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Der Jazzfilm "Music For Black Pigeons" Ein stilles Meisterwerk

Zwei dänische Regisseure haben über ein Jahrzehnt lang weltberühmte Jazzmusiker begleitet. Herausgekommen ist eine außergewöhnlich sensible Dokumentation. Und ein Film, der längst nicht nur von Jazz handelt – sondern auf faszinierende Art von Menschen.

Szene aus "Music for Black Pigeons" | Bildquelle: Rise And Shine Cinema

Bildquelle: Rise And Shine Cinema

Der Jazzfilm "Music For Black Pigeons"

Ein stilles Meisterwerk

Es gibt da diese schöne Szene mit Gitarrist Bill Frisell, der darüber spricht, was Musik bewirken könne. Alter, sagt er, Hautfarbe, löse sich in Luft auf, sobald man Musik spiele. Anders formuliert: Alles, was Menschen trennen könnte, kann Musik unwichtig werden lassen. Grund genug, die Töne selbst wichtig zu nehmen. Und das tut dieser Dokumentarfilm zweier dänischer Autoren auf bezwingende Art. Er ist wunderschön. Und er kommt Musikern und Klängen so nah, wie es in Filmen ganz selten ist. "Music For Black Pigeons" heißt er.

Ruhige und intensive Augenblicke

Ganz viel Zeit nimmt er sich, sodass man sich hineinversenken kann – in Bilder und Klänge. Die beiden Autoren Jorgen Leth und Andreas Koefoed haben den dänischen Gitarristen Jakob Bro im Zeitraum von 14 Jahren immer wieder ins Studio begleitet, zu Aufnahmen mit einigen Weltstars.

Dabei hielten sie berückend ruhige und intensive Momente mit Musikern wie Paul Motian, Bill Frisell, Mark Turner und vielen anderen fest. Auch die japanischen Perkussionistin Midori Takada ist dabei. Und der Saxophonisten Lee Konitz, der in vielen Szenen präsent ist, steuert am Ende eine besonders witzige Pointe bei. Viel stiller Humor blitzt immer wieder in diesem Film durch. Und kann sich bestens entfalten.

Wie es zum Titel kam

Lee Konitz, der 2020 verstarb, macht sich im Interview versehentlich zwei Jahre älter und begründet das dann augenzwinkernd damit, dass Improvisatoren ja immer etwas erfinden würden. Einem Ausspruch von Lee Konitz ist auch der Titel des Films entlehnt. Konitz wusste anfangs nicht recht, wie er die Musik des Gitarristen Jakob Bro einordnen sollte.

"Nicht sehr besonders" fand er sie sogar, wie er beim Gespräch in einem Taxi in die Kamera sagt. Diese Musik war ihm fremd, aber er spielte hervorragend in ihr mit. Eines Tages – viele Jahre später – rief er den Gitarristen an. Er habe dessen Musik aufgelegt und da habe sich eine schwarze Taube vor sein Küchenfenster gesetzt. Jetzt wisse er: Das sei Musik für schwarze Tauben ("Music For Black Pigeons").

Starke Fragen – und Antworten ohne Klischees

Ein schönes Bild, die schwarze Taube. Die unorthodoxe Kultur des Jazz wurde schon schlechter etikettiert. Und selten so schön gewürdigt. Dieser Film ist ein Meisterwerk über die Kunst des Zuhörens. In Interviews haben die Autoren den Musikern Fragen gestellt wie diese: Wie fühlst Du Dich, wenn Du spielst?

Music for Black Pigeons | Bildquelle: Shine And Rise Cinema Nichts geht über das genaue Hinhören: Szene aus dem Film "Music For Black Pigeons" | Bildquelle: Shine And Rise Cinema Der Bassist Thomas Morgan überlegt in einer Filmszene schweigend ganze 29 Sekunden. Und als er dann spricht, scheint er jedes Wort geduldig aus der Stille heraus zu präparieren. Keiner der Befragten gibt in diesem Film Klischees von sich. Auch der berühmte Münchner Produzent Manfred Eicher kommt zu Wort. Über ein wichtiges und zugleich oft unterschätztes Phänomen in der Musik: die Pause.

Eine Pause in der Musik sage sehr viel darüber aus, wo man herkomme – und sehr viel darüber, wo man hinwolle. Sie sei aber sehr subjektiv und nicht wirklich erklärbar, sagt Manfred Eicher in einer bewegenden Sequenz, in der er seine Worte ebenfalls mit sehr beredten – und bedachten – Pausen ausspricht. Eine Pause mache man einfach, so Eicher. Ganz so, wie es die Intuition verlange.

Einladung, Zeit mit den Musikern zu verbringen

Ganz leise und präzise sagt dieser Film sehr viel aus. Über das Wunder der musikalischen Begegnung, die Magie des Augenblicks. Es ist ein außergewöhnlich schöner und erlebenswerter Jazz-Film. Ein Film, der ganz allgemein über Musik erzählt – und über die Menschen, die sie machen.

Vier dieser Musiker, die vor Fertigstellung des Films starben, ist er gewidmet: Schlagzeuger Paul Motian, Trompeter Tomasz Stanko, Schlagzeuger Jon Christensen – und Saxophonist Lee Konitz, dessen Grabstelle Jakob Bro und das Filmteam sogar besucht haben.

"Music For Black Pigeons" ist eine wundervolle Einladung, eine völlig hektikfreie Zeit mit Tönen und den Menschen dahinter zu verbringen. Eine Runde dauert 92 Minuten. Am besten – und nach einer intuitiv gesetzten Pause – dreht man mindestens noch eine zweite mit diesem Film.

Sendung: "Allegro" am 22. September ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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