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Reinhold Habisch kreiert den Sportpalastwalzer Ein Walzer mit vier Pfiffen

Berlin, 01. März 1923. Auf den Tribünen des Berliner Sportpalastes drängen sich tausende Menschen. Alle sind gekommen, um den Radsportlern beim Berliner Sechstagerennen zuzuschauen. Mitten im Getümmel: Reinhold Habisch, besser bekannt als "Krücke". Er ist wohl der treueste Fan des Sechstagerennens. Und er wird an diesem Tag dafür sorgen, dass der Sportpalast eine neue Erkennungsmelodie erhält.

Der Berliner Sportpalast; Foto um 1972 | Bildquelle: picture alliance / brandstaetter images/Votava | brandstaetter images/Votava

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Sendung zum Nachhören

Ganz oben auf dem Heuboden, den billigen Plätzen, gehört Reinhold "Krücke" Habisch schon fast zum Inventar. Von dort aus heizt er die Stimmung auf: jubelt, schreit, lacht und beleidigt schon gern einmal die versammelte Prominenz. Während Krücke so seine Possen reißt und die Radsportler unten schon fast im Delirium ihre Runden drehen, stimmt die Kapelle im Berliner Sportpalast zum ersten Mal den Walzer "Wiener Praterleben" an.

Vier Pfiffe statt Händeklatschen

Ein Walzer, der schon damals durchaus beliebt ist. Siegfried Translateur hat ihn Jahre zuvor in Wien komponiert und mit einem signifikanten, viermaligen Händeklatschen versehen. Also eigentlich wie gemacht für so ein Rennen mit jubelwütigem Publikum. Aber Krücke reicht das anscheinend nicht: Er pfeift. Viermal kurz und laut – und die Menge ist begeistert: Beim nächsten Mal pfeift schon der ganze Heuboden und bald der gesamte Sportpalast. Der Sportpalastwalzer ist geboren. Ganze acht Mal will ihn das Publikum in einer halben Stunde hören – und Krücke wird zum heimlichen König des Sportpalastes. "Wenn ick dann meene zwei Finger in die Schnute steckte und eine Arie dazwischen zwitscherte, dann freute sich die janze Bande.“

Offizielle Erkennungsmelodie des Sechstagerennens

Es gibt keinen in der Berliner Radsportszene, der ihn und seine Pfeiftiraden nicht kennt und es dauert nicht lange, da pfeift er nicht nur vom Heuboden aus, sondern mitten auf der Bühne vor dem Mikrofon. Sogar zu Sechstagerennen in anderen Städten wird er eingeladen, um für Stimmung zu sorgen. Sein Pfeifen macht ihn unsterblich und als das Sechstagerennen nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgenommen wird, ist nach wie vor seine Version die offizielle Erkennungsmelodie: der Sportpalastwalzer.

Sendung: "Allegro" am 01. März 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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