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Musik auf Schallplatte Weg vom digitalen Konsum

Bei Musikfans ist sie schon seit längerem wieder beliebt: die Schallplatte. Die Verkaufszahlen steigen seit Jahren. Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. Vinyl ist aber nicht nur bei Sammlern ein Objekt der Begierde. Auch eine junge Generation, die im Zeitalter der Digitalisierung aufgewachsen ist, entdeckt die Schallplatte für sich.

Schallplatte | Bildquelle: picture alliance/dpa | Sina Schuldt

Bildquelle: picture alliance/dpa | Sina Schuldt

Es ist ein spannendes Phänomen: Viele Musikfans haben in den 1990er-Jahren ihre Schallplatten verkauft. Die CD war angesagt. Heute wollen sie ihre Plattensammlungen von anno dazumal wieder zurückhaben - und zahlen teils Unsummen dafür. Kein Wunder: Die Lust auf Vinyl ist deutlich gestiegen. Und das treibt die Preise auf dem Gebrauchtmarkt nach oben. Aber auch die 20- bis 30-Jährigen, die ohne Plattenspieler im Elternhaus aufgewachsen sind, interessieren sich für das analoge Zeitalter und kaufen Vinyl. Was ist an diesem Tonträger so anziehend?

Der Schallplatten-Hype

"Hype" und Vintage-Trend – so bezeichnet es Kleopatra Sofroniou, wenn sie an die junge Generation denkt. Als General Manager Classics kümmert sie sich um die weltweite Vermarktung und Kommunikation aller Aufnahmen und Projekte des Labels Deutsche Grammophon. In dem wachsenden Interesse für Schallplatten sieht sie auch etwas Nostalgisches, eine Sehnsucht nach einer technologisch weniger komplexen Zeit, ein Ausgleich zur "Digitalisierung des ganzen Lebens".

Die Schallplatte - für viele ein Ausgleich zum digitalen Konsum.
Kleopatra Sofroniou, General Manager Classics bei der Deutschen Grammophon

Herbert von Karajan  | Bildquelle: picture-alliance/dpa Heute wieder sehr gefragt: Die Aufnahmen mit Herbert von Karajan auf Schallplatte. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Kleopatra Sofroniou weiß, dass Vinyl für Sammler nie ganz weggewesen ist – insbesondere in der klassischen Musik. Hier habe es über die Jahre hinweg Pressungen von "ikonischen Aufnahmen" gegeben, etwa die Beethoven-Symphonien mit den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Herbert von Karajan. Während die einen Musikfans ganz auf den Komfort von Streaming setzen, wollen andere wiederum ihre Lieblingsmusik in Händen halten und durch bewusstes Musikhören die Zeit entschleunigen – in einer Welt, die sich jeden Tag schneller zu drehen scheint. Andere sind einfach vom Klang der Schallplatte überzeugt. Und dann gibt es noch Sammler. Sie investieren in Vinyl wie in Aktien und spekulieren auf eine mögliche Wertsteigerung.

Vinylverkäufe in Deutschland

Laut Bundesverband Musikindustrie steigt seit 2007 der Absatz von Schallplatten in Deutschland – abgesehen von 2018, hier waren die Verkäufe leicht rückläufig. Während 2006 noch etwa 300.000 Schallplatten über die Ladentheke gingen, waren es 2019 schon 3,4 Millionen Einheiten. Dennoch bleibt die Schallplatte eine Nische im Musikmarkt. So betrug der Umsatzanteil von Vinyl im gesamten Musikverkauf 4,5 Prozen im ersten Halbjahr 2020 in Deutschland. Zum Vergleich: Der Anteil der CD-Alben betrug 20 Prozent, Audio-Streaming 65,7 Prozent.

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Vinyl ist zurück! Die Magie der Schallplatte | Schmidt Max | Doku | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk (via YouTube)

Vinyl ist zurück! Die Magie der Schallplatte | Schmidt Max | Doku

Neben aktuellen Aufnahmen gibt es wegen der großen Nachfrage auch Nachpressungen alter Aufnahmen – von den 1950ern bis heute. Sammler und Musikfans, die vergriffene Schallplatten suchen, werden auf Flohmärkten fündig oder auf speziellen Plattenbörsen im Internet und in Schallplattenläden. Die Preise reichen dabei von der 1-Euro-Platte bis hin zu mehreren 1.000 Euro pro Stück – je nach Alter, Zustand und Sammlerwert.

Tipps vom Plattenexperten

Ein Profi in Sachen Vinyl ist Stefan Maierhofer. Der Musikfan, der lange Jahre hauptberuflich IT-Berater war, sprang damals nicht auf den CD-Trend auf und eröffnete 1990 einen Schallplattenladen. Er gehört zu denjenigen, die ganze Plattensammlungen zu teils Spottpreisen aufkauften oder sogar geschenkt bekamen. Lagerfläche fand er über einen Freund und verteilte seine wachsende Sammlung auf verschiedene Keller in München. Ende 2019 zog er mit seinem Laden um – von München-Haidhausen, wo er 40.000 Platten unterbekam, nach Otterfing im Süden Münchens. Hier hat er die Möglichkeit, seine ganze Sammlung von 500.000 Titeln an einem Ort zu lagern.

Staubfrei durch eine Plattenwaschmaschine

Schmidt Max und die Magie der Schallplatte: gegen Staub auf Schallplatten hilft...waschen | Bildquelle: André Goerschel Bildquelle: André Goerschel Bei Stefan Maierhofer besteht auch die Möglichkeit, seine Platten reinigen zu lassen. Er zaubert aus verstaubten, knisternden Scheiben wieder frische Platten. Dafür benetzt Stefan Maierhofer die Schallplatte per Hand mit einer Reinigungsflüssigkeit, die tief in die Rille eindringt. Anschließend wird diese wieder von einer professionellen Reinigungsmaschinen abgesaugt. Für den Heimbedarf empfiehlt er eine günstige Schallplattenwaschmaschine.

Man sollte auf jegliche Automatik verzichten.
Stefan Maierhofer über Plattenspieler

Neben der Reinigung legt der Experte auf gute Innenhüllen wert. Bei Papierhüllen können sogenannte Hairlines entstehen, Mikrokratzer auf der Platten. Die können unangenehm hörbar werden. Mit speziellen Plastikhüllen lassen sich diese Kratzer vermeiden. Kunden habe er im In- und Ausland, erzählt Stefan Maierhofer. Bestellungen kommen telefonisch und übers Netz herein. Interessierte können nach Absprache auch bei ihm im Lager in Otterfing vorbeischauen. Und wer weiß: Vielleicht kommen jetzt auch wieder die Musikfans zu ihm, deren Plattensammlungen er vor 30 Jahren aufgekauft hat.

Sendung: "Klassik Plus" am 7. Januar 2021 ab 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Mittwoch, 13.Januar, 16:40 Uhr

Günter Supplie

Vinyl-Hype

Der Vinyl-Hype ist mir aus Nostalgie-Gründen verständlich und nachvollziehbar. Aus *technischen* Gründen nicht. Ein großer Nachteil der analogen Schallaufzeichnung ist meiner Meinung nach der Qualitäts-Abfall der hohen Frequenzen im Bereich der auslaufenden Rille, kurz vor Ende der Plattenseite. Frequenzen über 9000Hz neigen hier zu Verzerrungen, die wenn überhaupt nur durch IAA-Korrekturen zu verringern sind. Höhere Frequenzen sind zwar nicht mehr hörbar, tragen aber zur Klangqualität bei, wie sich mittels Fourier-Analyse leicht zeigen läßt. Und da machen einfach mechanische Tonabnehmer nicht mehr mit.

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