Unter dem Titel "Kleine Nachtmusiken" lädt eine eigene Konzertreihe im Kosmos der Salzburger Festspiele zu "Serenaden der besonderen Art". Gesang, begleitet von einem Clavichord und Rezitation. Eine faszinierende Schule des (Zu)Hörens.
Bildquelle: Anita Schmid
Die Serenade hat in der Musikgeschichte eine lange Tradition, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. Vor allem in der Klassik war sie sehr beliebt, als abendliches Ständchen im Freien, weswegen eine Zeitlang Mode war, für Holzblasinstrumente zu schreiben, die man schnell aufbauen und transportieren konnte. Aber schon bald wurden das Interesse und der Orchesterapparat größer, Mozarts berühmte Kleine Nachtmusik ist auch eine Serenade.
Die "Kleinen Nachtmusiken" bei den Salzburger Festspielen rund um den Bariton Georg Nigl gehen wieder zurück auf Anfang, ganz ins Kammermusikalisch-Intime. Nur ein Clavichord (Alexander Gergelyfi) gibt es, dazu Rezitation (Ulrich Noethen) und Gesang. Und sie bergen Faszinierendes, fordern nicht (mehr und nicht) weniger als ein genaues Zuhören, was nicht nur im allgemeinen Alltag, sondern auch im speziellen Festspiel-Kosmos keine Selbstverständlichkeit mehr ist.
Dafür haben sich die drei Künstler unterschiedliche Schwerpunkte ausgesucht. Am ersten Abend kombinierten sie westliche Musik des Frühbarocks mit Texten der iranischen Dichterin Forrugh Farrochsad, die 1967 im Alter von nur 32 Jahren bei einem Verkehrsunfall in Teheran starb. Ihre Gedichte und Prosa greifen Gedanken über scheinbare Belanglosigkeiten des Alltags auf, vernetzen sie mit melancholischen Streifzügen durch Erinnerung, Nacht und Traum koppelt sie mit bildstarker Hoffnung auf den Morgen – und fügen sich wundersam in die berührenden Stücke von Purcell, Caccini und Monteverdi, die um Trauer und Liebe, Schatten und Licht, Abschied und Hoffnung kreisen.
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Es ist zunächst die ungewohnte Intimität und Fragilität des Clavichords, die einen sofort in den Bann zieht: kaum Resonanzboden, wie aus dem Off klingt das, ein bisschen wie ein leises Cembalo, nur viel nuancenreicher. Dazu gelingt Nigl die Quadratur des Kreises: Er bewegt sich über weite Strecken in einer Welt zwischen Gesang und Deklamation, was ebenfalls – wie der Klang des Instruments – befremdlich wirkt. Teilweise ist das fast wie ein Gute-Nacht-Kuss für ein Kind, in den Raum getupft für die gerade mal 60 Menschen im kleinen Saal im Stefan-Zweig-Zentrum oberhalb des Festspieltrubels. Nur manchmal, wenn es der Text hergibt, lässt er ein wenig die Handbremse runter, zeigt, was in ihm bebt, bringt erdige, auch mal spitze Töne mit eng geführter Stimme.
Dann gibt er den Ball direkt weiter zu Ulrich Noethen, dessen Rezitationskunst etwas Entwaffnendes hat: Kaum ein Satz ist gesprochen – und man ist sofort da, in der Szene, im Bild, im Geruch. Hat aber nie das Gefühl, hier will sich jemand mit großer Schauspieler-Geste in den Vordergrund drängen. Ruhe, Tiefsinn, Nähe schwingen da ganz natürlich mit, immer wieder fein durchwoben mit Scarlatti-Sonaten, die Alexander Gergelyfi ebenbürtig über diese kleinen Tasten aus dem kleinen Kasten lockt.
Und genau in dem Moment, an dem man denkt, jetzt könnte es kippen, könnte die Abfolge redundant werden, starten sie zum Finale, ausgehend vom klirrend-klaren Gedicht "Der Wind wird uns verwehen", das direkt in die herzbewegende Trauermusik Purcells für Queen Mary übergeht – weiter zu emotionslavaverdächtigen Klängen Caccinis hin zu "Music for a while" von Purcell, das wiederum Bett ist für den finalen Text des mittelalterlichen Mystikers und Dichters Rumi, dessen 800 Jahre alten Verse über das richtige Erkennen und Nutzen eines Tages jedem von uns heute Lehre und Aufschrei sein sollten. Eine beseelte, kluge, nachdenkliche Nachtstunde.
Sendung: "Allegro" am 4. August 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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