Laudenbach, Unterfranken, 24. April 1744. Roman Hoffstetter wird geboren. Hoffstetter – "Prior culinaris", also zuständig für die gute Ernährung seiner Brüder im Benediktinerkloster Amorbach in Unterfranken – war ein großer Bewunderer von Joseph Haydns Musik und komponierte in seinem Stil. Das führte zu einer großen Musikfälschung, die lange unentdeckt blieb.
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Bild: Streicher (Symbolbild)
Ende des 18 Jahrhunderts ist der Name "Joseph Haydn" eine etablierte Marke. Seine Werke, egal ob Symphonien oder Quartette, verkaufen sich sehr gut. Jeder Verleger fühlt sich privilegiert, mit Joseph Haydn zusammenarbeiten und seine neuen Werke drucken zu dürfen. Doch der Maestro verlangt hohe Preise, nicht jeder Verlag kann sich das leisten.
Hofstetters Freund Joseph Martin Kraus | Bildquelle: © gemeinfrei Ein großer Haydn-Bewunderer war auch Roman Hoffstetter. Ende des 18. Jahrhunderts war er Prior im Benediktinerkloster Amorbach im Odenwald in Unterfranken. Hoffstetter nannte sich "Prior culinaris", zuständig für die Küche und gute Ernährung der Mönche. In der Freizeit widmet sich Hoffstetter aber einer anderen Tätigkeit – er komponierte, und zwar im Stil von Joseph Haydn. Hoffstetter schrieb an seinen Freund Joseph Martin Kraus, den späteren schwedischen Hofkapellmeister: "Alles, was aus Haydns Feder fließt, erscheint mir so schön und bleibt meinem Gedächtnis so eingeprägt, dass ich mich nicht immer wieder daran hindern kann, es so gut wie möglich nachzuahmen."
Nachdem das Kloster im Zuge der Säkularisierung 1803 aufgelöst wurde, zog Roman Hoffstetter mit dem Abt des Klosters in die nahe gelegene Stadt Miltenberg zurück. Als Geistlicher war er hier Mitglied der Diözese Würzburg, er komponierte und leitete einen Chor. Als Hoffstetter 1815 in Miltenberg starb, hinterließ er drei Solokonzerte für Viola, vierzehn Streichquartette sowie verschiedene kirchenmusikalische Werke. Ob er wusste, dass sechs seiner Quartette unter Joseph Haydns Namen bereits zu seinen Lebzeiten verkauft worden waren? Jedenfalls sind fast 200 Jahre vergangen, bis diese Fälschung entdeckt wurde.
Joseph Haydn | Bildquelle: picture-alliance/dpa 1964 veröffentlichten die englischen und amerikanischen Musikwissenschaftler Alan Tyson und H. C. Robbins Landon in der Zeitschrift "Musical Times" einen großen Artikel, in dem sie die sechs Streichquartette op. 3 aus Joseph Haydns Werken eindeutig Roman Hoffstetter zuwiesen. Die Quartette op. 3 wurden 1777 in Paris bei dem Verleger Bailleux als Werke Haydns gedruckt und nach 1800 vom Komponisten und Verleger Ignaz Pleyel in die Gesamtausgabe der Streichquartette Haydns übernommen. Interessanterweise hat Haydns Kopist Johann Elßler diese Gesamtausgabe dem Komponisten persönlich vorgelegt, um diese Werke in sein "Haydn-Verzeichnis" aufzunehmen – und Haydn hatte es eigenhändig autorisiert. Doch 1964 stellen die beiden Musikwissenschaftler Tyson und Landon fest, dass zumindest bei zwei der insgesamt sechs Quartetten aus dem Opus 3 der Komponistenname in den Druckplatten der Ausgabe vom französischen Verleger Bailleux ursprünglich Hoffstetter lautete. In den Druckexemplaren der einzelnen Quartettstimmen aus dem Jahr 1777 fanden sie den Namen Hoffstetters bei den Titelseiten der beiden ersten Quartette – er war noch schwach erkennbar. Auf der Titelseite der Partitur jedoch stand der Name "Haydn", schrieben die Musikwissenschaftler. Zudem finden sich die sechs Quartette nicht in Haydns Entwurfkatalog, der ziemlich akribisch geführt wurde. Damit dürfte das gesamte Opus 3 von Roman Hoffstetter stammen.
Dabei handelt es sich beim Quartett in F-Dur Op. 3 um einen echten Hit. Die Serenade daraus hat dem gesamten Quartett den Namen "Serenadenquartett" gegeben – und ist nach wie vor ein sehr populäres Stück, das in verschiedensten Bearbeitungen heute noch Konzertpodien beherrscht. Wenn der Benediktinermönch Roman Hoffstetter das wüsste!
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Roman Hoffstetter(Haydn) - String Quartet No.5 in F Major Op.3, 2nd Movement - aka "Serenade"
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Sendung: "Allegro" am 24. April 2024 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK