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Kommentar – Thielemann tritt Barenboim-Nachfolge an Das passt!

Jetzt ist es ist raus: Christian Thielemann wird der Nachfolger von Daniel Barenboim an der Berliner Staatsoper. Das ist erstens wenig überraschend. Und zweitens die richtige Entscheidung – auch wenn sie Risiken birgt. Ein Kommentar.

Konzert der Wiener Philharmoniker: Brahms "Deutsches Requiem". Im Bild: die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Christian Thielemann.  | Bildquelle: picture alliance / Roman Zach-Kiesling / First Look / picturedesk.com | Roman Zach-Kiesling

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Von sämtlichen Dächern der Klassiktempel war’s getrommelt und gepfiffen. Spätestens nach einer zunächst geheim gehaltenen Orchesterumfrage im Februar winkten die ewigallwissenden Musikjournalistinnen und -journalisten beim Thema der Barenboim-Nachfolge nur noch müde ab: "Das wird eh der Thielemann!"

Die Staatskapelle wollte Thielemann

Immerhin hatten sich 80 Prozent der Mitglieder der Staatskapelle, des Orchesters der Staatsoper, in einer internen Abstimmung für den Berliner ausgesprochen. Zwar wählt das Orchester den Chef oder die Chefin nicht selbst, aber sein Votum wiegt schwer. Nun hat Christian Thielemann den Vertrag unterschrieben, Berlins Kultursenator Joe Chialo strahlt, die designierte Intendantin Sobotka freut sich – sie hatte das Vorschlagsrecht – und auf den Thielemann-Fanseiten jubeln seine Jünger. 

Heißt das also: Vorhang zu und keine Fragen offen? Nicht ganz. Zunächst ist die Freude aus vier naheliegenden Gründen groß.

Was spricht für Thielemann?

Erstens: Christian Thielemann dirigiert dieses von Daniel Barenboim über 30 Jahre geformte Orchester mit seinem sogenannten deutschen Klang (dunkel-romantisch und doch strahlend-glänzend) einfach stilecht.

Zweitens: Auf die Dirigierlegende Barenboim musste ein ähnlich charismatischer Generalmusikdirektor folgen. Und das ist Thielemann zweifellos.

Drittens: Thielemann ist ein Garant für ein ausverkauftes Haus. Bei leeren Kassen und Sparvorgaben ist seine Prominenz auch ökonomisch ein Segen. 

Viertens: Thielemann ist Berliner, sogar mit – Selbstzitat – "Berliner Schnauze". Hier war er einst Karajan-Assistent, hat reüssiert nicht nur in München, Salzburg und Dresden, sondern überall auf der Welt – und die Wagnerianer applaudieren besonders frenetisch seine 22 Jahre mit legendären Dirigaten in Bayreuth.

Und was gegen ihn?

Zwei Themen jedoch sind nicht von der Hand zu weisen:

Erstens ist Thielemann weder jung noch hip, sondern mit 64 Jahren schon gesetzteren Alters und vom Typus her konservativ. Warum war kein Signal eines jugendlicheren, überraschenden Neuanfangs möglich? Antwort: Weil Charisma auch Zeit und Entwicklung braucht. Nach Barenboim wäre mit einer jungen, unbekannteren Besetzung der Bruch wohl zu groß gewesen. 

Zweitens soll Thielemann ein schwieriger Charakter sein, an der Deutschen Oper Berlin und in München ist er heftig angeeckt, sogar in Bayreuth auf dem Grünen Hügel ward er bei den Festspielen in diesem Jahr nicht gehört. Christian Thielemann wird sich um diplomatischere Umgangsformen bemühen müssen. Vertrauen wir da auf eine gewisse Altersweisheit!

Glanz und Charisma: Thielemann steht der Musikstadt Berlin!

In diesem Zusammenhang seien zwei Frauen genannt, die im Hintergrund geschickt die Strippen gezogen haben: Elisabeth Sobotka als künftige Intendantin und Sarah Wedl-Wilson als klassikkundige Staatssekretärin. Sie haben verhandelt, was von der Höhe des Gehalts bis zu den Entscheidungskompetenzen nicht einfach gewesen sein dürfte. Zumal der Vertrag juristisch hoffentlich festgelegt hat, dass die Pultgott-Zeiten endgültig vorbei sind und auch ein Generalmusikdirektor der Chefin das letzte Wort überlassen sollte!

Dennoch: Der Glanz, den diese Ernennung mit sich bringt, passt zur Tradition der Staatsoper und zur Musikstadt Berlin. Hoffen wir, dass die nächste, genau so wichtige Neu-Besetzung eines Generalmusikdirektors ähnlich überzeugend gelingt. Die Deutsche Oper an der Bismarckstrasse, das größte Berliner Haus, braucht eine ebenso strahlende Perspektive. Das Zusammenspiel der drei Opernhäuser in der Stadt sollte sich ergänzen und gleichwertig bleiben.

Sendung: "Leporello" am 27. September ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (3)

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Donnerstag, 28.September, 09:43 Uhr

Gufo

Berlin

Thielemann, der Perfektionist. Ein Leuchtturm in unserer etwas chaotischen Hauptstadt. Ad multos annos, Maestro !

Mittwoch, 27.September, 19:09 Uhr

Livia

Thielemann Alter?????

Th. Hat mit 64 mehr frische Ideen als 3 30-jährige Jungstars. Alter ist nicht Kreativitätsverlust, sondern Gewinn an echtem Reichtum ohne Talmi vermeintlichen Jung-Genies. Berlin, freue Dich!!!

Mittwoch, 27.September, 13:10 Uhr

Lachanfall

Thielemann

Was für ein unglaublich naiver Kommentar von Frau Ossowski.

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