BR-KLASSIK

Inhalt

Freitag, 05.10.2018

12:05 bis 14:00 Uhr

BR-KLASSIK

zur Übersicht
Chinesisches Teeservice | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Aus dem Studio Franken Mittagsmusik

Am Mikrofon: Tobias Föhrenbach

Bis Mitte 2022 gab es die Sendung "Mittagsmusik" auf BR-KLASSIK. Hier könnnen Sie weiterhin in den Archiven der Sendung schmökern.

Das "À la chinoise", das "In chinesischer Manier", das Styling nach dem "Chinesengeschmack", mit einem Wort die "Chinoiserie" - seit dem 18. Jahrhundert ist sie in der Malerei, Architektur und im Kunstgewerbe Europas bekannt und beliebt. In der Musik kommt ihre große Zeit am Fin de Siècle des 19. Jahrhunderts und in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts, im Zuge der allgemeinen Exotismus-Begeisterung, der Sehnsucht nach dem Fernen und Fremdartigen. Je ferner und fremder, desto besser - so hieß damals das Motto. Der Ferne Osten war dabei das Äußerste, das Maximum, was man an Exotik haben konnte, und China als Inbegriff des Fernöstlichen wurde deshalb in der Musik vielfach herbeigezaubert. Im Thema der Woche in der Mittagsmusik haben wir jeden Tag eines dieser Stück vorgestellt: "Musikalische Chinoiserien - Wenn westliche Komponisten chinesisch schreiben", so lautete unser Thema.

Five O'Clock Foxtrot

Am Freitag haben wir zum Abschluss einen Komponisten, der immer wieder dem Reiz des Fernen und Fremdartigen erlegen ist und das Exotische in seiner Musik in vielen Klangfarben schillernd zum Ausdruck gebracht hat: Maurice Ravel, neben Claude Debussy die andere Galionsfigur des französischen Impressionismus. Ravel und Debussy - beide waren von der balinesischen Gamelan-Musik begeistert, die sie auf der Pariser Weltausstellung 1889 hörten, und beide haben später mit ihrer Musik verschiedentlich den Fernen Osten in bunten Farben musikalisch gemalt - Ravel am originellsten in zwei Stücken: zum einen mit der pentatonischen Märchen-Miniatur "Laideronnette, Impératrice des Pagodes" aus der Suite bzw. dem Ballett "Ma Mère l'Oye", zum anderen mit einer Gesangs- und Tanznummer aus der Fantaise lyrique "L'Enfant et les Sortilèges" (Das Kind und der Zauberspuk). Die 1925 vollendete Oper nach einem Libretto von Sidonie-Gabrielle Claudine Colette, kurz: Colette, handelt von einem aufmüpfigen Schulkind. Faul und missmutig hat es keine Lust für Hausaufgaben. Zurechtgewiesen und ermahnt von der Mutter, beginnt es aus Wut in seinem Zimmer zu randalieren: Es zertrümmert das Teegeschirr, zerfetzt die Tapete, zerreißt Bücher und Hefte, quält das Eichhörnchen im Käfig, zieht die Katze am Schwanz, wirft die Standuhr und die Möbel um. Doch plötzlich werden die Gegenstände lebendig und beginnen wie auch die Tiere zu sprechen. Am Ende bereut das Kind, bittet alle um Verzeihung, und es gibt ein Happy End. Zu den Highlights der Partitur gehört der so genannte "Five O'Clock Foxtrot", ein witzig-groteskes Duett plus Tanz des durch den Amoklauf lädierten Edel-Geschirrs: von der chinesischen Teetasse und von der englischen Wedgwood-Teekanne. Die Jazz-Adaption der Teekanne mit Posaune, Xylophon, Schlagzeug und stark hervortretendem Klavier mündet in die unvermeidliche Chinoiserie der Teetasse, gesungen in einem Nonsens-Pseudo-Chinesisch und brillant instrumental eingekleidet mit durchgehenden Quartparallelen der Celesta und glitzerndem pentatonischen "Geklingel" - effektvoll-witziges Komponieren "à la chinoise".

    AV-Player