BR-KLASSIK

Inhalt

Vorbericht zu "Les Troyens" an der Bayerischen Staatsoper Erstaunlich aktuelles Mammutwerk

Hector Berlioz liebte seit seiner Kindheit die literarischen Epen der antiken Mythologie, besonders die Werke von Vergil. Es ist also kein Zufall, dass er sich für seine große Oper "Les Troyens" einen solchen Stoff ausgesucht hat. Nach 21 Jahren nimmt sich nun die Bayerische Staatsoper dieses fünfstündige Mammutwerk wieder vor, mit Daniele Rustioni am Pult. Regie führt der französische Filmemacher Christophe Honoré – sein Debüt am Haus.

Berlioz "Les Troyens" an der Bayerischen Staatsoper | Bildquelle: Bayerische Staatsoper / Wilfried Hösl

Bildquelle: Bayerische Staatsoper / Wilfried Hösl

Vorbericht

Berlioz' "Les Troyens" in München

Hector Berlioz' "Les Troyens" handelt vom Krieg. Von blutigen Kämpfen und dem vielfachen Mord an den Bewohnern einer ganzen Stadt: Troja. Heute müssen wir dies unweigerlich vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine sehen. Etliche Szenen wirken frappierend aktuell, zum Beispiel, wenn Cassandre immer wieder vor dem Untergang warnt – und keiner ihr glaubt. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine erfolgte aber, als die Konzeption des Stücks bereits fertig war, so dass Regisseur Christophe Honoré ihn nicht thematisieren konnte.

Männer erleiden Niederlagen, Frauen sind die Opfer

Honoré konzentriert sich auf die beiden weiblichen Hauptrollen. "Die Männer werden besiegt, aber die Frauen sind die Opfer. Diese Oper ist ein merkwürdiges Werk", erklärt er. Der wahre Konflikt läge in der Tatsache, dass die Männer in Troja und Karthago ihre Niederlagen auf ihre Frauen übertragen. Auf der einen Seite gibt es Cassandre (Cassandra), die sich am Ende des zweiten Aktest opfert, auf der anderen Seite Didon (Dido), die sich im fünften Akt selbst tötet. Beide Frauen ahnen ihren Tod voraus. Cassandre, die versucht ihr Volk zu warnen und nicht erhört wird, genauso wie Didon, die nie wirklich an die Liebe geglaubt hat. "Der Fatalismus, der diese beiden Frauen in ihr Unglück treibt, ist wirklich erschütternd."

Enée: Eine herausfordernde Gesangspartie

Hector Berlioz "Les Troyens" an der Bayerischen Staatsoper | Bildquelle: Bayerische Staatsoper / Wilfried Hösl Gregory Kunde als Enée (Äneas) in Berlioz' "Les Troyens" an der Bayerischen Staatsoper. | Bildquelle: Bayerische Staatsoper / Wilfried Hösl Ins Unglück getrieben werden sowohl die Stadt Troja als auch Didon vom vermeintlichen Helden Enée (Äneas). Er ist es, der dafür sorgt, dass die Trojaner das Pferd in die Stadt lassen. Und er ist es auch, der Didon erst verführt und dann sitzen lässt. Kein besonders sympathischer Charakter, den Berlioz aber nicht so negativ zeichnet. Stimmlich verlangt er ihm einiges ab. Der Tenor Gregory Kunde hat vor ungefähr zehn Jahren seiner Karriere eine ungewöhnliche Wendung gegeben. Mit fast 60 Jahren erweiterte er sein Fach vom Belcanto hin zu dramatischen Partien – und die singt er seitdem mit großem Erfolg. Auch mit Enée hat er bereits Erfahrungen gemacht, der insbesondere in der Gesangslinie gewisse Tücken hat. "Beim ersten Auftritt muss man sofort voll da sein. Er ist ziemlich dramatisch und endet mit einem hohen H", erklärt Kunde. Und auch der vierte Akt hat es in sich. "Da muss man wirklich aufpassen, weil man erst in Ensembles singt und dann kommt das große Duett mit Didon: 'Nuit d'ivresse'. Für mich der schönste Moment des ganzen Stücks."

  • Hilfsangebote für ukrainische Kunstschaffende finden Sie hier.

Berlioz als Visionär: Impressionismus und schiere Klangwucht

Hector Berlioz hat "Les Troyens" nie auf der Bühne gesehen. Nur den zweiten Teil durfte er in Paris uraufführen. Mit dem Ergebnis war er überhaupt nicht zufrieden. Erst 21 Jahre nach seinem Tod wurde die komplette Oper erstmals gezeigt. In Karlsruhe, verteilt auf zwei Tage. Allein daran merkt man schon die großen Ansprüche, die das Stück stellt. Aber Les Troyens zeigt uns Berlioz auch als Visionär, als jemand, der seiner Zeit voraus war. Mal erahnt man die schillernde Farbenvielfalt der späteren Impressionisten, mal will er das Publikum mit großen Tableaus und schierer Klangwucht packen.

Starke Kontraste in fünf Stunden

Für den Dirigenten Daniele Rustioni ist es genau dieses Nebeneinader der Extreme, das die Oper so reizvoll macht. "Man muss einen riesigen Bogen spannen über einen Abend von fast fünf Stunden", erklärt er. "Darin muss man dann die starken Kontraste der einzelnen Nummern herausarbeiten – sehr intime Momente in Arien oder Duetten auf der einen und die riesigen Chorszenen auf der anderen Seite." Diese Szenen, der Chor, seien "ein Highlight des Abends".

Sendung: "Allegro" vom 09. Mai 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

Kommentare (0)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.
Zu diesem Inhalt gibt es noch keine Kommentare.

    AV-Player