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Kritik – Musical "3 Musketiere" in Augsburg Eine Premiere, bei der alles stimmt

Diese Kerle haben kein Glück in der Liebe und reichlich Ärger im Beruf: Trotzdem ist es höchst amüsant, der Leibwache des französischen Königs beim Leben und Treiben auf der Freilichtbühne am Roten Tor in Augsburg zuzusehen. Das kontrastreiche Musical bekam bei der Premiere am 17. Juni völlig zurecht stehende Ovationen.

"3 Musketiere" in Augsburg | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr

Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr

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Das Musical "3 Musketiere" in Augsburg

Ja, sie zücken ihre Waffen, und wie! Da wird gesprungen, geduckt, gerungen und geklirrt, dass es eine Freude ist. Eigentlich sind die Rüstmeister in den Theatern ja längst arbeitslos geworden: Welcher Regisseur lässt seine Schauspieler heute schon noch im Harnisch auftreten, in welchem Klassiker wird noch gefochten?

Mantel-und-Degen-Fight

"3 Musketiere" in Augsburg | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr So ein Mantel-und-Degen-Fight gilt ja seit Jahrzehnten als überholt, ja unfreiwillig komisch. Wenn Musketiere allerdings so gekonnt auf die Bösewichte losgehen, wie auf der Freilichtbühne am Roten Tor in Augsburg, dann ist das zwar auch komisch, wie die Lacher aus dem Publikum zeigten, aber im allerbesten Sinne, nämlich als augenzwinkernde Reverenz an eine ferne Epoche mit einer großen Kampfkunsttradition. Intendant André Bücker jedenfalls hat diesbezüglich keine Berührungsängste: "Es ist eine wunderschöne, sehr, sehr bühnenwirksame Kunst, die man immer noch gerne einsetzt, aber es muss eben perfekt gemacht sein, und das ist heute Abend der Fall. Ich habe mal den Götz von Berlichingen gemacht, also es gibt immer wieder wunderbare Möglichkeiten dafür."

Eine bühnenwirksame Kunst, die man immer noch gerne einsetzt.
Intendant André Bücker

Und so sparen die Regisseure Ulrich Wiggers und Florian Honigmann nicht mit rasanten Kämpfen, gern auch simultan verdreifacht auf der riesigen Bühne - auf dass die Musketiere "einer für alle, alle für einen" ihren Ruhm verteidigen. Das funktioniert über zweieinhalb Stunden fulminant, wie der begeisterte Schlussapplaus bewies. Klar, die Kulisse am Roten Tor, einem Abschnitt der Augsburger Befestigungsanlage aus dem 17. Jahrhundert ist natürlich maßgeschneidert für so ein Historienstück: "Das Stück passt einfach fantastisch hierhin, also die Freilichtbühne am Roten Tor ist dafür bestens geeignet, dieses Weltkulturerbe, diese historischen Mauern, das ist ein perfektes Match."

Vor zwanzig Jahren war diese Musicalversion der Musketiere zum ersten Mal zu sehen, im holländischen Rotterdam. Die Komponisten, Rob und Ferdi Bolland, wurden in den Achtzigern mit Songs für den österreichischen Sänger Falco bekannt und schrieben ihr Stück nach dem bekannten Roman von Alexandre Dumas zunächst nur für den niederländischen Markt. Doch schon bald kamen übersetzte und veränderte Fassungen in Deutschland und Österreich heraus, zuletzt vor vier Jahren in Magdeburg. Die Stärke der Musketiere ist neben den Kampfszenen zweifellos die gefällige, aber nicht seichte Musik, die auf Kontraste setzt, wie André Bücker ganz begeistert bemerkt, denn es gibt wenige Werke, die tauglich sind, um Abend für Abend 2000 Plätze zu füllen: "Ich denke, die Musketiere gehören absolut dazu, weil das Stück wirklich die Mischung hat aus großen Balladen, den rockigen Nummern, auch welche, die total ans Herz gehen. Es hat tolle Dialoge, es ist wirklich frisch und witzig, es kommt nicht nur darauf an, dass es toll gesungen wird, es muss auch genauso gut performt werden. Es ist ein klasse Stück."

3 Musketiere mit einer aktuellen Note

Und es ist ein mutiges Stück, denn auf ein Happy End im herkömmlichen Sinne müssen die Zuschauer verzichten: Die Liebe endet gleich mehrmals tragisch, der Einsatz für das Vaterland kommt die tapfere Garde teuer zu stehen. In Kriegszeiten wie diesen hat das durchaus auch eine aktuelle, bittere Note und wirkt keineswegs unzeitgemäß – leider, wäre anzufügen.

Es stimmt alles bei der Premiere in Augsburg

Ja, es stimmt alles bei dieser Freilichtpremiere: Chor und Ballett sorgen für Opulenz, mal als Jagd- und Ballgesellschaft, mal als Klostergemeinschaft, mal als windumtoste Matrosen-Crew. Ein herrlich ausdrucksstarkes Pferd wird gesattelt, Feuerwerk gezündet, intrigiert und schikaniert, dass selbst der König an seine Grenzen kommt. Und immer wieder die Botschaft: Löst eure Probleme nicht mit Waffen. Das ist kein Glaube wert, nicht mal der "richtige".

Glaubwürdige Darsteller

Unter den Solisten ragten Florian Peters als junger Musketier-Bewerber D'Artagnan und Hannes Staffler als Haudegen Athos heraus, neben Katja Berg als bösartige, aber auch leidgeprüfte Milady de Winter und Alexander Franzen als fanatischer Kardinal Richelieu. Alle waren absolut glaubwürdig in ihren Rollen, ohne angestrengt oder pathetisch Bedeutung vorzutäuschen.

Dirigentin Anna Malek war unsichtbar

Fast schon lässig porträtierten sie ihre Figuren, das Barockzeitalter war ja lebensprall und unbekümmert. Dirigentin Anna Malek und ihr Orchester waren diesmal unsichtbar, verborgen hinter einer Häuserzeile. Punktgenau begleiteten sie das Geschehen, ohne Scheu vor Musical-Schmelz, aber durchaus immer wieder recht forsch Rock-Akzente setzend. Wenn dann auch noch das Wetter mitspielt, an einem milden Juniabend, ist das Freilichtbühnen-Glück vollkommen. Immerhin rund 30 Prozent seiner Jahreseinnahmen erwirtschaftet das Staatstheater Augsburg in der Open-Air-Saison. Das Aufatmen ist also groß.

Sendung: "Allegro" am 19. Juni 2023, um 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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