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Was heute geschah – 18. September 1839 Richard Wagner betritt erstmals Paris

Paris, 18. September 1839. Richard Wagner trifft in der Stadt ein, die er mehr hassen wird als jede andere. Einstweilen ist sie sein Traumziel. Wagner ist auf der Flucht vor seinen Gläubigern. Aus Riga ist er mit gefälschter Identität getürmt. Fast wäre er verhaftet worden, er kann seine Wechsel nicht mehr bezahlen. Die Reise war entsetzlich: Kein Pass, Stürme, Seekrankheit. Jetzt ist er da – im vibrierenden Zentrum der Welt, in der Metropole des 19. Jahrhunderts.

Richard Wagner | Bildquelle: Archiv des Bayerischen Rundfunks

Bildquelle: Archiv des Bayerischen Rundfunks

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Richard Wagner betritt erstmals Paris

Im Gepäck hat Wagner seine unvollendete Oper "Rienzi", ein Empfehlungsschreiben des Komponisten Giacomo Meyerbeer, einen riesigen Neufundländer namens Robber und einen Plan: Berühmtwerden, unter allen Umständen! Noch ist der junge Wagner kein deutschtümelnder Nationalist, noch setzt er auf Internationalität: "Es wird von den Deutschen so viel Ungereimtes und Abgeschmacktes über Gesang gefaselt, dass sich schon daraus recht deutlich herausstellt, wie wenig uns im allgemeinen die echte Göttergabe des Gesanges verliehen ist", so heißt es bei ihm. Oder auch: "Der wird Meister sein, der weder italienisch, französisch – noch aber auch deutsch schreibt."

Hoffnung auf Paris

Giacomo Meyerbeer, Komponist | Bildquelle: picture-alliance/dpa Erst Wagners Vorbild, dann sein Gegner: Giacomo Meyerbeer | Bildquelle: picture-alliance/dpa Hier in Paris will Wagner die wahrhaft europäische Oper schaffen. Sein Vorbild ist Giacomo Meyerbeer – noch ahmt er ihn nach, später wird er ihn hassen. Meyerbeer verbindet in seinen Opern Einflüsse aus ganz Europa und beherrscht von Paris aus die Musikwelt. Genau das will Wagner auch. An Meyerbeer schreibt er: "Es wäre hier sehr am unpassenden Ort, mich in ungeschickten Lobeserhebungen über Ihren Genius auszulassen. Nur so viel: Ich sehe in Ihnen die Aufgabe des Deutschen vollkommen gelöst, sich der Vorzüge der italienischen und der französischen Schule zu bemeistern, um die Schöpfungen seines Genies universell zu machen."

Dadurch, dass sich beide Nationen die Hand reichen und sich gegenseitig ihre Kraft leihen, ist jedenfalls eine der großen Kunstepochen vorbereitet worden.
Richard Wagner

Erträumte Verbrüderung

Man reibt sich die Augen! Wagner ist in jenen Jahren tatsächlich noch ein guter Europäer. Kurz vor seiner Ankunft in Paris träumt er von der Verbrüderung zwischen Deutschland und Frankreich: "Dadurch, dass sich beide Nationen die Hand reichen und sich gegenseitig ihre Kraft leihen, ist jedenfalls eine der großen Kunstepochen vorbereitet worden. Es ist keine Mischung zweier Nationen denkbar, deren Verbrüderung größere und vollkommenere Resultate für die Kunst hervorbringen könnte als die der deutschen und französischen."

Rachephantasien nach Misserfolg

Leider sollte es anders kommen. Paris wird Wagners Unglücksort. Schon bald nagt er am Hungertuch – und Jahre später wird sein "Tannhäuser" bei einem zweiten Paris-Aufenthalt niedergepfiffen. Nun hasst er die Stadt, die er so optimistisch betreten hat. Bis an sein Lebensende schwelgt er in Rachephantasien. Am 18. August 1870, während des deutsch-französischen Kriegs, notiert seine Frau Cosima in ihrem Tagebuch: "Richard sagt, er hoffe, dass Paris verbrannt würde, der Brand von Paris würde das Symbol der endlichen Befreiung der Welt von dem Druck alles Schlechten. Richard möchte an Bismarck schreiben, um ihn zu bitten, Paris niederzuschießen."

WAS HEUTE GESCHAH

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 8.30 Uhr und um 16.40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

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