Am Anfang stand das Missverständnis, am Ende die Oper: um 1600 herum entwickelte eine Gruppe Künstler in Italien eine neue Form der musikalischen Erzählung, die den gut verständlichen Gesang in den Mittelpunkt stellte.
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Ende 15. Jahrhundert in Florenz: Um den Grafen Giovanni de'Bardi sammelte sich ein Kreis von Dichtern, Musikern, Künstlern und Gelehrten unter dem Namen "Florentiner Camerata". Ihr Ziel: die Wiederbelebung des antiken Dramas.
Allerdings missverstand diese Gruppe Intellektueller die griechische Praxis des Altertums. Aufgrund der Vorstellung, die Texte wären singend aufgeführt worden, forderten sie eine radikale Veränderung der Musik. War bisher die Mehrstimmigkeit mit all ihren Gesetzmäßigkeiten vorherrschend, so sollte jetzt der Vortrag einer nur sparsam begleiteten Einzelstimme im Vordergrund stehen. Die Verständlichkeit des Textes und die innige Darstellung des Affekts sind die neuen Ideale.
Der Komponist Giulio Caccini schrieb 1601 im Vorwort zu “Le nuove musiche”, einer Sammlung von monodischen Arien und Madrigalen:
"Da ich mich nun überzeugte, dass Hervorbringungen im Sinne unserer Tage kein anderes Vergnügen bewirken, als dasjenige, was durch Harmonie dem Ohr allein gewährt wird, dass ohne Verständnis der Worte das Gemüt nicht gerühret werden könne, kam der Gedanke, eine Art Gesang, gewissermaßen einer harmonischen Rede gleich, aufzuführen, wobei ich eine gewisse edle Verachtung des Gesanges an den Tag legte, hin und wieder einige Dissonanzen berührte, den Bass aber ruhen ließ, ausgenommen da, wo ich, dem gemeinen Gebrauch zufolge, seiner mit den Tönen der durch Instrumente ausgeführten Mittelstimmen mich bedienen wollte, irgendeinen Affekt auszudrücken, wozu sie allein brauchbar sind." Giulio Caccini
Diese Form des generalbassbegleiteten Gesangsvortrages war als "stile recitativo" bekannt, erst 1635 wurde dafür der Begriff "Monodie" eingeführt. Die neue Idee verbreitete sich rasch und wurde richtungsweisend für ganze Gattungen wie Oper, Oratorium oder Kantate: die grundsätzliche Musikauffasssung des beginnenden Barock änderte sich nachhaltig. Damit ist die Monodie eine der großen stilbildenden Erfindungen der Musikgeschichte.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 26. September 2010, 13.05 Uhr auf BR-KLASSIK