Die Wahrhaftigkeit eines Tons war für den österreichischen Komponisten Friedrich Cerha besonders wichtig. Er hatte seinen eigenen Blick auf die Musik. Und wurde damit zur Institution. Nun ist er im Alter von 96 Jahren gestorben.
Bildquelle: Manu Theobald / Ernst von Siemens Musikstiftung
Würdigung
Zum Tod von Friedrich Cerha
Juni 2012 im Münchner Cuvilliéstheater: Bescheiden, dennoch selbstsicher und aufrecht, zierlich von körperlicher Gestalt, doch noch äußerst vital nahm Friedrich Cerha als 86-jähriger den Ernst von Siemens Musikpreis entgegen. Der Komponist nimmt's entspannt: "Ich war immer genötigt, in mich gefestigt zu sein und ich hab' immer gelassen reagiert auf Angriffe und genauso gelassen auf Preise oder Zustimmung." Dass diese renommierte Auszeichnung ihm zugesprochen wurde, überraschte manch einen. Denn so vielseitig Cerha war, so blieb er zeitlebens doch ein Unangepasster.
Die Wahrhaftigkeit, Glaubwürdigkeit des musikalischen Tonfalls ist etwas, was mir sehr wichtig ist
Friedrich Cerha | Bildquelle: imago/Rudolf Gigler Nach dem zweiten Weltkrieg arbeitete Friedrich Cerha zunächst als Bergführer. Von 1946 an studierte er in Wien Komposition und Geige. 1950 promovierte er als Musikwissenschaftler. Von da an bewegte er sich in Kreisen avantgardistischer Maler und Schriftsteller, gründete gemeinsam mit Kurt Schwertsik das Ensemble "die reihe" und brachte Musik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Aufführung ebenso wie Musik der unmittelbaren Gegenwart von John Cage, Pierre Boulez oder Karlheinz Stockhausen und eigene Werke. Dabei legt er in seiner Musik auf eines ganz besonderen Wert: "Die Wahrhaftigkeit, Glaubwürdigkeit des musikalischen Tonfalls ist etwas, was mir sehr wichtig ist und ich ertappe mich dabei, dass ich mir jeweils Sätze vorspreche, um die richtige Geschwindigkeit, den richtigen Tonfall zu finden."
Zum Tod des österreichischen Komponisten sendet BR-KLASSIK ein musikalisches Porträt. Schalten Sie ein in die Sendung "Horizonte" am 16. Februar ab 22:00 Uhr auf BR-KLASSIK.
Am bekanntesten dürfte Friedrich Cerha wohl durch die Fertigstellung des 3. Aktes von Alban Bergs Oper "Lulu" geworden sein. Intensiv und lange setzte er sich mit dem Stoff auseinander, 1979 kam die dreiaktige Fassung in Paris erstmals auf die Bühne. Bereits Anfang der 1960er Jahre entstand Cerhas Zyklus "Spiegel", ein gewaltiges siebenteiliges Orchesterwerk, schroff, aber voller Emotionalität.
Stücke für die Bühne nahmen einen wichtigen Platz in Cerhas Schaffen ein. Kurz nach dem "Spiegel"-Zyklus entstand das Musiktheater "Netzwerk", Ende der 70er Jahre "Baal" nach Bert Brecht. Weitere Werke wie "Der Rattenfänger" und 2002 "Der Riese vom Steinfeld" nach einem Libretto von Peter Turrini. Für das Schreiben von Opern hatte Cerha einen wichtigen Vorsatz: "Was die Oper braucht, d.h. den Anspruch den ich stelle beim Komponieren einer Oper, dass man wenn man die erste Note niederschreibt wirklich auch die letzte Note von der Oper im Kopf hat, also dass die Gesamtheit eine organische Einheit bildet."
Friedrich Cerha war als Komponist, Dirigent, Professor und Musikschriftsteller eine Institution in Österreich, aber auch weit darüber hinaus. Er leistete über ein gutes halbes Jahrhundert hinweg viel für das Verständnis und die interpretatorische Qualität von Musik, neuer wie älterer Herkunft. Und so hinterlässt er fruchtbare Spuren als bedeutender Mentor und rühriger Universalmusiker.
Sendung: "Leporello" am 14. Februar ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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