Der XPLORE-Wettbewerb ist ein Wettbewerb, bei dem Studierende der Musikhochschule München die Möglichkeit bekommen, Konzerte neu zu denken. Das sind die Ideen der drei Finalisten.
Bildquelle: © Jakob Schad
Die Performance von der Gitarristin Antigone Baxe geht ungewöhnlich los. Die Musikerin sitzt auf der Bühne, ihre Gitarre liegt quer auf dem Schoß. Mit ihren Fingern tippt sie auf die Saiten, als wäre ihr Instrument eine Laptoptastatur. Was die Performerin schreibt, kann das Publikum direkt auf der Leinwand hinter ihr verfolgen: Liebe Kolleginnen… Sie zögert, löscht, fügt Gendersternchen ein. Liebe Kolleg:innen. Sie löscht erneut. Das Publikum merkt schnell: Hier ist etwas anders als bei einem normalen Gitarrenkonzert. Die Musikerin auf der Bühne ist gleichzeitig Schauspielerin. Durch ihre Mimik und Gestik und den Klang ihrer Gitarre erzählt sie ihrem Publikum eine Geschichte. Antigone Baxe liebt das Theater. Beim XLPORE-Wettbewerb bekommt sie die Möglichkeit, ihre beiden Leidenschaften zu verbinden. "Als Musiker sind wir eigentlich auch Schauspieler. Und da ich Interesse an Musik und Theater habe, dachte ich mir, es wäre super, das zu kombinieren. Denn das ist auch ein Teil von mir."
Hanni Liang lehrt "Konzertdesign" an der Hochschule für Musik und Theater in München. Sie ist überzeugt: Klassik transportiert gesellschaftspolitisch relevante Botschaften. Lesen Sie hier ein Porträt.
Was bedeutet in unserer Gesellschaft Redefreiheit? Wann dürfen wir sprechen, wann heißt es "Psst!"? Das ist das Thema von Antigone Baxes Performance. Sie reiht Szenen aus dem Alltag aneinander, die genau diese Fragen aufwerfen. Zum Beispiel wenn der Nachbar laut gegen die Wand klopft und das Gitarreüben als Ruhestörung wahrnimmt. Oder wenn im Konzert Menschen im Publikum anfangen zu tuscheln und die Künstlerin entnervt mit einem "Psst" die Bühne verlässt. In jeder Szene spielt die Gitarre eine Rolle. Mal als improvisierender Gesprächspartner, mal als klassisches Musikinstrument, wie wir es kennen.
Ganz anders ist die Performance beim XPLORE-Wettbewerb vom Kompositionsstudenten Fabian Blum. Zwei Musikerinnen und ein Musiker spielen auf der Bühne seine Musik - mit Zither, Gitarre und Gesang. Alle sind in Kostüme gekleidet, die offensichtlich nicht von dieser Welt stammen, sondern aus Fabians Fantasiewelt "Lumina - Legende von Ingong": Tentakel aus rosa angemalten Eierkartons, ein Umhang aus Plastikfolie, ein komplett verkabelter Oberkörper. Und auf die bunte Wand hinter den Dreien werden Ausschnitte aus der Partitur dieses Stückes projiziert. Das Besondere: Es ist eine Comic-Partitur, von Komponist Fabian Blum selbst gezeichnet! Also fabelhaften Wesen statt konkreter Noten. Wie sie die Zeichnungen interpretieren und welche Musik sie dazu spielen, dürfen die Musikerinnen und Musiker mitentscheiden. Fabian Blum hat sich da also einen kollektiven Kompositionsprozess ausgedacht.
Um Kollektive geht es auch in der Performance von Francesca Berardi. Genauer: um kollektive Verantwortung. "In den letzten Jahren habe ich mir so viele Gedanken gemacht, was heute passiert. Ich habe Angst vor dem Wiederaufkommen des Nationalismus. Viele Kriege, die heute stattfinden … Ich war mit diesen Gedanken immer beschäftigt." Francesca Berardi nimmt sich vor, ihre Gedanken zu verarbeiten und zu teilen, in Form eines inszenierten Konzerts. Sie verknüpft Musikstücke – zum Beispiel von Maurice Ravel oder Claude Debussy – mit der Biografie des Philosophen Vladimir Jankélévitch. In seinem Austausch mit dem deutschen Lehrer Wiard Raveling, beide sind Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs, geht es um die Themen Vergebung, Versöhnung und kollektive Verantwortung.
Ich habe Angst vor dem Wiederaufkommen des Nationalismus.
Hanni Liang, Dozentin für Konzertdesign an der Hochschule für Musik und Theater in München, und Künstlerin Francesca Berardi im Gespräch | Bildquelle: © Jakob Schad
Diese kollektive Verantwortung ist während der Performance im Publikum hautnah zu spüren. Publikum und Bühne sind gleichermaßen in Licht getaucht, auch befindet sich Publikum auf der Bühne, sodass die Trennung zwischen Performer und Zuschauenden verschwimmt. Mit der Geschichte im Kopf gemeinsam die berührende Musik zu hören, löst ein beklemmendes Gefühl aus. Ja, wir alle gemeinsam müssen etwas tun! Ein Gefühl, dass ein Konzert ohne Inszenierung vielleicht so nicht geschaffen hätte.
Sendung: "Allegro" am 10. Juni 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (0)