Johann Sebastian Bach kehrt nach 275 Jahren an den Leipziger Thomaskirchhof – seiner Wirkungsstätte – zurück: als Avatar, also als Figur, die aussieht wie Bach, die sich bewegt und spricht wie er. Susann Krieger hat mit Michael Maul über die Auferstehung des großen Komponisten gesprochen.
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"In unserem Museum hier hängt das berühmte Bach-Porträt von Elias Gottlob Hausmann, (…) mit dem kleinen Notenblatt in der Hand, an dem ich sehr oft hier vorbeigehe und auch oft ihm in die Augen gucke und da hat man ja so seine Tagträume als Bachfan. Dann denkt man, Mensch, fang an zu reden. Komm aus dem Bild raus.", Michael Maul, Intendant des Bachfests Leipzig
Aus dem Tagtraum ist Wirklichkeit geworden. Bach erscheint im historischen Sommersaal des Bachmuseums. Dort stehen 25 Stühle im Halbkreis und das Publikum wartet gespannt auf den großen Meister. Mit der Augmented Reality-Brille auf dem Kopf taucht in der Mitte des Raumes ein Cembalo auf. An der Wand hängt nun das Bach-Porträt, an dem Michael Maul so gern vorbeigeht. Ein Loch auf dem Boden öffnet sich, energetische Lichtstrahlen treten aus und beginnen den Bilderrahmen zu beschießen.
"…und plötzlich (…) fängt das Bild an zu wachsen und der Bach fängst sich da drin an zu bewegen und schließlich tritt er aus dem Bild heraus, steht da, wundert sich, (…), Michael Maul, Intendant des Bachfests Leipzig
Eine Stimme aus dem Off begrüßt Bach und bittet ihn, Cembalo zu spielen und aus seinem Leben zu erzählen. Um Bach lebendig werden zu lassen, brauchte es gleich mehrere Bachs:
"die Stimme, die wir hören von Bach, ist Martin Seifert vom Berliner Ensemble, aus Thüringen, ein fantastischer Sprecher." , Michael Maul, Intendant des Bachfests Leipzig
Der Schauspieler Nils Niemann hat die barocken Gesten Bachs nachgeahmt und Alexander von Heißen Bachs Werk auf dem Cembalo eingespielt. Mit sogenannten Motion-Capture-Handschuhen und -Anzügen wurden Bewegungen und Spiel technisch aufwändig und detailverliebt derart aufeinander abgestimmt, dass daraus der Bach-Avatar erwachsen konnte. Das Drehbuch zur Bach-Show hat Michael Maul selbst geschrieben. Der ausgewiesene Bach-Spezialist hält sich dabei an die Fakten, zitiert Bachs Worte oder die von Zeitgenossen und fügt so ein komplexes Bach-Leben zusammen. Während der Erzählungen von Bach tauchen im Hintergrund Kupferstiche der jeweiligen Wirkungsorte wie Weimar, Arnstadt oder Leipzig auf.
Es ist erstaunlich, wie echt Bach tatsächlich wirkt. Läuft man durch den Raum, passt sich die Akustik entsprechend an. Kommt man Bach nahe, sieht man kleine Fältchen im Gesicht. Und auch sein Cembalospiel wirkt nahezu authentisch. Das Publikum reist also zurück: in eine Vergangenheit, die auch heute noch immer fasziniert.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 15. Juni 2025, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK