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Die bekanntesten Opernrollen Die Populärste – Carmen

Carmen – die titelgebende Figur einer der populärsten Opern überhaupt. Komponiert von Georges Bizet, uraufgeführt 1875 in der Opéra-Comique zu Paris. Schauplatz der Handlung ist Sevilla. Das Libretto haben Henri Meilhac und Ludovic Halévy nach der gleichnamigen Novelle von Prosper Mérimée verfasst.

Elīna Garanča als Carmen 2009 an der Metropolitan Opera New York | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Bekannte Opernfiguren

Carmen

Eine stolze Frau – eine starke Frau. Carmen ist ein Symbol für weibliche Selbstbestimmung. "Nein, danke", sagt sie zu bürgerlichem, männlichem Besitzanspruch. In ihrem Emanzipationsdrang verzichtet sie auf ein entfremdetes Dasein als Fabrikarbeiterin, favorisiert eine Randexistenz im anarchischen Schmuggler- und Gaunermilieu. Dort darf sie sich tatsächlich gleichberechtigt fühlen. Ein rigoros umgesetztes Unabhängigkeitsideal. Ein Beispiel für gelebte Freiheit.

Die beliebtesten Opernfiguren der Musikgeschichte

Tannhäuser, Carmen, Aida und Co. – was macht die berühmtesten Opernfiguren eigentlich aus? BR-KLASSIK wirft einen Blick in die persönlichen Abgründe der wichtigsten Charaktere der Operngeschichte.

Erotische Provokation

"Liberté" – Freiheit ist hier ein zentraler Begriff, vor allem in amouröser Hinsicht. Die Seguidilla und zuvor schon die Habanera, Carmens musikalische Visitenkarte, belegen eine souveräne Zurückweisung traditionellen Rollenverhaltens: Da beansprucht eine Frau das Recht der freien Partnerwahl! Eine verführerisch duftende Blume wirft sie dem einzigen männlichen Wesen zu, das ihrer Ausstrahlung nicht sofort erliegt. Der Sergeant Don José wird erst nach einigem Widerstand zum Opfer einer erotischen Provokation.

Bastelobjekt Habanera

Wenn es Musik gibt, deren Frische kein Verfallsdatum kennt, dann hier! Bizet spiegelt in Tönen den südlichen Himmel und ein mediterranes Lebensgefühl. Die Habanera basiert auf einem kubanisch inspirierten Tanzlied von Sébastian Yradier – und was Bizet daraus macht, ist einer Femme fatale würdig. Ursprünglich dachte er an eine völlig andere Auftrittsarie für Carmen, eine völlig andere "Unabhängigkeitserklärung". Da überrascht uns gleich die erste Verszeile: Die Liebe wird nicht als rebellischer Vogel bezeichnet, sondern als Kind der Bohème.

Facetten und Finessen

Muss ein Fragezeichen hinter die scheinbar dezidiert andalusische Wesensart der Figur Carmen gesetzt werden? Wäre sie auch und gerade in nördlicher gelegenen Regionen Europas denkbar? Aber ja – Carmen steht für ein Grenzen überschreitendes, ortloses Individuum. Manche Interpretinnen setzen daher auf diskreten Charme und schließen ihn mit den rebellischen Zügen der Figur kurz. Wichtig ist der Facettenreichtum im Gesang, sind die Finessen der Nuancierung für die natürliche Sinnlichkeit dieser Carmencita – so lautet der Name des historischen Vorbildes.

Kunst und Leben

Tereza Berganza als Carmen (mit Tenor James Hoback als Don Jose) in der Pariser Bercy Hall am 17. Mai 1989 | Bildquelle: picture-alliance/dpa Tereza Berganza als Carmen (mit Tenor James Hoback als Don Jose) in der Pariser Bercy Hall am 17. Mai 1989 | Bildquelle: picture-alliance/dpa Der Mann, ohne den es Bizets "Carmen" nicht gäbe, ist Prosper Mérimée. Im 19. Jahrhundert ein Autor, der in Frankreich als Spanien-Experte gilt. Er ist sehr an spanischen Bräuchen und Sitten interessiert, erlebt Stierkämpfe, Hinrichtungen, Straßenräuber – und vermeintliche Hexen. Auf seiner ersten Spanienreise lernt er die andalusische Gräfin von Montijo und ihre Familien kennen. Die Gräfin erzählt Mérimée die Geschichte von José Maria Tempranillo, einem gefürchteten Banditen, der in Málaga sein Unwesen treibt. Dort hat er seine untreue Geliebte umgebracht. Außerdem lernt Mérimee auf seinen Spanienreisen eine Frau namens Carmencita kennen, die ihn tief beeindruckt. Seine Reiseberichte veröffentlicht er in Zeitschriften. Sie enthalten Material, das in die vierteilige Novelle "Carmen" einfließt.

Novelle und Oper

Es sollen fast drei Jahrzehnte vergehen, bis das Buch dem Komponisten Georges Bizet in die Hände fällt. Er ist gerade auf Stoffsuche für eine neue Oper, und es fasziniert ihn, was er da liest – zumal im dritten Kapitel der Novelle. Der Stoff zieht Bizet vor allem wegen seiner Realistik an, seiner Derbheit und der Skrupellosigkeit der Charaktere. Der noch nicht 35-Jährige will mitreißende Leidenschaft, verzehrende Sehnsucht und atemberaubende Wirklichkeitsnähe vertonen. Er hat keine Lust, sich den Gepflogenheiten der französischen Opéra comique zu beugen. Es kommt zur radikalen Reduktion der Handlung auf eine Dreiecksbeziehung der Hauptfiguren Carmen-José-Escamillo.

Mehr als eine Tote

Die französische Theatertradition sieht keine Morde auf offener Bühne vor, höchstens als dramatischen Höhepunkt am Ende eines Werkes. Daher muss die Novelle abgemildert werden: Denn dort hat José drei Morde auf dem Gewissen. Er bringt einen namenlosen Leutnant um, dann Carmens Mann García – und schließlich Carmen selbst. Bizet hingegen beschränkt sich auf die finale Eifersuchtstat. Durch tiefen Fall wird José vom Deserteur über den Schmuggler zum Mörder. Den Tod vor Augen, bereut Carmen nichts. Sie verlacht José – und er ersticht sie. Die Freiheitsliebende stirbt auf öffentlichem Platz, wenige Sekunden nach dem vor Wut schnaubenden Stier in der Arena. Der Torero Escamillo wird von der hörbar jubelnden Menge drinnen gefeiert. Keiner im Publikum ahnt den Frauenmord wenige Meter weiter, wo ein Beziehungsdrama, ein Geschlechterkampf blutig eskaliert. Glück im Unglück: Anders als das tote Tier, der arme Stier – Carmen erweist sich als unsterblich ...

Carmen – die besten Interpretinnen

"Habanera" mit Victoria de los Angeles
"Séguedille" mit Maria Callas
"Les tringles des sistres tintaient" mit Teresa Berganza
"Habanera" mit Anna Caterina Antonacci
"Près des remparts de Séville" mit Elīna Garanča

Sendung: "Allegro" am 2. April 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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