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Meinung - Scala-Eröffnung Stagnation statt Innovation

Ein protziges Opernhaus, große Diven und autoritäre Maestri - Die Mailänder Scala ist der Inbegriff der großen italienischen Oper. Über Jahrhunderte hinweg strahlt ihr Ruhm in die ganze Welt aus. Fleißig pflegt das Haus die großen alten Opernhits. Aber reicht das, um auch in Zukunft zu glänzen? Ein Kommentar von Theresa März.

Mailänder Scala | Bildquelle: picture alliance / akg-images

Bildquelle: picture alliance / akg-images

An der Scala ist irgendwie alles unvergleichlich: die Diven, die Maestri, bei denen man schon beim Gedanken an die Probenarbeit vor Angst erstarrt, das Publikum, das seine Künstler so gnadenlos feiert und fallen lässt. Circus Maximus auf norditalienisch eben. Vor allem aber ist die Liste der Opern, die an der Mailänder Scala uraufgeführt und danach zu Welthits wurden, einfach überragend - und angesichts der gut 200-jährigen Geschichte des Hauses beeindruckend.

Von der Scala zu Welthits

1831 feierte Vincenzo Bellinis "Norma" an der Scala ihre Uraufführung, dicht gefolgt von Giuseppe Verdis "Nabucco" 1842, Verdis "Otello" 1887 sowie Giacomo Puccinis "Madama Butterfly" 1904 und "Turandot" 1926. Zu den jüngeren Werken, die dort aus der Taufe gehoben wurden, zählt Francis Poulencs "Dialogues des Carmélites", uraufgeführt 1957. Alles in allem: eine imponierende Parade von Meisterwerken des Operngenres. Dabei waren die Komponisten und die ausführenden Künstler immer die Suchenden. Sie formten dieses Haus zu einer der glanzvollsten Operninstitutionen. Sie waren innovativ. Aber was kann ein so legendäres Opernhaus tun, um seine Strahlkraft zu erhalten und auch in Zukunft zu glänzen?

Auf den Loorbeeren ausruhen

Chefdirigent Riccardo Chailly und Intendant Alexander Pereira setzen jedenfalls nicht gerade auf den Geist der Erneuerung. Vielmehr ist das Restaurieren der großen Meisterwerke und deren Darbietung auf allerhöchstem Niveau ihr Bestreben. Startpunkt dieser Initiative ist die große Eröffnungspremiere mit Puccinis Erstfassung der Oper "Madama Butterfly", die bei der Uraufführung am 17. Februar 1904 einen Skandal verursachte. Pereiras und Chaillys Ziele sind durchaus berechtigt. Auch ist es in Hinblick auf die Aufführungspraxis wichtig, dass die großen Häuser durch ihre Interpretation der Meisterwerke Maßstäbe setzen. Und dies tut die Scala in der beginnenden Spielzeit auch ganz vorbildlich. Die 14 Produktionen des Stagione-Hauses bilden - mit Ausnahme einer Uraufführung und einer weniger bekannten Rossini-Oper - eine lange Hitparade: Viermal Verdi mit "Don Carlo", "La Traviata", "Falstaff" und "Nabucco". Zweimal Puccini - neben "Madama Butterfly" noch "La Bohème" - ein bisschen Donizetti mit "Anna Bolena" , Mozarts "Don Giovanni", Humperdincks "Hänsel und Gretel" und der "Freischütz" von Weber. Ach ja, eine Barockoper darf natürlich auch nicht fehlen: Händels "Tamerlano".

Nur eine einzige Uraufführung

Zugleich aber wäre es wichtig, dass ein Haus, das über die Jahrhunderte soviel Können und Wissen angesammelt und sich eine solche Anziehungskraft erarbeitet hat, auch ein Forum der Erneuerung bietet. Die Kunstform Oper müsste auch für die Gegenwart und Zukunft neu geformt werden. Die Scala versucht dies mit einer einzigen Uraufführung: "Ti vedo, ti sento, mi perdo" von Salvatore Sciarrino. Warum hat man nicht dieses Werk, das noch niemand kennt, als Eröffnungspremiere gewählt? Man hätte - mit der entsprechenden medialen Aufmerksamkeit - dem Publikum eine Oper der Gegenwart präsentieren und zugleich zeigen können, wie lebendig diese Kunstform ist.

Sendetipp

BR-KLASSIK überträgt die Saisoneröffnung mit Giacomo Puccinis "Madama Butterfly" am Mittwoch, den 7. Dezember 2016 ab 17.55 Uhr live.

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