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Kritik – "Ariadne auf Naxos" in Regensburg Zickenkrieg mit Hitler-Bild

Der Wettstreit zwischen Tragödie und Komödie in der Optik eines Boulevardschwanks mit Klipp-Klapp-Effekten: Regisseur Joan Anton Rechi gelang ein ausgesprochen unterhaltsamer, anspielungsreicher Richard Strauss-Abend. Selten wird in einer anspruchsvollen Oper so viel gelacht

Aiadne auf Naxos in Regensburg | Bildquelle: Marie Liebig

Bildquelle: Marie Liebig

Als Humorist ist Richard Strauss nun wirklich nicht in die Operngeschichte eingegangen, auch wenn sein "Rosenkavalier" natürlich komische Elemente hat und "Ariadne auf Naxos" auch irgendwie witzig gemeint ist, aber ehrlich gesagt: In beiden Fällen dominiert eine gewisse Wehmut, eine bittersüße Note. Die Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg war eben nicht gerade für ihre Ausgelassenheit bekannt, eher schon für ihre Dekadenz und ihren düsteren Expressionismus. Umso erstaunlicher, wie herzhaft in der Regensburger Inszenierung von "Ariadne auf Naxos" gelacht wurde: Der aus Andorra stammende Regisseur Joan Anton Rechi zeigte die schwer parfümierte und theorielastige Oper über den Wettstreit zwischen Komödie und Tragödie in der Optik eines rasanten Boulevardstücks. Bühnenbildner Gabriel Insignares Gaballero hatte folgerichtig ein bonbonfarbenes Rokoko-Foyer mit sechs Türen entworfen, die fleißig auf- und zuklappen, mitunter auch knallen.

Die Oper berührt das Regensburger-Saisonthema "Identität"

Das war kurzweilig, aber nie seicht, denn ein Hitlerbild, das anfangs herbeigetragen wird, verdeutlicht: Das Ganze spielt im Nationalsozialismus und erinnert an die berühmte Ernst-Lubitsch-Satire "Sein oder Nichtsein". Der neureiche Bonze, der sich bespaßen lässt, ist irgendein brauner Emporkömmling. Das gibt dem hier ausgebreiteten Zickenkrieg der Künstler eine absurde Note, denn ihre Probleme sind ja vergleichsweise nichtig.

Was Intendant Sebastian Ritschel an dem Stoff interessiert hat? Es geht um das Selbstverständnis der Mitwirkenden, heutzutage besser bekannt als Identität, und die ist das Motto der neuen Spielzeit: "Wenn wir uns einfach mal fragen, wer wir sind, dann können wir alle, glaube ich, jeweils eine sehr lange Liste aufführen, wer jeder von uns in einem bestimmten Kontext ist: Vater, Sohn, Onkel, Ehemann, Partner, Schüler, sexuelle, religiöse Identität, regionale Herkunft, soziale Identitäten. Da haben wir uns sehr bemüht Themen aufzugreifen, die natürlich nicht jedes Spektrum abdecken können, dazu ist die Saison zu kurz, aber um Schwerpunkte zu setzen, um darüber zu sprechen, wer wir sind und was das bedeutet."

Geld sticht Haltung

Wer erst mal herausgefunden hat, wer er ist, der will sich selbst natürlich treu bleiben. Aber das ist leider schwer, wie nicht nur Richard Strauss vorführt. Sein junger Komponist hat ein großes, tragisches Werk geschrieben, das mit Trallala verhunzt wird, weil der Auftraggeber rechtzeitig zum Feuerwerk kommen will. Banaler geht´s nicht, Geld schlägt Ideale: Immer wieder werden die Scheinchen vorgeblättert, um das augenfällig zu machen. Auch die Kunst geht nach Brot, was in Zeiten einer Diktatur bekanntlich furchtbare Folgen haben kann.

Sehr überzeugend, was Joan Anton Rechi da alles in "Ariadne auf Naxos" hineininterpretiert hat, und sehr zeitgemäß. Sebastian Ritschel: "'Ariadne auf Naxos' ist jetzt per se kein Stück, wo junge Leute in Scharen reinrennen. Aber ich glaube, wir haben es geschafft, so neugierig zu machen, dass gerade auch junge Menschen Ankerpunkte bei uns gefunden haben nach dem Motto, das scheint interessant oder das schaut lustig aus oder wir glauben, etwas Neues entdecken zu können und da pocht mein Herz natürlich sehr schnell und sehr hoch, dass wir gerade diese jungen Menschen, die viele Theater als verloren ansehen, hier im Haus haben. Ja, das haben wir in der letzten Saison tatsächlich geschafft, da bin ich sehr stolz auf das gesamte Haus."

Vergnüglich, aber nie seicht

Als Spezialist für anspruchsvolle Unterhaltung versteht es Sebastian Ritschel, sogar ein solches schwieriges Opern-Ungetüm im besten Sinne marktgängig zu machen. Die vielen Lacher, die heitere Stimmung ließen keine Zweifel: Das hervorragend aufgelegte Ensemble, allen voran der neue Generalmusikdirektor Stefan Veselka, meisterten alle Klippen, denn eigentlich ist das Werk für das kleine Regensburger Theater akustisch überdimensioniert. Das fiel aber kaum auf, und so eine Sängerriege kann selbst manches deutlich besser ausgestattete Haus nicht aufbieten, darunter Theodora Varga als Operndiva und Ariadne, Kirsten Labonte als überraschend melancholische Zerbinetta und Patrizia Häusermann als Komponist. Frauenpower pur, der Tenor Hany Abdelzaher allerdings gewachsen war.

Ein intelligenter und genussvoller Opern-Spaß mit einer sehr deutlichen Botschaft: "Auf den Punkt gebracht könnte unsere große Musical-Gala 'I am what I am' im zweiten Teil der Spielzeit dafür stehen, eine Sensibilität zu entwickeln für die Erkenntnis, doch wir dürfen sein, wie wir sind, es ist kein Wahn, es ist Krieg, sondern einfach nur Akzeptanz, auf jeder Ebene, und dafür sind wir da."

Sendung: "Allegro" am 25. September ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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