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Streit um Abriss des BR-Studiobaus "Das wird keiner mitmachen"

In den großen Aufnahmestudios des BR an der Münchner Marsstraße traten viele Weltstars auf, die Akustik gilt als hervorragend, die Innenarchitektur erinnert an die Aufbruchszeit der frühen Sechziger. Doch das Gebäude ist nicht mehr betriebsfähig heißt es, eine Sanierung käme zu teuer. Damit wollen sich Fans nicht abfinden.

Der BR-Studiobau am Münchner Hauptbahnhof | Bildquelle: BR

Bildquelle: BR

Eine architektonische Perle ist er von außen wirklich nicht, der sogenannte "Studiobau" des Bayerischen Rundfunks unweit des Münchener Hauptbahnhofs. Vorbeieilende Passanten sehen von der Fassade eigentlich nur eine Tiefgarageneinfahrt und ein paar Schießscharten ähnliche, sehr schmale Fenster, was natürlich seinen Sinn hatte: In dem Gebäude sind seit 1963 Aufnahmestudios untergebracht und da sollte der Verkehrslärm natürlich draußen bleiben – zumal zeitweise direkt vor dem Haus eine Straßenbahnlinie geplant war.

Ein Kulturort mit dem Charme der Sechzigerjahre

Was optisch abweisend wirkt, macht also eine ideale Akustik möglich, und das mitten in München. Die Fans des Studiobaus verweisen darauf, dass hier Weltstars wie Anna Netrebko und Placido Domingo zu Gast waren, um hervorragende Einspielungen zu produzieren. Überhaupt sei es ein, Zitat, "Irrsinn" einen "völlig intakten Bau von einzigartiger Qualität" abzureißen, gehe es doch um einen "steinernen Kulturort für Debatte, Diskurs und Demokratie". Das zielt auf die hochwertigen Hörspiele und Lesungen, die hier entstanden sind.

Und wer das Glück hat, den Bau betreten zu dürfen, zum Beispiel bei Studiokonzerten, wird bezaubert sein von den holzgetäfelten Wänden und den stylischen Bodenfliesen, die von der Aufbruchs-Ära der frühen Sechzigerjahre zeugen. Mit einer gewissen Wehmut erinnern sich Zeitzeugen an Jazz- und Heimatsound-Auftritte, aber auch an die legendären Faschingsbälle des BR. Es gibt also Gründe, an diesem Haus zu hängen, und zwar nicht nur nostalgische. Allerdings: Eine Sanierung würde nach mehreren Gutachten, die der BR in Auftrag gab, rund 300 Millionen Euro verschlingen.

Das wird keiner finanzieren.
BR-Verwaltungsdirektor Albrecht Frenzel zur Sanierung des Studiobaus

Zu teuer, meint Verwaltungsdirektor Albrecht Frenzel, zumal "Investitionen ins Programm Vorrang" hätten und der Hörfunk demnächst auszieht und neue Räumlichkeiten im Norden von München, in Freimann, beziehen wird. Die haben 140 Millionen Euro gekostet, da werde die KEF, also die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, kaum eine Sanierung des Altbestands gutheißen. Albrecht Frenzel: "Damit ist ein Großteil der Nutzung dieses Gebäudes obsolet. Was noch zu lösen ist, sind im Prinzip Probe- und Aufzeichnungsmöglichkeiten für einen Teil unserer Klangkörper, nämlich vor allem für das Rundfunkorchester. Und dafür einen Betrag von 300 Millionen Euro in die Hand zu nehmen, für ein Gebäude, das nicht einmal denkmalgeschützt ist, ist dem Beitragszahler nicht zu vermitteln und auch nicht der KEF. Das wird keiner mitmachen, und auch keiner finanzieren."

Wäre die Sanierung teurer als ein Neubau?

Der Studiobau am BR-Standort München-Funkhaus | Bildquelle: BR Der Studiobau in der Bauphase | Bildquelle: BR Die Fans des Studiobaus in der Stadtmitte machen eine andere Rechnung auf. Sie addieren die ursprünglichen Baukosten, die Abrisskosten und die Kosten für den Neubau eines Multifunktionssaals und kommen damit auf 420 Millionen Euro, also deutlich mehr, als für die Sanierung des Altbaus veranschlagt sind. Obendrein werde ein Neubau, Zitat, "nicht annähernd die Qualität" des Studiobaus haben, der auch etwas pathetisch mit den berühmten "Abbey Road"-Studios in London verglichen wird, wo die "Beatles" ihre Hits aufnahmen. Wie auch immer: Die Feuerpolizei hält den Altbestand für nicht mehr genehmigungsfähig, der Betrieb ist nur noch auf Abruf möglich, so Albrecht Frenzel: "Dann müsste wirklich nach den Standards von 2023 energetisch saniert werden. Das ist nicht zu realisieren. Man würde ein solches Gebäude nicht mehr bauen und nicht mehr genehmigt bekommen."

Was irritierend ist: Der BR muss aus genannten Gründen drei akustisch und architektonisch hervorragende Aufnahmestudios abreißen, obwohl es in München an Konzertsälen mangelt. Das Kulturzentrum Gasteig ist geschlossen, die Sanierung liegt auf Eis. Der Herkulessaal in der Residenz gilt als so marode wie überaltert. Die Isarphilharmonie wurde als zeitlich begrenztes Ausweichquartier geschaffen, das eigentlich geplante große neue Konzertgelände am Ostbahnhof befindet sich in einer sogenannten "Denkpause" – Ende offen. Doch all das wird die BR-Studios nicht retten, meint Albrecht Frenzel: "Für das Konzertsaal-Problem wäre auch ein sanierter Studiobau keine Lösung. Da reden wir von den Kapazitäten her wirklich über eine Liga wie dem heutigen Münchner Gasteig, also rund 2.200 Plätze, die haben wir hier gar nicht."

Wird das BR-Gelände zur "Begegnungsstätte"?

Vieles ist derzeit noch vage: So will der BR sein Gelände am Münchner Hauptbahnhof zu einer möglichst "offenen, transparenten Begegnungsstätte" weiterentwickeln. Gedacht wird Veranstaltungen jeder Art, an Fremdvermietungen, an einen lichten "Campus", wie er von Forschungseinrichtungen und Universitäten her bekannt ist. Dort, wo jetzt noch der Studiobau steht, könnten deutlich weniger massive Nachfolgebauten entstehen, die Wege auf das Gelände freilassen, wo dann ein Veranstaltungskomplex bereitstünde. Der architektonische Charme der sechziger Jahre wäre dann allerdings verflogen.

Sendung: "Leporello" am 18. September ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (3)

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Dienstag, 26.September, 19:42 Uhr

Heinz Maser

Investitionen ins Programm

Wenn, wie hier, ein Erhalt des Gebäudes und Investitionen ins Programm gegeneinander ausgespielt werden, frage ich mich, wo Letztere denn sind. In Bayern 2 sollen Sendungen gestrichen werden und Bayern Klassik bewegt sich bereits seit einigen Monaten bedenklich in Richtung Klassik-Radio: Statt Bruckner lieber Filmmusik aus "Harry Potter". Die Intendantin und ihre Gefolgschaft scheinen von Hochkultur nicht viel zu halten. Ich hoffe, dass sie damit nicht in die Geschichte des BR eingehen werden.

Mittwoch, 20.September, 21:27 Uhr

Kerstin Wohlfahrt

Sanierung Studiobau BR

Ich bin der festen Überzeugung, dass sich die Kosten für die Sanierung vielen Gebührenzahlern vermitteln lassen - und bei sehr vielen sogar auf Verständnis treffen als vieles andere, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk macht…..

Mittwoch, 20.September, 21:25 Uhr

Lydia

Studiokonzerte Ade?!

Ich habe die Konzerte und den Bau, der öffentlich zugänglich war genossen!
Ein Trauerspiel - ich wünsche mir vom Herzen eine Erhaltung des Komplexes; Für die Zukunft und für das jetzige Publikum.

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