BR-KLASSIK

Inhalt

Cole Porter - 125. Geburtstag Das komponierte Augenzwinkern

Sinatra sang sie, Ella Fitzgerald brachte sie zum Schmelzen, Bryan Ferry und Pete Townshend ließen sich von ihnen bezaubern: Die Lieder des amerikanischen Songwriters Cole Porter sind funkelnde Klassiker - auch 125 Jahre nach der Geburt ihres Textautors und Komponisten.

Cole Porter | Bildquelle: picture-alliance / Mary Evans Picture Library

Bildquelle: picture-alliance / Mary Evans Picture Library

Es gibt Songs, die nicht altern. Diejenigen des am 9. Juni 1891 in einem Ort namens Peru im US-amerikanischen Bundesstaat Indiana geborenen und 1964 in Kalifornien verstorbenen Komponisten und Texters Cole Porter gehören dazu. "Anything Goes", "Love for Sale", "I Get a Kick Out of You", "Begin the Beguine", "Night and Day" oder auch "I’ve Got You Under My Skin". Man liest die Titel, und die Melodien beginnen im inneren Ohr dazu zu tanzen. Und die unterschiedlichsten Gesangstimmen drängen sich in den Sinn: von Frank Sinatra, dem Großmeister fingerschnippender Swing-Gelassenheit, bis zum obercoolen Popmusik-Dressman Bryan Ferry. Sie alle haben sich vor den Stücken Cole Porters verneigt. Und bei allen klang - und klingt - seine Musik stets zeitgemäß.

Goldfische und Zitteraale

Witziger und eleganter, als Porter es tat, kann man Lieder vermutlich nicht aufziehen. "Vögel tun es, Bienen tun es, sogar dressierte Flöhe tun es. So lasst es uns auch tun." Und was nun? Die Rede ist davon, sich zu verlieben. "Leute sagen, in Boston tun es sogar Bohnen", merkt Porter etwas später im Liedtext an, es folgen Sätze wie "Zitteraale (electric eels) , möchte ich hinzufügen, tun es auch, obwohl sie manchmal davon einen Schlag abkriegen", und das Highlight: "Goldfische in der Privatheit ihres Glases": Die tun es auch. Die Musik, die Porter dazu komponierte, gleitet ungemein souverän durch fein gesetzte Harmonien und schmiegt sich in unendlich biegsame melodische Linien. Wenn man ein Augenzwinkern komponieren könnte: Es klänge wie ein Song von Cole Porter.

Cole Porter | Bildquelle: picture alliance / akg-images Bildquelle: picture alliance / akg-images Cole Porter wurde in eine reiche amerikanische Familie hineingeboren. Schon als Schüler komponierte er Musik, die er seiner Mutter widmete, und als Jura-Student - an Elite-Universitäten wie Yale und Harvard - tat er sich bei Festen an der Universität als Entertainer mit Gesang, Klavier und selbstkomponierten Stücken hervor und wechselte schließlich das Fach zugunsten der Musik. Ein erster Versuch mit einem Musical am Broadway schlug 1916 fehl, aber 1928 - nach einigen Europa-Aufenthalten - gelang Porter der Durchbruch mit dem Stück "Paris", eine Musicalproduktion, die auf Vermittlung des mit Porter befreundeten und damals schon zu den gefeierten Größen des Genres zählenden Songschreibers Irving Berlin zustande kam. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten schrieb Porter rund 40 Musicals wie "Gay Divorce" und "Anything Goes", "Kiss Me, Kate" oder - 1954 - seine letzte große Broadway-Produktion "Silk Stockings" mit der Hauptdarstellerin Hildegard Knef.

Cole und seine Erben

Seine Songs zählen zu den schönsten und witzigsten aus dem englischsprachigen Raum im 20. Jahrhundert. Federleichte Stücke voller prickelndem Raffinement. Anders etwa als George Gershwin, dessen Texte oft Bruder Ira schrieb, oder Jerome Kern, der mit Oscar Hammerstein ein Erfolgsduo bildete, zählte Porter zu den großen Songkomponisten, die auch hervorragende Texter waren. Irving Berlin hatte das vorgemacht, aber Cole Porter war vor Lennon-McCartney und Bob Dylan wohl der begabteste von allen.

Lieder wie "Begin the Beguine" - die lautmalerische Hommage an einen Tanz - oder "I Get a Kick Out of You", ein Liebesbekenntnis, das die schöne Idee formuliert, dass Champagner, Flugreisen und viele luxuriöse Dinge mehr nichts im Vergleich zur Anziehung durch die besungene Person sind, gehören zu den handwerklichen Gipfelpunkten amerikanischer Songkunst des 20. Jahrhunderts.

Ein weiteres Highlight: "You’re the top" aus dem Musical "Anything Goes" von 1934. In dem Musical wird von Irrungen und Wirrungen während einer Schiffspassage von New York nach London erzählt.  Eine wilde Mischung von Hochstaplern, Möchtegern-Reichen und tatsächlicher High Society ist das Personal. Wenn sich dabei einer der Passagiere vor einer Angebeteten auf den Boden wirft und bekennt, dass er ganz unten, sie hingegen wirklich ganz oben stehe und er ihr nun - obwohl er gar nicht dafür begabt sei - zum Ausdruck bringen möchte, wie großartig er sie finde, folgt bei Cole Porter eine atemberaubende  Aufzählung maßgeblicher Werke aus Musik, Literatur, Architektur, Malerei und Politik, versetzt mit Sidekicks Richtung Showbiz und Alltagsleben.

Cole Porter | Bildquelle: picture-alliance / Mary Evans Picture Library Bildquelle: picture-alliance / Mary Evans Picture Library Vom Shakespeare-Sonett bis zur Zahnpasta, von Mahatma Ghandi bis zum Camembert wird in: "You´re the top" alles aufgeboten, um die Dame zu lobpreisen (auch wenn es vielleicht nicht so schmeichelhaft erscheinen mag, mit einem eindringlich duftenden Stück Käse verglichen zu werden, aber bei Porter hatte auch das Stil). In einer historischen Aufnahme kann man übrigens Cole Porter selbst mit diesem Stück hören, der sich dazu pointiert und höchst gekonnt am Flügel begleitet.

Porter sang von einer Welt, in der er sich auskannte. Er war es gewohnt, in der Luxusklasse zu reisen, in den spannendsten Metropolen zu residieren und die aufregendsten Partys auszurichten. Porter konnte eine Existenz in Saus und Braus führen. Luxushotels an Orten wie Paris und Venedig oder an der Riviera standen ihm offen, eine große Erbschaft sicherte ihn finanziell ab.

Porter liebte Männer, aber er heiratete eine Frau. Er und seine Ehefrau Linda blieben zusammen - bis zum Tod der acht Jahre älteren Gefährtin im Jahr 1954. Schon 1937 hatte ein Ereignis die Lebensleichtigkeit Cole Porters stark beeinträchtigt: Er hatte einen schweren Reit-Unfall, in dessen Folge er rund 30 Mal operiert werden musste - um am Ende, im Jahr 1958, doch noch eine Bein-Amputation ertragen zu müssen. Sein Kommentar über den Unfall, lakonisch wie einer seiner Songtexte: "Fünfzig Millionen Franzosen können nicht irren: Sie essen die Pferde statt sie zu reiten". Nach der Amputation verlor Porter immer mehr den Lebenswillen. Sechs Jahre später starb dieser Virtuose der Worte und der Töne mutlos und zurückgezogen in einem Krankenhaus an Nierenversagen.

Er hinterließ Songs für die Ewigkeit, für die das gilt, was einer ihrer Titel besagt: "I’ve Got You Under My Skin". Diese Lieder, wenn man die Chance hat, sie kennenzulernen, gehen unter die Haut und bleiben da. Anders als die Folgen eines Reitunfalls tun sie aber keinesfalls körperlich weh. Fein gearbeitete Songs mit dem gewissen Kick.

    AV-Player