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Kritik – "Tannhäuser" in Passau Romantik in Schwarz-Weiß-Rot

Auf der Veste Oberhaus mit Blick über die Dreiflüssestadt Passau inszenierte Johannes Reitmeier Wagners Künstlerdrama als selbst verschuldeten Karriereknick eines genialen Dirigenten in einer deutschnationalen Untertanen-Gesellschaft. Dafür gab es trotz eines wenig emotionalen Dirigats höflichen Applaus.

Szene aus "Tannhäuser" am Landestheater Niederbayern (Premiere 16. Juni 2024) | Bildquelle: Peter Litvai / Landestheater Niederbayern

Bildquelle: Peter Litvai / Landestheater Niederbayern

Mangels Plattenaufnahmen waren die mittelalterlichen Minnesänger von Berufs wegen ja ständig unterwegs: Auftritte waren ihre einzige Einnahmequelle (fast wie heute) und zwei Orte dürften auf ihrem Tourplan garantiert nicht gefehlt haben, die Wartburg bei Eisenach und Passau. Dort regierten um 1200 besonders kunstsinnige Fürsten, Landgraf Hermann von Thüringen und Wolfger von Erla, Fürstbischof in der Dreiflüssestadt. Beide finanzierten gern renommierte Gaststars. Insofern hatte es schon seine historische Richtigkeit, Richard Wagners "Tannhäuser" im Innenhof der Veste Oberhaus zu zeigen, 1219 erstmals erwähnt und womöglich schon damals ein Musenhof. Und wenn dann auch noch der zunehmende Mond und der Abendstern gleichzeitig die Freilichtbühne bescheinen, ist das romantische Opernglück schier perfekt.

Tannhäuser als tragische Geschichte eines Dirigenten und Komponisten

Szene aus "Tannhäuser" am Landestheater Passau (Premiere 16. Juni 2024) | Bildquelle: Landestheater Passau Bildquelle: Landestheater Passau Regisseur Johannes Reitmeier, ehemals Intendant des Tiroler Landestheaters in Innsbruck, erzählte Wagners Musikdrama um einen unverstandenen Künstler als tragische Geschichte eines Dirigenten und Komponisten, der am bornierten Publikum scheitert. So ganz unschuldig ist Tannhäuser allerdings nicht an seinem Karriereknick: Er hat sich im Venusberg daran gewöhnt, der freien Liebe zu huldigen und sexuell lockere Sitten anzunehmen. Passt der Gesellschaft gar nicht, denn die ist - den Kostümen nach zu urteilen - ziemlich deutschnational eingestellt. Farblich entspricht das dem preußisch-kaiserlichen Schwarz-Weiß-Rot, heute Symbol des Untertanengeistes und des Weltmachtstrebens, besser bekannt als Imperialismus.

Mit bescheidenem Aufwand umgesetzt

Johannes Reitmeier will damit wohl auf das berühmte Wartburgfest von 1817 verweisen, als Korps-Studenten im Überschwang des Siegs über Napoleon einerseits für die deutsche Einheit und Zensurfreiheit warben, andererseits aber auch eine Tradition begründeten, in der aus Patriotismus schnell Nationalismus wurde. Klug gedacht und ohne Regie-Mätzchen und mit bescheidenem Aufwand umgesetzt.

Elisabeth als Opfer einer Zwangsheirat

Die Romantik hat eben viele Bedeutungsebenen, zumal, wenn so ein geschichtsträchtiger Ort wie die Veste Oberhaus auch noch selbst mitspielt. Ob es nötig war, die Heilige Elisabeth zum Opfer einer Zwangsheirat mit Tannhäusers Konkurrenten Wolfram von Eschenbach zu machen, sei dahingestellt. Dass sie von ihrem eigenen Vater, dem erwähnten Künstlerfreund und Landgraf Hermann mit Gift in den Selbstmord getrieben wird, ist ebenfalls eine kühne Deutung. Die eine oder andere Szene erwies sich als unfreiwillig komisch, insgesamt war es jedoch eine absolut stimmige Inszenierung. Leider konnte Johannes Reitmeier zur Premiere krankheitsbedingt nicht anwesend sein, auch sein Ausstatter Michael Zimmermann zeigte sich nicht zum Schlussapplaus.

Musikalisch noch Luft nach oben

Szene aus "Tannhäuser" am Landestheater Passau (Premiere 16. Juni 2024) | Bildquelle: Landestheater Passau Yitian Luan (Elisabeth), und Zurab Zurabishvili (Tannhäuser) | Bildquelle: Landestheater Passau Dirigent Basil H.E. Coleman ging arg akademisch an die Partitur heran und ließ emotionales Feuer vermissen. Leider gab es ein paar Wackler, vor allem jedoch im Chor, der keinen guten Tag erwischt hatte. Da hatte es der eine oder andere deutlich eiliger als seine Kollegen, was besonders auffällt, wenn alle mit Mikros ausgestattet sind. Der georgische Tenor Zurab Zurabishvili machte seine Sache mit großformatiger Stimme recht gut. Womöglich hätte er mit weniger Schalldruck noch mehr Effekt erzielt. Peter Tilch lieferte mit dem Wolfram von Eschenbach ein überzeugend zwiespältiges Rollenporträt ab, hin und her gerissen zwischen Künstlerambition und Opportunismus. Yitian Luan gab der Elisabeth gravitätische Noblesse, eine Spur zu aristokratisch reserviert. Reinhild Buchmayer als Venus war vor allem Play- und Partygirl ganz ohne höllische Abgründe. Dankbarer, wenn auch nicht euphorischer Applaus vom Freilichtpublikum.

Sendung: "Allegro" am 17. Juni 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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