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Blue Notes und Jodler in der Jazztime Jazz vom Woid

Imposante Gipfel und tiefe Schluchten gibt es nicht so viele im Bayerischen Wald. Jodler gibt es trotzdem dort – und herausragende Jazzer: Jonas Brinckmann ist so einer. Er verbindet die Gesänge seiner Heimat auf besonders lustvolle und faszinierende Art mit modernem Jazz.

Baritonsaxophonist Jonas Brinckmann | Bildquelle: Steffi Rettinger

Bildquelle: Steffi Rettinger

Die Rusel ist kein atemberaubender Berg, gerade mal 764 Meter erhebt sie sich über die Meereshöhe. Betrachtet man aber diesen Gipfel vom Sofa im Wohnzimmer von Jonas Brinckmanns Eltern aus, hat die Rusel doch so eine imposante Silhouette, dass der Saxophonist dem Berg im Bayerischen Wald ein Stück gewidmet hat. "Blick aus dem Fenster" heißt es und es ist richtig swingender, moderner Jazz.

Jazzen und Jodeln

Wie passt denn das zusammen, der Bayerische Wald und Jazz? Sehr gut, wenn es nach Jonas Brinckmann geht. Der Saxophonist, Jahrgang 1990, kommt aus dem "Woid", wie er sagt, aus Bischofsmais. Studiert hat er in Dresden, Wien und München. Erst während des Studiums hat er seine Liebe zum tieftönenden Saxophon, dem Baritonsaxophon, entdeckt.

Seine Band ist ein Quartett ohne Harmonieinstrument wie Gitarre oder Klavier, inspiriert von ähnlichen Besetzungen des legendären Baritonsaxophonisten Gerry Mulligan in den 60er Jahren. Tenor- und Baritonsaxophon, sowie Kontrabass und Schlagzeug sind die Instrumente. Aber alle vier Bandmitglieder müssen auch singen. Und nicht nur das: Sie jodeln auch! Denn Jonas stellt seinen Eigenkompositionen, die ziemlich trickreich Tempo und Takt ändern und lässige, aber auch vertrackte Themen haben, immer einen Jodler voran.

Sendungstipp

Zu hören ist das jodelnde Jazz-Quartett von Jonas Brinckmann am 11. Februar ab 23:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

Baritonsaxophonist Jonas Brinckmann, Kontrabassist Jakob Jäger, Tenorsaxophonist Raphael Huber und Schlagzeuger Valentin Renner | Bildquelle: Lukas Diller, Simon Rainer, Jonathan Gieler. Baritonsaxophonist Jonas Brinckmann, Kontrabassist Jakob Jäger, Tenorsaxophonist Raphael Huber und Schlagzeuger Valentin Renner | Bildquelle: Lukas Diller, Simon Rainer, Jonathan Gieler. Teilweise hat er auch diese selbst komponiert. Da geht es dann um die Kindheitserinnerung an das Baumhaus, ums Skifahren an den nicht ganz so steilen Hängen des Bayerischen Waldes oder um den alten Brauch des Wolfauslassens. Dabei ziehen Kinder und Jugendliche von Haus zu Haus und läuten mit Glocken "den Wolf aus". In längst vergangenen Zeiten sind die Hirten in der Zeit um St. Martin von Hof zu Hof gezogen, um von den Bauern Geld einzufordern fürs Vertreiben der umherstreunenden Wölfe. Die Kinder sagen heute dabei einen Spruch auf und bekommen Süßigkeiten. Diesen Spruch hat Jonas Brinckmann zu einem Gesang vertont. Das passende Jazzstück dazu beschreibt nicht das Wolfausläuten, sondern eher das Gefühl eines 12- oder 13-Jährigen, der bis 22 Uhr draußen sein darf. Herrlicher Übermut, knisternde Spannung und eine Spur aufgedrehte Müdigkeit spricht aus dieser Instrumentalmusik.

Historische Wurzeln: der volkstümliche "Bierjazz"

Die Verbindung aus Jazz und Bayerischer oder alpenländischer Volksmusik gibt es schon lange. Ende der 1950er Jahre waren die "New Orleans Hot Dogs" mit ihrem sogenannten "Bierjazz" in ganz Bayern erfolgreich. Das war eine etwas derbe Mischung aus Dixieland-Jazz und Bayerischer volkstümlicher Musik. Die angejazzten Versionen des Bayerischen Defiliermarschs oder der "alten Rittersleut" fanden bei einem breiten Publikum Anklang: Musikalisch war das eher effektvoll als hochklassig.

Weit weg vom Gag

Einige dieser Kombinationen aus traditioneller Volksmusik und Jazz sind nahe am Gag und am oberflächlichen Klischee. Bei Jonas Brinckmann ist das anders. Seine Musik ist lustvoll und augenzwinkernd, aber nie ein Klamauk. Auch ist die musikalisch-technische Qualität beim Jonas Brinckmann Quartett über jeden Zweifel erhaben.

"Jazz vom Woid" steht ganz in bester, altbekannter Jazztradition: Beziehe deine eigenen musikalischen Wurzeln ein und verarbeite sie auf improvisatorische Weise, dann kommt etwas ganz Persönliches heraus. Und um diesen persönlichen Ausdruck geht es im Jazz und in der Volksmusik.

Sendung: Jazztime am 11. Februar 2022 ab 23.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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