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Kastrat Glücklicherweise historisches Stimmfach

Die Klänge der Vergangenheit wieder hörbar machen, dass versucht die Originalklang-Bewegung. Oft gelingt das, doch den engelsgleichen Gesang der Kastraten kann man heute nicht mehr hören. Und das ist auch gut so.

Kastratensänger Farinelli, gemalt von Corrado Giaquinto | Bildquelle: wikimedia

Bildquelle: wikimedia

Farinelli - Caffarelli - Senesino. So nannten sich die ersten Opernstars der Musikgeschichte. Reihenweise fielen die Damen in Ohnmacht, wenn sie deren atemberaubende Koloraturen erlebten. Männer wie Frauen, Könige und Päpste waren hingerissen von ihrer Kunst und der anmutigen Erscheinung auf der Bühne. Sie konnten nicht genug von ihnen bekommen und entlohnten sie fürstlich. Doch dieser Erfolg hatte seinen ganz besonderen Preis: sie waren Kastraten.

GRAUSAME PRAXIS…

Der Dottore legte bei Gaetano die Kanäle, die zu den Hoden führten, links oberhalb des Gliedes frei. Er zog den Samenleiter heraus, klemmte ihn mit einem Zwirnsfaden ab und durchschnitt ihn.

So beschreibt der Schriftsteller Hubert Ortkemper die riskante Operation, die aus dem jungen Gaetano Majorano den berühmten Caffarelli machen sollte. Durch die Kastration blieb der Stimmbruch aus, und die Knaben behielten ihre hohe Stimme. Später, mit dem Lungenvolumen eines erwachsenen Mannes, bekamen diese Stimmen eine geradezu übernatürliche Kraft. Dazu hatten sie einen größeren Tonumfang als alle anderen Sänger.

… MIT WUNDERVOLLEM ERGEBNIS

Das eigens für sie komponierte Repertoire gehört zum anspruchsvollsten, was je für die menschliche Stimme geschrieben wurde, wie etwa Georg Friedrich Händels "Ombra mai fu". Was heute selbstverständlich ist, nämlich Frauen auf der Bühne und im Gottesdienst singen zu hören, war im 17. und 18. Jahrhundert ein ständiger Streitpunkt. Jahrhundertelang diente ein Satz aus einem Brief des Apostels Paulus als Legitimation dafür, stattdessen Kastraten zu engagieren:

Wie in allen Gemeinden der Heiligen sollen die Frauen in der Versammlung schweigen.

ZUM LOB GOTTES

Zwar verurteilten die Mächtigen die Kastration offiziell, dennoch erfreuten sich 32 Päpste am engelsgleichen Gesang der Kastraten. Einer der letzten seines Standes war Alessandro Moreschi. Auch er sang in der Sixtinischen Kapelle. Moreschi war kein sehr bekannter Sänger. Berühmtheit erlangte er dadurch, dass er ganz zu Beginn des 20. Jahrhunderts einige Arien auf Schellackplatten aufnahm. Dies sind die einzigen authentischen Zeugnisse davon, wie die Stimme eines Kastraten wohlgeklungen hat. Heute werden diese Partien von Frauen oder männlichen Countertenören gesungen.

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 4. Juli 2010, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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