Die Pianistin Claire Huangci widmet sich auf ihrem neuen Album "Made in USA" amerikanischer Musik. Ein Gespräch über das Genie Gershwin, einen erfüllten Jugendtraum und den Wahlkampf in den USA.
Bildquelle: Mateusz Zahora
BR-KLASSIK: Claire Huangci, Sie leben seit über zehn Jahren als Amerikanerin in Deutschland, haben in beiden Ländern studiert. Für Ihr neues Album "Made in USA", das am 20. September erscheint, haben Sie sich intensiv mit Musik aus Ihrer Heimat beschäftigt. Gibt es ein Stück auf dem Album, das eine besondere Geschichte aus Ihrem Leben erzählt?
Claire Huangci: Die Klaviersonate in Es-Dur von Samuel Barber ist sehr besonders für mich. Als ich das erste Mal in die Partitur geschaut habe, war ich 14 und Studentin am Curtis Institute of Music in Philadelphia. Dieses Stück stand seitdem auf meiner Wunschliste. Als 14-Jährige konnte ich kaum die erste Seite durchspielen. Und letztes Jahr dachte ich: Jetzt ist die Zeit reif und ich kann meinen lang ersehnten Traum verwirklichen und das Stück spielen.
BR-KLASSIK: "Made in USA" – der Titel Ihres Albums bezieht sich auf das Herkunftsland der Komponisten, richtig? Man könnte ja auch sagen, ein Rachmaninow-Stück, das in den USA komponiert wurde, ist "made in USA"…
Claire Huangci: Natürlich. Aber in diesem Fall meine ich damit alle Komponisten, die in den USA geboren und meistens aufgewachsen sind wie ich auch. Was bedeutet "American Classics"? Das ist eine schwierige Frage. Ich hoffe, mit meinem Album bekommt man eine vielseitige, aber auch sehr diverse und interessante Antwort.
BR-KLASSIK: Zentral auf dem Album ist George Gershwin. Und der hieß ja eigentlich Jacob Gershovitz. Er ist in den USA geboren, war aber russisch-jüdischer Herkunft. Was macht ihn denn musikalisch zu einem solch "typischen" Amerikaner?
Claire Huangci: Seine Musik hat ein gewisses Selbstvertrauen, eine Atmosphäre von Laissez-faire. Seine Klangwelt mit den jazzigen Harmonien und den schwingenden Rhythmen ist sehr groovy. Obwohl seine "Rhapsody in Blue" dieses Jahr 100 Jahre alt wird, wirkt sie immer noch sehr frisch und modern. Das ist unglaublich. Ganz zentral für mich sind auch Gershwins Lieder. Wie er die zusammen mit seinem Bruder Ira gezaubert hat, mit den Texten, mit den Melodien, damit hab ich mich stark beschäftigt.
Gershwins 'Rhapsody in Blue' wirkt immer noch sehr frisch und modern.
BR-KLASSIK: Mit Amy Beach haben Sie auch eine Komponistin im Repertoire. Zum Glück erleben im Moment Komponistinnen einen richtigen Hype. Es gibt sehr viele Alben, die jetzt entstehen. Warum ist Ihnen Amy Beach so wichtig?
Claire Huangcis neues Album "Made in USA" mit amerikanischer Klaviermusik erscheint am 20. September. | Bildquelle: Mateusz Zahora Claire Huangci: Ich war sehr begeistert von Amy Beach, als ich zuerst ihr Klavierquintett spielte. Man hat sofort das Gefühl, dass sie eine hervorragende Pianistin war. Es ist genauso, wenn man ein Werk von Clara Schumann spielt. Man hat das Gefühl, sie weiß ganz genau, was zu den Fingern passt. Was sie schreibt, funktioniert einfach prima auf dem Klavier. Genauso ist es mit Amy Beach. Sie hat einen gewissen "europäischen" Geschmack. Als ich die Musik zuerst gehört habe, dachte ich: Das ist einfach total klassisch. Nicht das, was ich mir unter "amerikanischer" Musik vorgestellt hatte. Amy Beachs Variationen op. 60 sind quasi das zentrale Werk, das Herzstück des Albums. Es ist voller Melancholie und Schwere. Es gibt sogar einen Hilferuf mitten im Stück. Das ist sehr berührend.
BR-KLASSIK: In den USA ist im Moment der Wahlkampf sehr präsent. Beschäftigt Sie das?
Claire Huangci: Ja, ich war letzten Monat sogar in Chicago, genau während der Democratic National Convention. Wir haben natürlich Hoffnung und auch Sorge, was in sechs Wochen passieren könnte. Ich persönlich verfolge den Wahlkampf und habe schon alles vorbereitet für meine Wahl aus dem Ausland.
Sendung: "Leporello" am 20. September 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (2)
Samstag, 21.September, 22:05 Uhr
T.S.
"Hype" ist das richtige Wort
Amy Beach ist anscheinend die neue Clara Schumann, die wohl die wenigstens für eine große Komponistin halten würden, auch wenn sie auf unzähligen Aufnahmen zu hören ist. Viele männliche Kleinmeister konnten es besser, aber führen ein Schattendasein.
Samstag, 21.September, 21:59 Uhr
Jockel
"Hype" ist das richtige Wort
"erleben im Moment Komponistinnen einen richtigen Hype"
Hype ist für mich eine künstliche, anorganische Mode, die von einer unendlich mächtigen Propagandamachinerie entfacht wird.
Man hat den Eindruck, dass in der "Klassikindustrie" jetzt Amy Beach die Rolle spielen lässt, die man jahrzehntelang Clara Schumann zugedacht hat. Aber wie auch bei C.S. kann bei A.B. die Qualität der Musik Nicht mit dem Hype Schritt halten. So ist C. S. auf unzähligen Platten verewigt, aber die wenigsten Musikkenner würden sie für eine besonders gute Komponistin halten.