Eigentlich wollte Sofi Paez klassische Pianistin werden. Ein ungewöhnlicher Berufswunsch für jemanden aus Costa Rica, wie sie selbst sagt. Dem Klavier ist sie treu geblieben, wenn auch mit moderneren Klängen als denen von Beethoven und Saint-Saëns.
Bildquelle: Mariam Wo Ching
Es ist zwischen 4:00 und 5:00 Uhr morgens, irgendwo in der costa-ricanischen Küstenprovinz Puntarenas. Langsam geht die Sonne auf, nur ein paar Vögel und Affen, die sich einen guten Morgen wünschen, sind zu hören. Währenddessen steht auf einem Berggipfel eine junge Frau und hält ihr Handy in die Luft. Nicht etwa, um den Sonnenaufgang zu filmen, sondern um diese besonderen Naturgeräusche aufzunehmen. Ambient Recordings oder Field Recordings nennt sich das, was die Musikerin macht. Ihr Name: Sofi Paez.
Man könnte sagen, Beethoven führte Sofi Paez auf diesen Berg, um dort die Aufnahmen für ihre Musik zu machen. Denn drehen wir die Zeit zurück in Sofis Kindheit, dann ist sie zuerst mit der Musik von Ludwig van Beethoven in Kontakt gekommen. Ihr Großvater war ein großer Klassik-Fan, wie auch ihr Vater - und als der eines Tages eine CD aus der Sammlung des Opas zieht und abspielt, ist die kleine Sofi wie verzaubert. "Das ist das Größte überhaupt", denkt sie sich. Ihre Mutter kauft ihr ein E-Piano und Sofi bekommt Unterricht. Zunächst hört sie aber lieber dem Lehrer zu, als selbst zu spielen. Sie will verstehen, was auf dem Instrument alles möglich ist. Von da an reift der Wunsch in Sofi Paez, Konzertpianistin zu werden.
Nicht gerade ein gängiges Karriereziel in Costa Rica, wie Sofi Paez im BR-KLASSIK-Interview erzählt. Unter anderem, weil es einfach sehr wenige Möglichkeiten gibt, als klassische Pianistin in diesem Land aufzutreten. Aber Sofi Paez will das unbedingt und besucht schließlich eine private Musikschule.
An dieser Art Konservatorium, wie Sofi Paez es beschreibt, bekam sie nicht unbedingt aufmunternde Worte zu hören. Erst mit 16 Jahren ernsthaft an der Karriere arbeiten? Da müsse sie sich aber ins Zeug legen!
Und das tut Sofi Paez: Vier bis sechs Stunden übt sie täglich. Was für viele Jugendliche wie eine Tortur erscheint, fällt ihr leicht. "Das Klavier ist ein sehr einsames Instrument, anders als Geige oder Cello, die mehr im Orchester oder Ensemble proben. Aber ich bin introvertiert! Ich mochte es, auf mich allein gestellt in einem Raum zu üben."
Trotz ihrer Liebe zum Instrument hört Sofi irgendwann auf mit dem Klavierspielen. Grafikdesign wird ihre neue Leidenschaft, sie beginnt sogar ein Studium in diesem Bereich. Doch dann kommt die Pandemie und mit ihr kehrt auch die Musik zurück.
Sofi entdeckt die Neoklassik für sich, komponiert im Stil von Nils Frahm und Ólafur Arnalds – und der nimmt sie schließlich unter Vertrag bei seinem Label OPIA. Die Chance für Paez, ihren ganz eigenen Stil mit Rückenwind weiterzuentwickeln.
Die Musik von Sofi Paez vereint sanfte Klavierklangwolken mit spanischen Texten, in denen sie ihr Innerstes offenbart. In ihrer Muttersprache zeigt sie ihr wahres Ich, was manchmal auch ein bisschen beängstigend für sie selbst ist. Hier kann sie ihre Gefühle ausdrücken und fühlt sich ihrer Heimat näher, denn sie lebt inzwischen in Berlin. Und dann wären da noch die Ambient Recordings, diese Aufnahmen aus ihrer Heimat. Vogelstimmen, das Summen des Dschungels. Diese Klänge, mit denen die Komponistin und Pianistin aufgewachsen ist, mischen sich mit Klavier und Gesang. Sofi Paez will uns Costa Rica ins Ohr setzen. Aber ihr Debütalbum "Silent Stories" erzählt auch sehr persönliche Geschichten: Im Titel "Por qué" – auf Deutsch "Warum" – verarbeitet sie die Trauer um eine verstorbene Freundin. "Manchmal ist das Leben ziemlich hart zu uns, aber ich will in meiner Musik beides abbilden: das Licht und die Dunkelheit."
Auch wenn Sofi Paez heute in der Welt der Neoklassik zu Hause ist, hört sie fast täglich klassische Musik. Eines ihrer Lieblingsstücke ist zum Beispiel das Klavierkonzert Nr. 5 von Camille Saint-Saëns. "Das Klavier hört sich im zweiten Satz manchmal so an, als wäre es gar keines mehr. Es klingt viel mehr nach einer Mandoline."
In Costa Rica gab es, wie gesagt, für Sofi Paez kaum Möglichkeiten, als Pianistin aufzutreten. In der europäischen Musikszene geht ihr Traum mehr und mehr in Erfüllung: Im Juni spielt sie in der Berliner Philharmonie und in der Elbphilharmonie Werke von Philipp Glass.
Sofi Paez in der Hamburger Elbphilharmonie: 13. Juni 2025, 20.00 Uhr
Sofi Paez in der Berliner Philharmonie: 16. Juni 2025, 20.00 Uhr
Autor des Textes: Gino Thanner
Sendung: "Leporello" am 5. Juni 2025 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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