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Chor des BR und Peter Dijkstra Palestrina und Bruckner zum Saisonauftakt

Am 28. Oktober eröffnen der Chor des BR und sein künstlerischer Leiter Peter Dijkstra die neue Saison unter dem Motto "Klangkathedralen" – mit klanggewaltigen Werken von Anton Bruckner. Was die Musik Bruckners für den Dirigenten so besonders macht und warum er an den Beginn seiner Konzerte gerne Alte Musik setzt, erzählt Peter Dijkstra im persönlichen Gespräch mit BR-KLASSIK.

Peter Dijkstra | Bildquelle: © Astrid Ackermann

Bildquelle: © Astrid Ackermann

BR-KLASSIK: Peter Dijkstra, willkommen zurück zur neuen Saison mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks zur Saison 2023/2024. Was wird sie uns bringen?

Peter Dijkstra: Erst einmal diesen wunderbaren Abend mit dem Bruckner Programm – ausschließlich Bruckner mit ein bisschen Palestrina. Das ist Repertoire, das dem Chor sehr liegt. Darüber hinaus haben wir ein sehr abwechslungsreiches Programm. Rupert Huber ist im November wieder zu Gast; auch eine junge Dirigentin aus Lettland, Christa Audere, und ich werde ein weiteres Programm selber dirigieren. Ich dirigiere diese Spielzeit zwei Abo-Programme mit fantastischen Werken aus der klassischen Moderne, unter anderem die doppelchörige Messe von Frank Martin. Die ist für Chöre ja wirklich ein Schmaus, und man hört sie immer wieder gerne. Und 2024 ist neben dem Bruckner-Jahr auch ein Frank Martin-Jahr. 2024 ist er vor 50 Jahren gestorben.

Radio-Tipp

BR-KLASSIK überträgt die Saisoneröffnung mit dem Chor des BR live aus dem Münchner Prinzregententheater: am Samstag, 28. Oktober 2023, ab 20:05 Uhr. Auf dem Programm stehen Werke von Giovanni Pierluigi da Palestrina und Anton Bruckner. Die Leitung hat Peter Dijkstra.

CD-Produktion zum Bruckner-Jubiläum

BR-KLASSIK: Und bei Bruckner ist 2024 der 200. Geburtstag. Was reizt Dich denn an Bruckner? Du hast jetzt schon gerade zum Ausdruck gebracht, dass Dich das sehr freut, dieses Programm zu machen.

Peter Dijkstra: Zunächst ist es so, dass wir zum Bruckner-Jubiläum die Gelegenheit ergreifen, diese Woche und auch noch in der nächsten Woche die Musik von Bruckner, die wir im Konzert musizieren, für CD aufzunehmen, damit wir zum Bruckner Jahr 2024 gleich im Januar eine Bruckner-CD präsentieren können.

Was ich selber an dieser Musik liebe, ist die Tiefgründigkeit, die Art der Stimmführung. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte Bruckner etwas ganz Spezielles, ganz Besonderes. Dafür wurde er nicht immer geschätzt, weil vielleicht die Zeit dafür noch nicht reif war. Ich höre sehr gerne die Symphonien, vor allem die ab der sechsten, und das ist für mich der Höhepunkt des Orchester-Repertoires. Und dann haben wir die wunderbare Chorliteratur von ihm, mit der ich eng verbunden bin: Als Knabensopran habe ich Bruckner gesungen.

Übrigens hat der BR-Chor eine sehr lange Geschichte mit Bruckner. Da gibt es auch eine tolle CD aus den 70er-Jahren mit Eugen Jochum, wo er auch die a-Cappella-Motetten von Bruckner mit dem Chor aufgenommen hat.

Was ist "typisch Bruckner"?

BR-KLASSIK: Erzähl uns doch, wo das Typische von Bruckner auch in seiner Chormusik zu finden und zu hören ist.

Anton Bruckner nach der Verleihung des Franz-Joseph-Ordens | Bildquelle: picture alliance / akg Konponist Anton Bruckner | Bildquelle: picture alliance / akg Peter Dijkstra: Für mich beginnt das eigentlich mit Bruckners Religiosität. Der ist ja in diese Vormärzzeit in Oberösterreich aufgewachsen, eine ganz klare, hierarchische Gesellschaft damals. Auf dem Land aufgewachsen, wurde von einer starken katholischen Tradition geprägt. Die Monumentälität, die später seine Sinfonien prägte, findet sich auch in seiner Chormusik, in vielen Stellen in der a-cappella-Literatur. Er verlangt vom Chor großartige Klänge und wirklich ein großes Fortefortissimo. Dreifaches Forte sogar zum Beispiel in der Motette "Christus factus est".

Typisch Bruckner finde ich diese drei Elemente: Religiosität, Monumentalität und der Kontrapunkt Behandlung.
Peter Dijkstra

BR-KLASSIK: Du stellst an den Beginn des Programms das Kyrie aus der Missa Papae Marcelli von Palestrina. Bestimmt nicht ohne Grund, weil Du ja jetzt auch den Kontrapunkt so deutlich betonst.

Peter Dijkstra: Ganz klar, Palestrina ist eigentlich für mich eine Art Fenster am Anfang des Konzerts. Wenn man das öffnet und dann hindurch geht, dann kommt man in einem anderen Raum. Ich beginne gerne mit einem Stück Alter Musik – denn sie ist der Beginn von so vielem in der Musik. Es ist so viel neue Musik daraus gewachsen. Man wäscht sich förmlich die Ohren damit und wird somit frei, die Chormusik anzunehmen. Auch ist es so, dass Bruckner diese Vorbilder aus der alten Zeit sehr geschätzt und sich daran inspiriert hat.

Man wäscht sich förmlich die Ohren damit und wird somit frei, die Chormusik anzunehmen.
Peter Dijkstra über Alte Musik

BR-KLASSIK: In der polyphonen Musik hat Palestrina ein Beispiel gegeben, dass man sehr wohl auf hohem musikalischen Niveau komponieren und trotzdem einen Text verständlich halten kann. Ich finde, das ist ja auch ein Merkmal, dass Bruckners e-Moll-Messe sehr stark auszeichnet.

Peter Dijkstra: Ganz klar, absolut. Auch wenn Bruckner sehr breit aufgefächert ist und auf einer achtstimmigen Basis aufbaut. Vor allen Dingen in den a-cappella-Sätzen ist diese Achtstimmigkeit wunderbar, aber sehr kompliziert. Man hört trotzdem ganz klar die Linienführung. Im Credo, auch im Gloria ist der Chor meistens vierstimmig und wird sogar unisono geführt. Da geht es ganz klar um den Text und die Verständlichkeit. Er benutzt dann ganz besondere harmonische Effekte, um dem Text Ausdruck zu geben.

Bruckner als Mess-Komponist

BR-KLASSIK: Interessant an der e-Moll-Messe ist auch, dass sie mit Bläserensemble instrumentiert ist. Die d-Moll-Messe zuvor hat ein volles Orchester. Wie kommt es denn zu dieser reduzierten Instrumentalbesetzung?

Peter Dijkstra | Bildquelle: Astrid Ackermann Bildquelle: Astrid Ackermann Peter Dijkstra: Bruckner hat drei Messen geschrieben, die erste in d-Moll, die zweite in e-Moll und die dritte in f-Moll. Das kann man sich ganz einfach merken. Diese zweite Messe ist tatsächlich etwas Besonderes mit ihrer Bläserbesetzung. Das hatte damit zu tun, dass der Auftrag für eine Freiluft-Aufführung erteilt wurde. Am Dom in Linz wurde eine neue Kapelle erbaut, und zu ihrer Eröffnung wurde diese Komposition gewünscht. Die Eröffnung war tatsächlich im Freien. Streichinstrumente klingen nicht so gut draußen, dafür aber Holz- und Blechbläser. So kam diese interessante Kombination von Chor und Bläser zustande. Allerdings muss damals auch der Chor kräftig gewesen sein. Ich schätze, das dürften 120 Sänger gewesen sein. Mit den professionellen Sängern unseres Chores reichen 60.

BR-KLASSIK: Du sagst, diese Musik ist wie gemacht für den Chor des BR. Wie woran liegt das?

Peter Dijkstra: Ich empfinde diese Musik als sehr rund und warm, mit einer unglaublichen Fülle und Breite. Der Klang unseres Chores entspricht dieser Klangvorstellung. Dazu singt der Chor diese Musik wahnsinnig gerne.

Sie haben ein Händchen, das Gefühl dafür, diese Musik zu singen.
Peter Dijkstra über den Chor des BR

BR-KLASSIK: Dann noch eine Frage zum weiteren Programm der Saison. Das Abo-Programm in der kommenden Saison ist eigentlich ein a-cappella-Programm. Keine Oratorien, Messen, etwa von Händel, Mozart, Schubert. Wieso fehlen die?

Peter Dijkstra: Das hängt von den Möglichkeiten ab: Können wir mit unseren Partnerorchestern Münchner Rundfunkorchester und dem Symphonieorchester auch kooperieren? In der e-Moll-Messe sind Bläser des Münchner Rundfunkorchesters dabei. Oft haben wir mit Gastorchestern gearbeitet. Für die nächste Spielzeit ist das wieder geplant. Aber es muss auch finanziell funktionieren. Ich bin natürlich immer dafür, dass wir in unserem Abo a-cappella-Musik und die Chorsymphonik präsentieren. Das haben wir auch in dieser Spielzeit, aber mit etwas weniger Instrumental-Anteil.

Peter Dijkstra als Professor in Nürnberg

BR-KLASSIK: Du dirigierst nicht nur, Du unterrichtest auch. Du trittst eine Professur in Nürnberg an. Wann geht es los? Und was wirst Du dort machen?

Peter Dijkstra: Dafür habe ich mich beworben und habe tatsächlich schon letzte Woche beim Start ins Wintersemester an der Hochschule angefangen. Meine Aufgaben: vor allen Dingen natürlich in der Dirigier-Abteilung. Ich habe da eine Meisterklasse in Chorleitung. Aber ich arbeite auch mit den Sängern zusammen. Ich leite den Kammerchor der Hochschule und habe in den Konzerten Studenten dabei, die im Master Konzertgesang in der Sparte Oratoriengesang studieren.

BR-KLASSIK: Hattest Du schon immer den Wunsch, Dein Können und Wissen auch weiterzugeben? Hast Du vorher schon unterrichtet?

Peter Dijkstra dirigiert Bach | Bildquelle: BR Bildquelle: BR Peter Dijkstra: Der Wunsch taucht gewiss auf, wenn man eine Weile als professioneller Dirigent unterwegs ist und seine Erfahrungen gesammelt hat. Ich will gerne einen Beitrag leisten, mit der richtigen Ausbildung für die professionelle Chor-Dirigier-Praxis gute Leute auszubilden. Als ich in Holland gewohnt habe, von 2016 bis 2020, habe ich in Köln Chordirigieren unterrichtet.

Für mich ist der Beginn des Dirigierens der Gesang. Und da habe ich auch meinen Gesangslehrern viel zu verdanken. Es beginnt für mich bei einer energetischen Quelle, die man für das Singen beansprucht. Das Atmen und mit Energie zu arbeiten, mit der Luft, mit der man die Stimme führt. Das setze ich auch irgendwie in meine Gestik um, das habe ich selber entwickelt. Aber es ist beginnt für mich wirklich bei der gesanglichen Energie, die ich dann in meinen Händen zurückkommen lasse.

Für mich ist der Beginn des Dirigierens der Gesang.
Peter Dijkstra

Vermittlung durch Körpersprache

BR-KLASSIK: Der Chor des Bayerischen Rundfunks hat ein riesiges Repertoire, das von der Renaissance bis zur Hochromantik bei Bruckner reicht. Und da ist noch nicht zu Ende. Wir hatten vor einiger Zeit im Konzert mit Musik beispielsweise von Luciano Berio oder George Gershwin. Wie gelingt die Umstellung?

Peter Dijkstra: Da muss man gleich in der Probenzeit einiges einstellen. Vieles, wie ich mit dem Chor arbeite, vermittle ich eigentlich durch Körpersprache und durch Energie. Das überträgt sich auf eine gewisse Art und Weise, wodurch auch der Chorklang sich dann verändert. Man muss trotzdem über die Phrasierung sprechen. Über Vibrato, Färbung, Vokalisierung und so weiter. Es ist dann einfach vor Vorteil, dass derjenige, der vorne steht und dirigiert, auch was vom Singen versteht und das auch vermitteln, sogar manchmal zeigen kann. Letztendlich ist das alles möglich, weil es sich um professionelle Sängerinnen und Sänger handelt, die das auch alles umsetzen können.

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