Schulbesuch in Kloster Weltenburg, Studium in Ingolstadt, Kontakt zum Geheimbund der Illuminaten und schließlich Flucht nach Italien. Johann Simon Mayr ist heute kaum bekannt. Für Rossini aber war er der "Vater der italienischen Oper".
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"Die Komponisten unserer Tage sollen die Opern unseres Papa Mayr studieren und sie werden darin alles finden, was sie suchen und was ihnen von Nutzen sein wird." Komponist Gioacchino Rossini war Mayr-Fan. Viel wurde in dieses Zitat aus einem Brief Rossinis an einen engen Freund hineininterpretiert. Auch, dass Johann Simon Mayr – Italien kannte ihn eher als Giovanni Simone – der Vater der italienischen Oper sei.
Der Einfluss von Johann Simon Mayr auf das italienische Musiktheater kann auf jeden Fall nicht unter den Teppich gekehrt werden: Über 60 Opern hat er Zeit seines Lebens geschrieben, auch für das bekannte Teatro La Fenice in Venedig. Als Domkapellmeister von Bergamo und dortiger Musikschulgründer entdeckte er das Talent seines berühmtesten Schülers: Gaetano Donizetti. Aber welche Spuren hat Johann Simon Mayr in Bayern hinterlassen?
Es sind nicht viele. Die wichtigste Spur findet sich noch an seinem Geburtshaus in Mendorf im Landkreis Eichstätt. "Hier wurde der berühmte Komponist Johann Simon Mayr am 14. Juni 1763 geboren. Was Händel für England, Gluck für Frankreich, das hat er für Italien geleistet." Wer so eine Gedenktafel an der Wand hängen hat, der kann kein Niemand gewesen sein. Nur einen Steinwurf von Mayrs Geburtshaus entfernt, steht eine kleine Barockkirche mit niedlichem Zwiebeltürmchen. Steigt man die enge Treppe zur Orgelempore hinauf, kann man noch heute das Instrument bewundern, an dem der kleine Johann Simon mit vier, fünf Jahren das Orgelspielen gelernt hat. Sein Vater war nicht nur Dorflehrer, sondern auch Kirchenmusiker. Die Menschen rund um Mendorf halten die Erinnerung an ihren musikalischen Vorfahren wach: mit einem Freundeskreis, einer Johann-Simon-Mayr-Gesellschaft, einem kleinen Ausstellungsraum im Heimatmuseum in Altmannstein und dem Dorfgemeinschaftshaus in Mendorf, das Mayrs Namen trägt.
Nachdem Johann Simon die Schulbank in Kloster Weltenburg gedrückt hat, ging es für ihn nach Ingolstadt – an eine der wichtigsten Universitäten zu dieser Zeit. Sein Professor: Adam Weishaupt, der 1776 mit ein paar Intellektuellen den Geheimbund der Illuminaten gründete. Frisches Gedankengut der Aufklärung schwappte von Frankreich herüber und bildete die Gesprächsgrundlage dieses Bundes – ein Dorn im Auge von Kurfürst Karl Theodor. Ob Johann Simon Mayr selbst den Illuminaten beigetreten ist, wissen wir heute nicht. Fakt ist, dass sein Gönner Baron Thomas Maria de Bassus Mitglied war. Auf dessen Schloss Sandersdorf war Mayr als Klavierlehrer und Musikmeister angestellt.
In diesem "Illuminatennest" fanden regelmäßig geheime Treffen statt, bis der Kurfürst den Geheimbund verbot und Hausdurchsuchungen anordnete. Auch auf Schloss Sandersdorf wurden geheime revolutionäre Schriften entdeckt – Baron de Bassus floh auf seinen Wohnsitz in Poschiavo in der Schweiz und Johann Simon Mayr folgte seinem Förderer bis nach Italien. Ein Glück! Denn wäre er in Bayern geblieben, wäre er womöglich kein Komponist geworden, meint Musikwissenschaftlerin Iris Winkler. Sie hat jahrelang in München und Venedig über Johann Simon Mayr geforscht. "Er hat Medizin wohl auch studiert, er hat Jura studiert. Aber ob er sich wirklich auf die Musik gestürzt hätte, das kann ich mir gar nicht vorstellen."
Johann Simon Mayr ist nicht wirklich gerne gereist. Wahrscheinlich ein Grund dafür, dass er das Leben einer festen Stelle in Bergamo der des freien, quer durch Europa hetzenden Komponisten vorzog. Und trotzdem brach er im Alter von 75 Jahren, bereits erblindet, nochmal für eine Reise nach Bayern auf. Er besuchte in Mendorf seine Schwester, die Gräber seiner Eltern und auch Schloss Sandersdorf, wo seine Musikkarriere begonnen hatte. In München fand am 26. Juni 1838 ihm zu Ehren ein großer Empfang im "Schwarzen Adler" statt – damals der erste Gasthof Münchens, wo auch Goethe und Mozart Quartier bezogen.
Seitdem ist viel passiert: Rossini hatte schnell Mayrs Position als wichtigster italienischer Opernkomponist eingenommen, Verdi war plötzlich auch in aller Munde, und so geriet Johann Simon Mayr immer mehr in Vergessenheit. Wenn wir heute Mayrs Musik wieder ausgraben, dann erinnert sie uns ein bisschen an Mozart. Eine Nähe, die sich auch in Mayrs Biografie wiederfindet: Schließlich wollte niemand Geringeres als Mozarts Witwe Constanze ihren Sohn bei Mayr in die Ausbildung schicken, wie wir aus einem Brief an Mayr wissen: "Nehmen Sie es, hochgeehrtester Herr Kapellmeister, daher nicht übel, wenn ich Sie bitte, sich eines jungen Mannes anzunehmen, dessen Vater nur allzu früh für ihn starb, machen Sie dadurch zugleich Sohn und Mutter glücklich."
Sendung: "Allegro" am 1. Oktober 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Dienstag, 01.Oktober, 16:29 Uhr
T.P.
Propaganda oder Naivität?
Naja, es gibt wohl genug Dokumente, aus denen hervorgeht, dass diese Illuminaten um Wishaupt eine Vereinigung bösartiger, machtbesessener Psychopathen waren, die in ihrer Wahl der Mittel der Durchsetzung ihrer Pläne vor keiner Schandtat zurückschreckten.
Überhaupt sind Geheimbünde wohl immer leicht korrumpierbar. Warum geht man wohl in den Untergrund und denkt sich die schrecklichsten Strafen für diejenigen aus, die ihre Geheimnisse verraten, wenn man nichts zu verbergen hat. Das gilt natürlich auch für die Freimaurer.