BR-KLASSIK

Inhalt

Kritik – Silvesterkonzerte der Berliner Philharmoniker Wagners Wucht duftet erotisch

Kirill Petrenko und seine Berliner Philharmoniker setzen zu ihren drei traditionellen Silvesterkonzerten Richard Wagner aufs Programm. Passt das überhaupt? Ein musikalischer Aperitif vor der Silvesterparty mit der Wiener Fassung von Richard Wagners Tannhäuser? Ist das nicht eine Wonne nur für Wagnerianer? Andererseits, warum nicht?

Kirill Petrenko dirigiert das Silvesterkonzert der Berliner Philharmoniker 2023 | Bildquelle: Monika Rittershaus

Bildquelle: Monika Rittershaus

Pilgeraskese trifft Wollust auf dem Venusberg, der Trieb kämpft gegen den Geist, die Sinnlichkeit gegen die Spiritualität, dieses Thema zieht sich bekanntermaßen durch die ganze Menschheitsgeschichte und fügt sich mit den Berliner Philharmonikern und ihrem sinnlich durchgeistigten Chefdirigenten ein in die Stimmung dieses Jahresendes.

Hinweis der Redaktion

Die Kritik bezieht sich auf das erste der drei Silvesterkonzerte am 29. Dezember 2023, in dem Georg Zeppenfeld mitwirkte.

Tannhäuser als Vorspiel zur Walküre

Elegant, getragen und spannungsvoll, mit weit sich öffnenden Gesten und über die Streicher schweifenden Bewegungen lässt Kirill Petrenko das Stimmgewebe der Tannhäuser-Ouvertüre glänzend erklingen. 30 Minuten vor ausverkauftem Haus, dann Pause und danach stürzen wir uns rein in den Beziehungszauber der Lovestory von Siegmund und Sieglinde. 

Jonas Kaufmann und Vida Miknevičiūtė

Silvesterkonzert Berliner Philharmoniker 2023 | Bildquelle: Monika Rittershaus Vida Miknevičiūtė und Jonas Kaufmann | Bildquelle: Monika Rittershaus Erster Aufzug Walküre. Wucht und Wollust mit langem, herrlichen Wälseruf des etwas zu routinierten und manchmal gepresst klingenden Jonas Kaufmann, an seiner Seite bezaubert jedoch die mädchenhaft zarte Vida Miknevičiūtė. Diese Litauerin ist ein Wunder, sie spricht perfekt Deutsch, bei Wagner wirklich wichtig, sie ist engelsgleich anzuschauen, aber gesegnet mit einem so sicheren, vom pianissimo ins fortissimo mühelos gleitenden Sopran. In dieser Rolle bejubelte das Publikum sie schon in der Staatsoper vor zwei Jahren, mit den Berliner Philharmonikern: ein Fest, wenn sie ihrem Bruder den Namen Siegmund gibt.

Klangfarben des erotischen Paradieses

Winterstürme wichen dem Wonnemond, das Liebespaar kommt in der konzertanten Aufführung einander nur musikalisch nahe, was aber völlig ausreicht. James Joyce bemerkte mal zu dieser Szene: "Wagner stinkt nach Sex." Bei den Philharmonikern stinkt gar nichts, da duftet es bitteschön nur in allen Klangfarben des erotischen Paradieses. Petrenko hatte in Meiningen, München und Bayreuth als Operndirigent Erfolge gefeiert, es ist eine Wonne, ihm zuzuschauen, mit welch sensibler, harmonischer Gewandtheit er das Sängerensemble mit dem Orchester führt. Abgründig und grandios als Gegenspieler des liebenden Zwillingspaares: Georg Zeppenfeld, der lieblos böse Hunding. Sieglinde schickt ihn schlafen, um mit Siegmund ins Bett zu steigen, und spätestens dann kann die Silvesterparty beginnen, denn dieses orgiastische Finale hebt auch den letzten Wagner-Skeptiker aus dem Sitz.

Sendung: "Allegro" am 2. Januar 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (6)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.

Donnerstag, 04.Januar, 07:47 Uhr

Trappe

Sylvesterprogramm???

Selten hat man so ein schlechtes wie unglückliches Programm zu Sylvester erlebt. Völlig deplatziert, so sehr ich Wagner sonst liebe. Überhaupt ist bei Intendant und Dirigent in der Saison Verbesserungsbedarf!

Mittwoch, 03.Januar, 00:40 Uhr

AS

Silvesterkonzert Berliner Philharmoniker

Wir hatten uns sehr auf Georg Zeppenfeld am Silvester Abend gefreut. Tobias Kehrer, der offensichtlich eingesprungen ist, war ein großartiger Ersatz. Wäre schön, wenn die Kritik zum Datum passen würde….

Dienstag, 02.Januar, 16:30 Uhr

Euphrosine

Pilgeraskese im Clinch mit der Wollust

... dass dies ins Herz der Jahresend-Stimmung in Berlin trifft, verblüfft mich freilich endgültig maßlos! Was kriegt man im fernen Bayern doch immer für einen völlig falschen Eindruck von unserer dynamischen Hauptstadt: bloß gut, dass das mal gerade gerückt wird.

Dienstag, 02.Januar, 10:21 Uhr

Walter Lange

Bei den Szenen im Venusberg sollte man außer den 3 Grazien, den Jünglingen, Sirenen, Najaden, Nymphen, Amoretten, Bacchantinnen, Satyren und Faunen noch Bernhardiner, Daenische Doggen und Deutsche Schäferhunde auftreten lassen. Ein Bild der 3 Grazien hing übrigens auch in Hitlers Berghof.

Montag, 01.Januar, 18:34 Uhr

Wolfgang

WAgner zu Silvester

Es war einfach unbeschreiblich, das Orchester excellent geführt von Kirill Petrenko,
die Solisten stimmlich gigantisch.
Ein traumhaftes Erlebnis und als Jahresabschluß eine kleiner Trost für ein sonst
mittelmäßiges Jahr 2023

Montag, 01.Januar, 17:28 Uhr

Christine Langmeier

Richtigstellung

Beim 2. und 3. Konzert sang nicht Zeppenfeld, sondern Tobias Kehrer. Schade, dass die Einspringerleistung nicht erwähnt wurde.

Mehr zum Thema

Neu bei BR-KLASSIK

    AV-Player