BR-KLASSIK

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Bayreuther Festspiele

24. Juli - 28. August 2023

Interview Marina Prudenskaja "Bayreuth ist wie ein Zuhause für mich!"

Im diesjährigen Bayreuther "Ring" ist die Mezzosopranistin Marina Prudenskaja als Waltraute zu sehen und zu hören. Im Interview mit BR-KLASSIK verrät die Sängerin, warum sie diese Rolle für eine der besten im gesamten Ring hält - und dass sie auch gerne einmal in der Rolle des Loge auf der Bühne stehen würde.

Marina Prudenskaja | Bildquelle: Martin Sigmund

Bildquelle: Martin Sigmund

BR-KLASSIK: Sie singen in diesem Jahr die Waltraute in der Bayreuther "Götterdämmerung“. Das ist eine unglaublich interessante Partie. Sie kommen auf die Bühne und haben eine wichtige Botschaft an Brünnhilde. Sie sind voller Angst, voller leidenschaftlicher Gefühle, wollen Brünnhilde unbedingt überzeugen, und die hört Sie nur so ein bisschen an. In der Inszenierung von Frank Castorf sitzt sie im Campingstuhl und liest Zeitung, während Sie sie versuchen zu bekehren. Sie müssen also alles in diese 20 Minuten legen und sind dann wieder weg. Ist es schwer, in diese Rolle reinzukommen?

Marina Prudenskaja: Ich finde, Waltraute ist für einen Mezzosopran die vielleicht beste Rolle im "Ring". Sie ist eine der Hauptrollen und trotzdem nur in einer Szene dabei. Die "Götterdämmerung" ist wahnsinnig lang, und alle haben endlos miteinander zu tun. Waltraute kommt, erzählt alles, versucht Brünnhilde zu überzeugen. Das klappt nicht und dann verschwindet sie - kurz, kompakt. Das ist eine ganz fantastische Szene und auch toll von Wagner geschrieben. Brünnhilde muss noch weiter leiden und versteht erst zum Schluss, was sie falsch gemacht hat.

BR-KLASSIK: Frustriert Sie das nicht, dass Sie als Waltraute so überhaupt nichts bewegen können?

Marina Prudenskaja: Ja, natürlich. In dieser Inszenierung trinkt Brünnhilde auch noch Wodka. Vielleicht sieht man vom Zuschauerraum nicht, was da steht. Da steht Wodka! Die gesamte Erzählung gegenüber Brünnhilde ist eigentlich schon sinnlos, weil die so viel getrunken hat - bereits eine halbe Flasche.

BR-KLASSIK: Und das sind einige Promille ...

Marina Prudenskaja | Bildquelle: Martin Sigmund Marina Prudenskaja | Bildquelle: Martin Sigmund Marina Prudenskaja: Allerdings. Waltraute kann weiter dasitzen und erzählen, aber eigentlich sollte sie Brünnhilde erst ausschlafen lassen und dann noch einmal kommen. Da könnte man ein anderes Regiekonzept entwickeln. Aber Brünnhilde ist frisch verliebt, dann lebt man wie im Traum, ohne Verstand, und versteht überhaupt nicht, was auf der Erde passiert.

BR-KLASSIK: Die Inszenierung von Frank Castorf läuft seit 2013. Sie steigen in diesem Jahr in die Inszenierung ein. Brünnhilde ist hier eine Art Outlaw. Sie ist mit einem Wohnwagen unterwegs, und Waltraute bekommt von ihr einen Campingstuhl angeboten. Können Sie sich mit diesem relativ modernen Setting anfreunden oder sind Sie ohnehin flexibel, was Inszenierungen angeht?

Marina Prudenskaja: Wir sind flexibel. Mit dem Regieassistenten haben Brünnhilde - also Catherine Foster - und ich einiges ausprobiert, und er hat uns ermutigt, selbst etwas zu gestalten und nach Gefühl zu agieren.

BR-KLASSIK: Wie wichtig ist es dann, dass man mit der Partnerin wirklich gut harmoniert?

Marina Prudenskaja: Ich mag es, mit Catherine zu arbeiten. Ich finde, sie hat sehr viel Kraft und auch Humor. Bei dieser Inszenierung mit Wodka und Camping braucht man das auch, damit alles nicht allzu streng wirkt.

"Götterdämmerung" auf BR-KLASSIK

Der Mitschnitt der diesjährigen Bayreuther "Götterdämmerung" wird am Sonntag, 14. August, ab 18.05 Uhr auf BR-KLASSIK übertragen.

BR-KLASSIK: Sie haben 2006 ihr Bayreuth-Debüt  gegeben, damals als Floßhilde im "Ring". 10 Jahre später singen Sie wieder im "Ring". Mit welchen Gefühlen sind Sie nach Bayreuth zurückgekehrt?

Marina Prudenskaja: Ich habe mir immer gewünscht wiederzukommen, aber natürlich in einer größeren Rolle. Als man mich gefragt hat, habe ich sofort "ja" gesagt, denn ich mag Wagner sehr. Verdi und Wagner sind meine Lieblingskomponisten, und Bayreuth ist wie ein Zuhause für mich.

Szene aus Götterdämmerung, Bayreuther Festspiele 2016 | Bildquelle: Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath Catherine Forster und Marina Prudenskaja | Bildquelle: Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath BR-KLASSIK: Wie war es mit der Akustik, haben Sie sich sofort wieder gewöhnt an diese speziellen Bedingungen oder muss man sich da erst wieder hineinfinden?

Marina Prudenskaja: Nein, die Akustik ist fantastisch. Ich habe heute die Regieassistenten gefragt, warum es hier keine Klimaanlage gibt. Sie meinten, das würde vielleicht die Akustik verändern. Es singt sich hier sehr leicht. Und wenn es so heiß ist, schwitzt man im Publikum - es wird feucht. Alle leiden wegen der Hitze, das ist für die Akustik noch besser.

BR-KLASSIK: Ja, das Publikum leidet mit. Das macht auch etwas aus, wenn das Haus voll ist.

Marina Prudenskaja: Das meine ich: Alles schwitzt, es wird feucht, und das ist wunderbar für das Singen.

BR-KLASSIK: Sie haben bereits die Erda gesungen, dann die Floßhilde, jetzt Waltraute. Ist der "Ring des Nibelungen" für Sie irgendein Stück, vergleichbar mit anderen Opern, oder ist dieser "Ring" doch etwas ganz Besonderes?

Marina Prudenskaja: Ich habe mittlerweile alle Rollen im "Ring" gesungen, die es für Mezzosopran gibt: die Rheintöchter, drei Walküren und beide Frickas, beide Erdas, erste und zweite Norn, Waltraute. Was gibt es noch?

BR-KLASSIK: Sie singen dann wahrscheinlich demnächst auch bald die Männer…

Marina Prudenskaja: Noch nicht. Loge würde ich aber vielleicht tatsächlich gerne singen. (lacht) Der "Ring" ist einfach eine schöne Geschichte, ein schönes Märchen - und schwer zu produzieren, wenn der Zuschauer nicht den Faden verlieren soll. Aber ich mag auch andere Opern von Wagner, zum Beispiel den "Tristan".

Das Gespräch führte Annika Täuschel für BR-KLASSIK.

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