Partner oder Partnerin? Von wegen! Die "bessere Hälfte" ist das Instrument. Musikerinnen und Musiker haben oft eine sehr innige Beziehung zu ihm. Ein neues Buch von Florian Werner erzählt von solch persönlichen und auch kuriosen Geschichten. Der Autor lässt darin Musiker aus Klassik, Rock und Jazz zu Wort kommen. Kontrastreich und kurzweilig.
Bildquelle: Ullstein Buchverlag
Es ist Sprachrohr, Boxsack für die Seele, manchmal sogar Seelenklempner. Entsprechend ist das Verhältnis eines Musikers oder einer Musikerin zum Instrument ziemlich persönlich. Ganz gleich, ob es sich um Drehleier, Sitar, Gitarre, Saxophon oder Bratsche handelt.
In seinem Buch "Meine bessere Hälfte" hat Florian Werner lauter vertrauliche Bekenntnisse gesammelt. Manche lesen sich wie eine Beichte, andere wie ein Liebesbrief. Wieder andere sind skurril, wie das vom Soundkünstler Matthew Herbert. Der hat sich auf eBay ein Pferdeskelett gekauft, das dann völlig unerwartet zu seinem Lieblingsinstrument wurde. Damit lassen sich Rhythmen erzeugen und auf dem Oberschenkelknochen sogar Melodien blasen. "Das Skelett lag in einer Ecke meines Tonstudios", erzählt Herbert. "Bei seinem Anblick kam ich mir zugleich ein bisschen idiotisch und ein bisschen schuldig vor. Mit einem Mal hatte ich 205 Knochen im Studio."
Anne-Sophie Mutter wacht eifersüchtig über ihre beiden Stradivaris. | Bildquelle: Reuters (RNSP) Die Geigerin Anne-Sophie Mutter erzählt im fröhlich-fidelen Ton ihre Lebensgeschichte als Instrumentengeschichte. Schon als Kind war sie fasziniert vom Eigenleben der Geige, in der sie ein kleines Kätzchen hörte. Mit Schnurren und Miauen gibt sie sich natürlich längst nicht mehr zufrieden und so hat Anne-Sophie Mutter nicht nur eine, sondern zwei bessere Hälften: "Meine Stradivaris darf niemand anderes anfassen. Mein Geigenbauer spielt natürlich heimlich darauf, das ist mir schon klar: Wenn er den Klang einstellt, muss er schließlich auch ein paar Noten auf dem Instrument spielen. Das ist auch okay, die Geige darf schon mal ein bisschen flirten, alle zehn Jahre, ganz kurz, aber dann ist auch Schluss!"
Meine Stradivaris darf niemand anderes anfassen.
Anne-Sophie Mutter spricht im Orchesterpodcast "Schoenholtz" über das Geheimnis des Stradivari-Klangs und verrät auch, was ihre Hunde damit zu tun haben.
Weil eine 200-seitige Lobhudelei auf exquisite Stradivaris ziemlich fad wäre – vor allem, wenn man selbst nicht geigt –, setzt der Herausgeber auf starke Kontraste der Erzählenden. Die ergeben sich schon allein aus den unterschiedlichen musikalischen Ausrichtungen: Chansonnier, DJ, Solo-Cellist oder Indie-Popmusiker. Sehr zum Vergnügen der Lesenden. So erfährt man, dass sich der Liedermacher Sebastian Krämer als Student unsterblich in einen schäbig-unschicken Klimperkasten verliebt hat: "Dieser räudige Köter war: mein erster eigener Flügel! Und in der mit Sisalteppich ausgelegten Studentenbude auf einem umgedrehten Papierkorb als Hocker daran eine Persiflage der Eröffnungstakte aus Tschaikowskis erstem Klavierkonzert zu kloppen, hatte etwas Erhabenes."
Dieser räudige Köter war mein erster eigener Flügel.
Tabea Zimmermann ließ sich eine Bratsche nach ihren Wunschvorstellungen anfertigen. | Bildquelle: Rui Camilo Ganz anders tickt die Siemens-Musikpreisträgerin Tabea Zimmermann. Bei ihr sollte nichts dem Zufall überlassen sein. Also hat sie ihre Lieblingsbratsche konfiguriert wie andere eine Luxuslimousine. Der offenbar begnadete Instrumentenbauer hat prompt geliefert: "Sie soll dunkel und warm und tief klingen – aber sie soll auch brillant sein", schreibt Tabea Zimmermann. "Sie darf süß sein – aber sie darf auch mal richtig kräftig klingen. Anders gesagt: Sie soll eine enorme Bandbreite an Klangmöglichkeiten haben – aber das alles bei größter Bequemlichkeit!"
Dass ein Instrument auch aus zwei strombetriebenen Tellern bestehen kann, auf die man dann wiederum dünne schwarze Scheiben legt, davon erzählt der deutsch-ukrainische DJ Yuryi Gurzhy: "Ich lege die Platten als DJ auf – ich scratche und drehe sie manchmal manuell im falschen Tempo oder rückwärts, um Klänge zu erzeugen, die kein anderes Musikinstrument von sich geben kann." Mit der inzwischen legendären Russendisko hat Gurzhy über viele Jahre gemeinsam mit Vladimir Kaminer den Berlinern im Club "Kaffee Burger" ordentlich Tanzbeine gemacht.
Ich erzeuge Klänge, die kein anderes Musikinstrument von sich geben kann.
Von der Posaune bis zum Kontrabass – BR-KLASSIK stellt die wichtigsten Instrumente in der Reihe "Instrumentenwissen" vor.
Mit dieser Sammlung aus lauter besseren Hälften gibt Florian Werner den Marotten und Eigenheiten verschiedenster Instrumente eine Bühne. Die unterschiedlichen Schreibstile der Autorinnen und Autoren – von schnoddrig bis schmelzend, von sachlich bis überschwänglich – bringen einem nicht nur Flügel, Schlagzeug und Tuba nah. Sondern die Leidenschaft, mit der alle über ihre "Schätzchen" schreiben, macht Lust auch die jeweilige Musik zu entdecken, die diese Knochen, räudigen Köter oder Stradivaris hervorbringen. Oder, um nochmal DJ Yurij Gurzy zu zitieren: "Schluss mit dem Gerede: Lasst uns eintauchen in eine andere, eine farbenfrohe und um einiges bessere Welt!"
Florian Werner (Hg.): "Meine bessere Hälfte. Musiker*innen erzählen über ihre Instrumente"
Ullsein Buchverlag, 2024
256 Seiten, Klappenbroschur
Preis: 19,99 €
Sendung: "Allegro" am 31. Oktober 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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