BR-KLASSIK empfiehlt wichtige "Meistersinger"-Interpretationen aus 80 Jahren Rezeptionsgeschichte: drei ältere Klassiker des Tonträgermarkts, die letzte Bayreuther Bühnenproduktion der Oper in Bild und Ton – sowie als Zugabe ein paar Takte Wagner "im Original".
Bildquelle: © Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath
Sie sind ein repräsentativer Opener unter den Opern: Ohne "Die Meistersinger von Nürnberg" ist die Einweihung des Prinzregententheaters in München 1901 nicht ausgekommen, weder die Wiedereröffnung Bayreuths 1951 noch die des Nationaltheaters München 1963. Noch auch der Regie-Einstand Katharina Wagners auf dem Grünen Hügel 2007. So sehr die bodenständigen Nürnberger Handwerker, verglichen mit Nibelungen oder Wälsungen, dem Publikum relativ konkrete Projektions- und Identifikationsflächen liefern: Die zentrale Figur und Traumrolle des Hans Sachs schillert als Schuster und Poet in Personalunion – ein ebenso einfacher wie nachdenklicher Mann, mit zwei Seelen, ach, in seiner Brust!
Trotz mangelhafter Aufnahmetechnik: Wagners Leitmotive werden von der größten Taktstocklegende Italiens, Arturo Toscanini, mit komödiantischer Leichtigkeit versehen. Nirgends elefantöse Bleigewichte! Die barocke Aura der Mozart-Stadt Salzburg wirkt sich auf das fränkische Bühnenpersonal beflügelnd aus. Die Wiener Philharmoniker agieren rhythmisch exakt, mit geschmeidigen Temporelationen. Den Damen und zahlreichen Herren des Ensembles gelingt eine saubere Artikulation des Textes. Hans Hermann Nissen zeichnet den Sachs zugleich mit vornehmer Zurückhaltung und voluminös heldenbaritonaler Stimmpracht.
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Sachs: Hans Hermann Nissen
Stolzing: Henk Noort
Beckmesser: Hermann Wiedemann
Eva: Maria Reining
Chor der Wiener Staatsoper
Wiener Philharmoniker
Arturo Toscanini, Leitung
Aufnahme: 1937
Hier finden Sie Informationen zur Neuinszenierung in diesem Jahr bei den Bayreuther Festspielen.
In München, dem Ort der "Meistersinger"-Uraufführung, entfaltet sich das Geschehen mit einer gewissen Selbstverständlichkeit. Das BRSO musiziert unter seinem böhmischen Chef Rafael Kubelík betont schlank. Hervorzuheben wäre manches Detail, etwa die angemessen doppelbödige Ausleuchtung der berühmten Prügelszene: Das Fugato im Finale des 2.Aufzugs scheint Naturgewalten Raum zu geben –
als Zirkusnummer! So wird die zipfelmützige Massenszene davor bewahrt, in anarchische Turbulenz zu münden. Mustergültig belcantistisch und doch psychologisch durchdacht legt der ungarische Tenor Sándor Konya seinen Stolzing an.
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Sachs: Thomas Stewart
Stolzing: Sándor Konya
Beckmesser: Thomas Hemsley
Eva: Gundula Janowitz
Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Aufnahme: 1967
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In der für Wagners Selbstfindung wichtigen Sachsenmetropole Dresden greift ein grandioses Lustspiel um sich: Herbert von Karajan treibt die Staatskapelle zu klanglicher Delikatesse, kammermusikalischer Transparenz. Gesungen wird dezidiert unpathetisch: von enorm ambitionierten Tenören (Peter Schreier als David, René Kollo als Stolzing), von klug differenzierenden Bässen (Theo Adam als Sachs, Karl Ridderbusch als Pogner), aber auch von leicht überforderten Baritonen (Geraint Evans als Beckmesser, Zóltan Kélémen als Kothner).
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Sachs: Theo Adam
Stolzing: René Kollo
Beckmesser: Geraint Evans
Eva: Helen Donath
Chor der Staatsoper Dresden und des Rundfunks Leipzig
Staatskapelle Dresden
Aufnahme: 1970
Hier finden Sie das Programm der Festspielzeit 2025 auf BR-KLASSIK
Der "mystische Abgrund" auf dem Grünen Hügel ist akustisch wegen des Klangdeckels, unter dem sich alle Instrumentengruppen mischen, ein heikler Aufführungsort für den Konversations- und Parlando-Stil der Partitur. Doch der Schweizer Philippe Jordan erzielt sehr achtbare Ergebnisse – Chapeau! Schlicht großartig sind Michael Volle als Sachs und Johannes Martin Kränzle als Beckmesser. Der auch auf DVD erschienene Video-Mitschnitt dokumentiert Barrie Koskys Regiearbeit, die vom witzig inszenierten Orchestervorspiel bis zur textlich heiklen Festwiese unermüdlich gute Ideen umsetzt.
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Sachs: Michael Volle
Stolzing: Klaus Florian Vogt
Beckmesser: Johannes Martin Kränzle
Eva: Anne Schwanewilms
Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele
Aufnahme: 2017
Was heute geschah, 24. Juli 1956: "Die Meistersinger" werden bei Premiere in Bayreuth ausgebuht
Als fielen Johannistag und Weihnachten auf ein und dasselbe Datum: was für eine grotesk überzeichnete Parodie! Den Weg einer ähnlich Rossini-haft konzipierten Wiener Interpretation des Ungarn Fritz Reiner 1955 geht der Brite Roger Norrington 40 Jahre später konsequent Prestissimo zu Ende – nicht mit der kompletten Oper, aber immerhin mit dem isoliert aufgenommenen Orchestervorspiel. Arbeiten sich Originalinstrumente der sogenannten historischen Aufführungspraxis hier ausnahmsweise am falschen Gegenstand ab? Oder hat es bei der Münchner Uraufführung 1868 tatsächlich so ähnlich geklungen? Wer weiß das schon…
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Autor: Volkmar Fischer
Sendung: Live aus dem Bayreuther Festspielhaus am 25. Juli 2025 ab 15:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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