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"La Clemenza di Tito" bei den Salzburger Pfingstfestspielen Mörderischer Parlaments-Krimi

"Tutto Mozart" lautet das Motto der diesjährigen Salzburger Pfingstfestspiele unter der künstlerischen Leitung von Cecilia Bartoli. Gestern eröffneten sie mit der Opernpremiere von "La Clemenza di Tito". Regie führte der gebürtige Kanadier Robert Carsen. Und den interessierte an Mozarts Prager Krönungsoper die Frage, was eine gute Regierung eigentlich ausmacht.

La Clemenza | Bildquelle: SF/Marco Borrelli

Bildquelle: SF/Marco Borrelli

Ein Lorbeer umkränztes "I", die italienische und die europäische Flagge zieren den grau-schwarzen Plenarsaal, das Zentrum der Macht von Präsident Tito Vespasiano. Er ist ein volksnaher, Hände schüttelnder, jugendlich sympathischer Regierungschef im dunklen Maßanzug. Und Daniel Behle weiß ihn ideal zu verkörpern und makellos zu singen.

Inszenierung erinnert an den Sturm aufs Kapitol in den USA

Auf Videobildschirmen sieht man ihn Reden halten, es gibt viel Sicherheitspersonal im Senat, und trotzdem kommt es zum Sturm auf das Kapitol durch eine Horde marodierender Vermummter. Rauch steigt auf und auf Tito wird mit dem Messer eingestochen. Ja, die Bilder kennen wir, denn Regisseur Robert Carsen zeigt in Videosequenzen zum Ende des ersten Aktes Fernsehbilder aus Washington vom Januar 2021. Initiiert hat das die machthungrige Vitellia, die den verliebten Sesto zum Mord anstiftet. Alexandra Marcellier als Giorgia Meloni-Double bekommt in Carsens Interpretation der Oper eine ganz besonders hinterhältige Rolle für ihren verführerischen Sopran.

Cecilia Bartoli glänzt in der schwer zu besetzenden Kastratenrolle des Sesto, und die Musiciens du Prince Monaco unter Gianluca Capuano machen mit ihr und dem erstklassigen Solistenensemble aus dem durchaus sperrigen Werk ein historisch informiertes und dabei hoch energetisches Mozart-Erlebnis. Intensiv und besonders schön timbriert gestalten auch Melissa Petit als Servilia und die junge Mezzosopranistin Anna Tetruashvili aus dem Opernstudio des Münchner Gärtnerplatztheaters als Annio das zweite Liebespaar der Oper.

Viel zu denken und zu deuten

Dabei lässt Regisseur Carsen die vier Frauen allesamt durchaus feminin auftreten, was die Geschichte um den Aspekt gleichgeschlechtlicher Liebe erweitert. Hier gibt es viel zu denken und zu deuten, vor allem wenn am Schluss der vergebende Tito und seine Getreuen durch von Vitellia bestochene Sicherheitsmänner unter Publios wissenden Augen kaltgemacht werden. Ildebrando D'Arcangelo macht mit sattem Bassklang auch in dieser kleineren Rolle eine souveräne Figur.   

Der hervorragende Chor Il Canto d´Orfeo singt zu all diesen Intrigen das Loblied auf den gütigen Herrscher. Fieser geht es kaum. Ein spannender, politischer und musikalisch herausragender neuer Mozart-Opernabend!

Sendung: "Allegro" am 21. Mai ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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