BR-KLASSIK

Mit dem Album "Contra-Tenor" setzt der amerikanische Tenor Michael Spyres Maßstäbe für die Barockoper. Vom Haute-Contre bis zum Baritenor beherrscht er alles zwischen dreieinhalb Oktaven. Eine Stimme, die bezaubert.

Bildquelle: © Erato

So wie Michael Spyres diese Arie von Antonio Maria Mazzoni singt, wünscht man sich einen echten Barocktenor. Kein flaches Stimmchen, sondern ein gepflegt voluminöses Organ mit reicher Mittellage, das die Höhen locker nimmt und sowohl heldisch als auch lyrisch klingen kann. Es hat ja seinen Grund, dass die Tenöre den Kastraten spätestens am Übergang vom Barock zur Klassik den Rang abliefen. Und der Amerikaner Michael Spyres zeigt auf seinem neuen Recital-Album warum das so war. Seine schmerzvolle Orpheus-Klage um die tote Geliebte Eurydike bei Christoph Willibald Gluck ist Tenorkultur in Perfektion.

Aber Michael Spyres kann noch viel mehr. Es gibt derzeit wohl keinen ihm vergleichbaren Sänger, der so perfekt und so chamäleonhaft sämtliche Register und Spielarten eines barocken Tenors ziehen kann. Der feine Lyrismus eines Haute-Contre etwa, so wie Jean-Baptiste Lully ihn für seine französischen Opern forderte, ist für Spyres kein Problem. Aber auch das stimmliche Gegenmodell dazu, die dramatische italienische Tenorarie in ihrer baritonalen Ausprägung, beherrscht Michael Spyres meisterhaft. Tiefe und Volumen demonstriert er etwa als Artabano in Antonio Vivaldis gleichnamiger Oper.

Über drei Oktaven

Was für ein Wumms in der Stimme. Und was für ein Umfang von über drei Oktaven. Einfach großartig. Das alles geschmackvoll vereint, inklusive organischer Koloraturen, kann man in der wundervollen Arie "Se il mio paterno amore" aus der Oper Siroe von Baldassare Galuppi hören.

Das Ganze wird kongenial und spielfreudig begleitet vom erfahrenen Originalklangensemble Il Pomo d'oro unter der Leitung von Francesco Corti. Man kann den Alleskönner Michael Spyres nur in den höchsten Tönen loben. Einen so kompletten Barocktenor habe ich noch nie gehört. Sein Album "Contra-Tenor" ist ein Feuerwerk der Glückmomente und ein Muss für alle Opernfans.

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 7. Mai 2023, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK