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Musikprojekt im Münchner Werksviertel Wenn ein Flügel am Kran pendelt

Einen Konzertflügel an einem Kran baumeln zu sehen, ist schon spektakulär – und dann sitzt da in schwindelerregender Höhe noch ein Musiker dran, der ein Konzert spielt. Dieses Szenario wird beim Münchner Projekt "When The Sun stands Still" zur Realität, Künstler Alain Roche will damit den Bau des neuen Konzerthauses unterstützen.

Der Künstler Alain Roche, der 182 Tage lang jeden Morgen kurz vor Sonnenaufgang im Werksviertel ein Klavierkonzert in 10 Meter Höhe geben will, sitzt an seinem beleuchteten Flügel, der an einem Kran gehalten wird. Die Konzerte mit dem Titel ·When the Sun Stands still· sollen ein Unterstützungsprojekt zum Bau des Münchner Konzerthauses sein.  | Bildquelle: (c) URKERN 2023_Ivana Bilz

Bildquelle: (c) URKERN 2023_Ivana Bilz

Kurz vor 7 Uhr im Münchner Werksviertel. In der Kiesgrube, wo irgendwann mal das neue Münchner Konzerthaus stehen soll, sind Liegestühle aufgebaut, die man sonst eher mit Sommer, Sonne und Parks in Verbindung bringt. An diesem Morgen trotzen sie stürmischem Wind und Regen. Das Publikum auf den Stühlen hat sich mit Regenschirmen und dicken Jacken bewaffnet und blickt gespannt in die Höhe. An einem gelben Kran hängt in der Vertikalen ein Flügel, der im Wind hin- und herpendelt. Pünktlich zur Sonnenwende wird er zehn Meter über den Boden gezogen samt Musiker: Alain Roche hängt waagerecht zum Boden, gehalten von einer Konstruktion, die an einen Achterbahnsitz erinnert. Höhe, Regen und Wind scheinen Alain Roche nicht aus der Bahn zu werfen – er spielt seelenruhig, als würde er das jeden Tag machen.

"When The Sun Stands Still" im Münchner Werksviertel

Tatsächlich spielt Roche ab dem 22. Dezember 2023 bis zum 20. Juni 2024 jeden Tag an diesem Flügel in zehn Metern Höhe. Bei diesem spektakulären Konzert handelt es sich um ein Projekt, veranstaltet von Werksviertel Mitte-Kunst. Schon 2020 war der Schweizer Künstler Alain Roche in München zu Gast. Die Umgebung und die Atmosphäre hätten den Künstler überzeugt, sagt Veranstalterin Martina Taubenberger, und so arbeiten sie auch bei dieser Performance wieder zusammen. Bei "When The Sun Stands Still" wird Alain Roche für 182 Tage jeden einzelnen Morgen die Sonnenwende musikalisch begleiten. Im Winter beginnt die Sonnenwende um 6:58 Uhr, im Juni hingegen schon um 3:54 Uhr. Im Publikum sind also mal die Frühaufsteher gefragt und mal die Spät-ins-Bett-Geher.

Der Künstler Alain Roche, der 182 Tage lang jeden Morgen kurz vor Sonnenaufgang im Werksviertel ein Klavierkonzert in 10 Meter Höhe geben will, sitzt an seinem beleuchteten Flügel, der an einem Kran gehalten wird. Die Konzerte mit dem Titel ·When the Sun Stands still· sollen ein Unterstützungsprojekt zum Bau des Münchner Konzerthauses sein.  | Bildquelle: Ralf Domrowski

Bildquelle: Ralf Domrowski

Video: "When The Sun Stands Still" in München

Spezieller Flügel mit Plexiglas-Decke

Aber welches Instrument kann solchen extremen Bedingungen standhalten? Kein normaler Konzertflügel jedenfalls. Alain Roche hat sich für seine Performance einen speziellen Flügel anfertigen lassen. Die Flügel-Mechanik musste an die vertikale Spiel-Position angepasst werden, die Holzdecke des Flügels wurde durch Plexiglas ersetzt, sodass der Flügel wasserfest wird. Und Alain Roche spielt sogar auf einer beheizbaren Klaviatur, damit ihm selbst bei Wind und Kälte die Finger nicht abfrieren. Der Flügel bedient aber nicht nur die Rahmenbedingungen dieses Konzerts, sondern sieht auch einfach gut aus. Das Publikum kann durch die Plexiglasscheibe hindurch auf die beleuchtete Mechanik des Flügels schauen, die sich so wunderbar vor dem immer heller werdenden lilafarbenen Himmel abhebt.

Mehr Informationen

Alle Informationen zum Projekt "When The Sun Stands Still" finden Sie auf der Website vom Werksviertel-Mitte.

Sounds von der Zugspitze und aus dem Bayerischen Wald

Der Künstler Alain Roche, der 182 Tage lang jeden Morgen kurz vor Sonnenaufgang im Werksviertel ein Klavierkonzert in 10 Meter Höhe geben will, sitzt an seinem beleuchteten Flügel, der an einem Kran gehalten wird. Die Konzerte mit dem Titel ·When the Sun Stands still· sollen ein Unterstützungsprojekt zum Bau des Münchner Konzerthauses sein. | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Peter Kneffel Kunstaktion im Münchner Werkstviertel: "When The Sun Stands Still" | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Peter Kneffel Die Zuschauerinnen und Zuschauer sitzen in ihren Liegestühlen, beobachten das optische Spektakel, sind aber gleichzeitig auch zu Gast in einem Konzert. Über Kopfhörer verfolgen sie das verstärkte Klavierspiel von Alain Roche, das typisch für Neoklassik ganz meditativ die Sonnenwende begleitet. Gleichzeitig werden Sounds aus der Natur Bayerns in den Klang gemixt. 40 hochsensible Mikrofone wurden an der Zugspitze, im Bayerischen Wald oder am Ferchenbach bei Schloss Elmau aufgestellt – und so treffen im Kopfhörer Klaviermusik und zum Beispiel Wasserrauschen aufeinander. Ein ganz anderes Open Air-Konzerterlebnis, dieser Cocktail verschiedenster Klänge im Dezember – und das schon früh morgens kurz vor Sonnenaufgang.

Ein Plädoyer für den neuen Konzertsaal in München

Veranstalterin Martina Taubenberger sieht hierin eine Verbindung von städtischen und ländlichen Kontexten – aber das Projekt ist für sie mehr als das. Es ist nämlich auch ein Plädoyer für das neue Konzerthaus, das hier in der Kiesgrube im Münchner Osten irgendwann entstehen soll: "Wir wollen einfach zeigen: Wir machen hier jetzt 182 Klavierkonzerte – baut uns dieses Haus. Man muss kreativ sein, innovativ sein und groß denken."

Sendung: "Allegro" am 22. Dezember ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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