen Minderheit im Land, die von den sunnitischen Taliban verfolgt und vertrieben wird. Gerade ihre Herkunft ist es aber, die Sumaia Karimi wichtig ist und die sie zur traditionellen Musik geführt hat. In der Farsi-Sprache singt sie die seelenvollen Lieder der Hazara, die von der bitteren Geschichte ihres Volkes handeln, und bewahrt sie vorm Aussterben. Und gibt nun im italienischen Exil mit der Musik ihrer Heimat Hoffnung und Zuversicht: "Die Musik ist eine Sprache, durch die ich mich gegen Gewalt und Unterdrückung der Frauen äußere. Ich möchte durch Musik die Botschaft der Empathie, Gemeinschaft und Liebe in die Welt tragen." Sie, die ein Politikstudium begonnen und sich das Singen dann selbst beigebracht hat, "möchte ein Vorbild für andere Frauen sein".

Auch in Afghanistan gab es professionelle Musikerinnen

Naria Nour | Bildquelle: © Female Voice of Afghanistan Naria Nour aus dem Iran hat die afganische Musik erforscht und entdeckt. | Bildquelle: © Female Voice of Afghanistan Auch Naria Nour lebt ihre Liebe zur afghanischen Kultur und Musik in der Fremde. Im Iran, wo sie in eine afghanische Familie hinein geboren wurde. Auf Familienfesten wie Hochzeiten hat sie die traditionelle Musik Afghanistans kennengelernt, ist mit Herzblut Sängerin und begleitet sich selbst auf der Trommel. Naria Nour hat nachgeforscht und gelesen, traditionelle afghanische Musik gehört und begonnen, sie selbst zu spielen – im Iran. Dabei weiß sie, dass es im Musikleben Afghanistans vor der ersten Machtergreifung der Taliban eine starke Präsenz von Frauen gab, die als professionelle Sängerinnen und Rubab-Spielerinnen etwa auf Hochzeiten auftraten, vor allem in der Stadt Herat.

Alle diese Diktatoren haben Angst vor uns Frauen.
Naria Nour

Female Voice of Afghanistan | Bildquelle: © WDR (Screenshot) Streamingfestival "Female Voice of Afghanistan". | Bildquelle: © WDR (Screenshot) Beim Streamingfestival "Female voice of Afghanistan" vergangenes Jahr – ein Forum für viele afghanische Musikerinnen, angestoßen und geleitet von Filmemacher Andreas Rochholl von der Zeitgenössischen Oper Berlin und von der künstlerischen Leiterin des Festivals, Musikethnologin Yalda Yazdani, in Kooperation mit dem Kultur Büro Elisabeth und CrossGeneration Media – hat Naria Nour mit ihrem Gesang und ihrer Trommel zu ihrer eigenen Stimme gefunden. Und mit aller Deutlichkeit gespürt, welche Spuren die jahrzehntelange Unterdrückung der Frauen durch die Taliban hinterlassen hat. Denn alle Beschränkungen begannen zunächst bei den Frauen: "Alle diese Diktatoren haben Angst vor uns Frauen. Sie wollen uns kontrollieren. Erst müssen wir uns verschleiern mit den Hijab und dann wollen sie unsere Stimme kontrollieren. Singen ist ja sehr symbolisch. Wir sollen uns nicht äußern, weder politisch noch musikalisch. Wir sollen still sein, in allen Lebensbereichen schweigen. Aber das Fehlen der weiblichen Perspektive in der Welt verursacht Gewalt, Krieg und Kämpfe."

Mehr zu afghanischen Musikerinnen im Exil

Am Sonntag, den 15. Mai, um 23:05 Uhr, in der 'Musik der Welt' oder jetzt schon online.

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