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Ballettfestwoche Bayerisches Staatsballett Eine Woche voller Höhepunkte

Ballett statt Oper, Doc-Martens statt Riemchenpumps: Anfang April steht an der Bayerischen Staatsoper traditionell der Tanz im Mittelpunkt. Jeden Tag steht ein anderes Highlight auf dem Programm, eine Herausforderung fürs Ensemble.

"Ein Sommernachtstraum", Ballettfestwoche, Bayerisches Staatsballett, April, 2023 | Bildquelle: S. Gherciu

Bildquelle: S. Gherciu

Auf der Münchner Maximilianstraße sind die Schaukästen am Nationaltheater gerade sehr einseitig bestückt: Ballettposter. Darauf: die düstere Szenerie des Stücks "Schmetterling". Damit hat das Bayerische Staatsballett gerade die Ballettfestwoche eröffnet. Die ist so etwas wie der kleine Bruder der Opernfestspiele. Eine Woche lang nur Ballett im Haus. Eine Woche lang zeigt die Kompanie ihr aktuelles Repertoire.

Die Einstudierung von Schmetterling hat mein Leben verändert.
Laurretta Summerscales

Die Stimmung im Ensemble ist am dritten Tag der Festwoche prima. "Schmetterling" – ein moderner, recht dunkler Zweiteiler über Paarbeziehungen, Verluste und Altern – erweist sich als voller Erfolg, standing Ovations gab es in der Premiere, zehn Minuten lang Schlussapplaus. Auch die Erste Solistin Laurretta Summerscales empfindet dieses Stück als außergewöhnlich: "Es war eine Erfahrung, die mein Leben verändert hat", erklärt sie vor der zweiten Vorstellung von "Schmetterling", "ich fühle mich jetzt als eine andere Person, ich sehe das Leben anders und hoffe, dass ich nun besser dafür gewappnet bin."

Primaballerina Laurretta Summerscales tanzt eine alte Frau

Lauretta Summerscales in "Schmetterling", Ballettfestwoche 2023, Bayersiches Staatsballett | Bildquelle: Nicholas MacKay Laurretta Summerscales in "Schmetterling". | Bildquelle: Nicholas MacKay Summerscales Part ist aber auch speziell. Die 29-Jährige tanzt eine alte Frau, mit krummer Körperhaltung und grau gepuderten Haaren. Sie steht am Ende ihres Lebens, sieht die Jungen vorbeiflitzen und schwingen, unternimmt immer wieder selbst Tanzschritte. Es ist berührend, es ist komisch, es ist auch tragisch. Aus diesen tiefgründigen Themen muss Summerscales aber auch erst wieder herausfinden. "Nach der Vorstellung heute Abend freue ich mich drauf, meine Stimmung für die Cinderella ein bisschen aufzuhellen", sagt die Tänzerin. Zwei Hauptrollen tanzt sie in einer Woche. Für die Erste Solistin ist das genug.

Florian Sollfrank - Jeden Tag auf der Bühne

Florian Sollfrank hingegen gibt sich die Ballettfestwoche in voller Breitseite. Er ist Tänzer im Corps de Ballet, also in der Gruppe. Und tanzt jeden Tag. Und jeden Tag ein anderes Stück – sechs Programme in sieben Vorstellungen. "Das ist natürlich auch eine körperliche Herausforderung", sagt er, drum erhum müsse man die Zeit also gut nutzen, sich erholen oder das hauseigene Physioteam für eine Massage vor den Vorstellungen nutzen. Aber: "Ich seh das auch als Chance und mir macht das besonders Spaß", fügt er an. Was er am Münchner Haus schätzt: "Dass wir in der Lage sind so ein breitgefächertes Repertoire bieten zu können."

Ballettfestwoche 2023

Mit "Schmetterling" eröffnete das Bayerische Staatsballett die Ballettfestwoche 2023. Bis zum 8. April gibt es Vorstellungen aus dem Repertoire der Kompanie. Am Mittwoch, 5. April, tanzt Laurretta Summerscales die "Cinderella". Zum Abschluss gibt es Alexei Ratmanskys "Tschaikowski-Ouvertüren" am 8. April.

Absolute Ballettfans im Publikum

"Ein Sommernachtstraum", Ballettfestwoche, Bayerisches Staatsballett, April, 2023 | Bildquelle: S. Gherciu Schlussapplaus beim "Sommernachtstraum". | Bildquelle: S. Gherciu Auch manche im Publikum nutzen die Woche um mal so richtig viel Ballett zu gucken. "Wir waren gestern im Sommernachtstraum, das war wirklich gut. Ganz anders als heute", erklärt ein Paar nach der Vorstellung von "Schmetterling". Und auch Samuel López Legaspi – Tänzer in der Junior Company des Ensembles ist zu Gast in der zweiten Vorstellung von "Schmetterling". "Ich werde auch den Rest der Woche hier sein", erklärt er. Andere im Publikum haben ebenfalls selbst mal getanzt wie eine junge Frau, die John Neumeiers "Sommernachtstraum" anschaut. "Ich habe mit sechs angefangen, aber nur bis zum Teenager-Alter getanzt. Aber deswegen mag ich das immer noch voll gerne". Manche schätzen einfach das Stück: "Der Sommernachtstraum ist, ob als Theaterstück, als Konzert oder als Ballett eines meiner Lieblingsstücke. Aber als Ballett habe ich es noch nie gesehen. Obwohl die Choreografie von John Neumeier ja schon recht alt ist. Und es ist wirklich faszinierend", erzählt eine Frau.

Junges Publikum guckt bei der Ballettfestwoche junge Werke

Generell fällt auf, dass das Publikum jünger ist als in den klassischen Opernaufführungen. Man sieht gefärbte Haare, modische Kleidung, mehr Doc-Martens-Stiefel und weniger Riemchen-Pumps. Ballett – das ist das große Paradoxon – ist entweder richtig museal, wenn etwa "Schwanensee" oder "Giselle" weitestgehend wie im 19. Jahrhundert ausgestattet und getanzt werden. Oder ziemlich am Puls der Zeit. Und in der diesjährigen Ballettfestwoche entschied man sich eindeutig für den modernen Blick aufs Genre.

Schillernde Traumsequenz zur Musik von Ligeti

Die ältesten Stücke auf dem Programm sind aus den 1970er Jahren: John Crankos "Romeo und Julia" und "Ein Sommernachtstraum" von John Neumeier. Doch selbst Neumeier beamt die Tänzerinnen und Tänzer, sowie das Publikum zur Musik György Ligetis in eine schillernd abstrakte und dennoch sinnliche Traumsequenz. Und darin liegt auch die große Kraft des Tanzes: Für keine der darstellenden Künste ist der Weg in die Abstraktion so kurz wie im Tanz. Aber keine abstrakte Kunst bleibt trotzdem in der Wahrnehmung so körperlich und unbedingt sinnlich wie der Tanz.

Sendung: "Leporello" am 5. April ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Donnerstag, 06.April, 15:41 Uhr

N. Glaser

Inszenierung eine Qual

Habe das Stück Samstag live in der Bayerischen Staatsoper gesehen.
Hatte mich auf eine Wiederholung des Erlebnisses vor 20 Jahren gefreut.
Bekommen haben wir einen Sommernachts(alb)traum.
Weshalb zur Hölle kam man auf die Idee das Stück mit psychedelischer Orgelmusik mit Tinnitus-Alarm aufwerten zu wollen.
Und dann wird noch aus anderen Werken wie "La Traviata" geklaut. Armselig und traurig. Zeitverschwendung. Zum Glück war es nur ein Stehplatz. Mehr war die Aufführung nicht wert.

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