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So wie sie ihm jetzt gegenübersteht, hat er sie nicht gekannt: Weltberühmt und willkommen auf allen Opernbühnen der Welt. Zu seinen Lebzeiten hatte man sie als die "Verkörperung von Laster und Sünde" geschmäht. Man schmähte sie als "ein Delirium an Kastagnetten" beleidigte sie als "inkohärente Lumpen von Akkorden", und würdigte sie als "unzusammenhängende Rhythmen" und "abgerissene Melodien" herab.
Dass seine Oper "Carmen" in Georges Bizets Heimatstadt Paris so unwillkommen war, brach ihm das Herz - heißt es. Drei Monate nach der Uraufführung war Georges Bizet jedenfalls tot. Und Carmen wurde unsterblich. Sie wirft einen gewaltigen Schatten, der alles verschluckt, was Bizet sonst an Opern, Suiten und Liedern hinterließ, als er sich im Alter von nur 36 Jahren von seiner scheinbar so wenig erfolgreichen Carmen verabschiedete. Heute begründet ihr Erfolg allein seine posthume Popularität. Und sie? Verdankt sie ihm nicht alles? War es nicht er, der aus einer romantischen Erzählung erst eine Verkörperung aus Fleisch und Blut schuf? Der sie zum archetypischen Mythos machte? Höchste Zeit für eine Aussprache.