Er riecht das Meer, er fühlt die Hitze des Feuers: Der Pianist Yevgeny Sudbin spürt Musik von Alexander Skrjabin besonders intensiv, "fast wie eine Droge", erzählt er im Interview. Am Freitag erscheint sein neues Skrjabin-Album.
Bildquelle: Felsner Artists
BR-KLASSIK: Yevgeny Sudbin, Sie sind Pianist, Ihre Frau ist ebenfalls Pianistin, auch Ihre drei Kinder spielen Klavier, dazu Klarinette, Cello und Geige. Spielen Sie alle auch zusammen?
Yevgeny Sudbin: Ja, tatsächlich. Wir haben während der Pandemie viel zusammen musiziert, weil es nichts anderes zu tun gab. Ich meine, die ganze Welt stand still und plötzlich fanden wir uns zu Hause wieder und da half Musik, die ganze Erfahrung erträglicher zu machen.
BR-KLASSIK: Das Klavier steht in Ihrer Familie über allem, weil auch Ihre Eltern Pianisten sind. Wie war es für Sie, mit so viel Klavier aufzuwachsen?
Yevgeny Sudbin: Für mich war es als Kind eine natürliche Erfahrung: Meine Eltern haben Klavier studiert und ich hörte sie zu Hause üben. Wir hatten viele klassische Aufnahmen in unserem Haus und ich hörte viele LPs. Bei unseren Kindern war das auch so mit dem Klavierspielen.
BR-KLASSIK: Warum ist es Ihnen wichtig, das so weiterzugeben?
Yevgeny Sudbin: Wir denken nicht unbedingt, dass es zu ihrem Beruf wird. Aber das Klavier als Teil ihres Lebens zu haben, ist schon genug und hilft, dass sich das Gehirn weiterentwickelt. Ich denke, die Kinder sind so besser dran.
Yevgeny Sudbin wurde 1980 in St. Petersburg geboren und begann im Alter von fünf Jahren sein Musikstudium an der Spezialschule für Musik des St. Petersburger Konservatoriums bei Lyubov Pevsner. Im Jahr 1990 wanderte er mit seiner Familie nach Deutschland aus, wo er sein Studium an der Hochschule für Musik Hanns Eisler bei Galina Ivanzova fortsetzte. 1997 zog Yevgeny nach London, um an der Purcell School und anschließend an der Royal Academy of Music zu studieren, wo er seinen Bachelor und Master bei Christopher Elton abschloss. 2010 wurde er Fellow der Royal Academy of Music. Yevgeny lebt mit seiner Frau und drei Kindern in London.
BR-KLASSIK: Sie veröffentlichen am 9. Mai ein neues Album mit Musik von Alexander Skriabin. Dieser Komponist begleitet sie schon lange, richtig?
Yevgeny Sudbin: Ja, ich weiß nicht, wie das passiert ist. Ich war immer fasziniert von seiner Musik. Ich habe Skrjabin in Russland und dann in Deutschland gespielt. Aber richtig entdeckt habe ich ihn, als ich in London war. Seine Ideen haben mich immer fasziniert. Es geht um so viel rohe Emotion. Wenn man die Musik hört, versteht man wirklich, worum es bei der menschlichen Existenz geht: all unsere Kämpfe, aber auch die Wünsche, die wunderbaren Elemente genauso wie die dunkleren. Es ist fast wie eine Droge.
BR-KLASSIK: Macht das auch süchtig?
Yevgeny Sudbin: Oh ja, definitiv. Ich meine, viele haben davon gesprochen, dass seine Musik süchtig macht.
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Sudbin plays Scriabin
BR-KLASSIK: Was für körperliche Reaktionen löst seine Musik aus?
Yevgeny Sudbin: Es gibt dieses Phänomen namens Synästhesie, bei dem ein Sinn, der gesättigt ist, einen anderen Sinn auslöst. Manche Menschen können Musik hören und sehen sofort Farben. Ich habe gelesen, dass während der Konzerte seiner Musik einige Leute beschrieben haben, Lichtblitze und andere Dinge zu sehen.
BR-KLASSIK: Haben Sie das auch schon gehabt?
Yevgeny Sudbin: Keine Lichtblitze. Aber als ich zum Beispiel die zweite Klaviersonate studiert habe, die von drei verschiedenen Arten des Meeres handelt, war es so extrem, dass ich manchmal fast die Luft des Meerwassers riechen konnte. Oder bei "Vers la flamme" fühlt man sich fast wie verbrannt auf der Haut. Man fühlt seine Musik also, bevor man sie überhaupt in Worte fassen kann und dann kann man sie beschreiben. Indem er die Sprache der Musik verwendet, löst er dieselbe Emotion aus, die man zu beschreiben versucht. Für mich ist es eine direktere Sprache als Vokabular.
BR-KLASSIK: Geht Ihnen das auch bei anderen Komponisten so oder ist das wirklich einzigartig für Skriabins Musik?
Yevgeny Sudbin: Nein. Ich denke, Skrjabin ist einzigartig. Ich selbst bin vielleicht als Person leicht zu beeindrucken, das muss irgendwie in die Gleichung einbezogen werden. Aber bei Skrjabin ist es einfach intensiver. Er war eine faszinierende Persönlichkeit mit vielen Höhen und Tiefen, einfach einzigartig. Es gab andere Komponisten, die extravagant waren, aber ich denke, Skrjabin ist eine ganz andere Kategorie.
Sendung: "Allegro" am 8. Mai 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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