BR-KLASSIK

Inhalt

Theaterzelt Landshut Wie geht es den Menschen im ewigen Interim?

Eigentlich sollte alles ganz schnell gehen: Ein kleiner Umzug in ein Theaterzelt am Rande der Stadt und nach fünf Jahren zurück ins frisch renovierte Theater mitten in der Stadt. Aber wie so häufig bei Bauvorhaben: Es mangelt an Geld und jetzt spielt das Stadttheater Landshut bereits seit fast neun Jahren im Zelt – im Sommer wie Winter, samt den dazugehörigen Problemen.

Theaterzelt Landshut | Bildquelle: Peter Litvai, © Landestheater Niederbayern

Bildquelle: Peter Litvai, © Landestheater Niederbayern

Lärm ist nur eines von vielen Problemen, mit denen das Theater Landshut in seinem Zelt zu kämpfen hat. Vorbeifahrende LKWs, die benachbarte Veranstaltungshalle, aber auch schon ein parkendes Auto. "Da hat man manchmal das Gefühl, es fährt eine Panzerbrigade vorbei und dann schaut man raus und dann ist da ein Junge mit einem Moped", erzählt der Betriebsdirektor des Theaters Konrad Krukowski. Dabei ist ein Moped noch eine der geringeren Lärmquellen. Bei der Premiere von Händels "Alcina" etwa fand nebenan eine Hochzeit mit lauten Trommeln statt. "Wir hatten gerade eine sehr leise Barockarie laufen", erinnert sich der Bariton Peter Tilch, "und es war tatsächlich so laut, dass wir die Premiere für eine Viertelstunde unterbrechen mussten." Nicht nur halten die dünnen Wände und Zeltplanen nichts ab, sondern auch die spezielle Akustik sorgt dafür, dass sich der Lärm von außen teilweise potenziert. Neben Lärmdurchlässigkeit ergibt sich durch die dünnen Wände allerdings gleich ein nächstes Problem: Wie beheizt man ein Zelt bei Minusgraden?

Starke Heizung, aber keine Klimaanlage

Theaterzelt Landshut | Bildquelle: Peter Litvai, © Landestheater Niederbayern Die dünnen Wände und Zeltplanen des Theaterzelts in Landshut halten nichts ab – weder Lärm, noch Hitze und Kälte. | Bildquelle: Peter Litvai, © Landestheater Niederbayern Die Antwort: Mit großen Wärmelüftern auf der Bühne, aus der wie bei einer Autoheizung heiße Luft geblasen wird – mit demselben Geräusch und auch demselben Luftzug. Was Joachim Vollrath, ein Schauspieler des Ensembles, damit anspricht, ist höchst problematisch. Denn die trockene Luft und der ständige Luftzug sind für Sängerinnen und Schauspieler auf Dauer ungünstig. "Man muss kein Schauspieler und kein Hypochonder sein, um Angst zu haben, dass man ständig krank wird. Und wir werden auch ständig krank." Und das vor wie nach Corona. Schalten die Mitarbeitenden allerdings im Winter die Heizung aus, kühlen das Zelt und die Container, in denen der Fundus, die Büros, die Toiletten und Garderoben untergebracht sind, innerhalb kurzer Zeit vollständig aus. So stark sogar, dass einmal ein Putzlappen, den eine Putzfrau liegen gelassen hatte, am nächsten Morgen festgefroren war – eine von vielen Anekdoten, die sich hier über Jahre hinweg angesammelt haben. Im Sommer wiederum gibt es keine Klimaanlage und damit Temperaturen bis zu 40 Grad oder noch schlimmer. Auf der Galerie, die rund um das Zelt führt und auf der Lichttechniker Scheinwerfer einrichten, wurde laut Aussage von Krukowski sogar einmal eine Höchsttemperatur von 56 Grad gemessen.

Es funktioniert, weil wir es funktionieren lassen.
Joachim Vollrath, Schauspieler des Ensembles

Ein Spielbetrieb unter diesen Bedingungen ist nur möglich, weil alle Mitarbeitenden zusammenhelfen. Oder in den Worten Joachim Vollraths: "Es funktioniert, weil wir es funktionieren lassen." Die Probebühne etwa. Ein leerer Raum mit Blechwänden, zwei winzigen Fenstern, der zu niedrig ist und in den es zu allem Übel auch noch hineinregnet. Die Lösung: Ein Handtuch, festgeklebt mit Gaffa-Tape. Was nach einem schlechten Scherz klingt, ist beim Theater Landshut seit über acht Jahren Alltag.

Vor dem Theater muss das Zelt renoviert werden

Dabei war das Zelt ursprünglich nur für fünf Jahre ausgelegt. Danach sollte das Ensemble wieder zurück ins eigentliche Theater in der Stadt. Acht Jahre waren das Maximum, aus denen inzwischen aufgrund fehlender finanzieller Mittel fast neun geworden sind. Mit der Folge: Bevor überhaupt mit der Sanierung des eigentlichen Theaters begonnen werden kann, muss erst einmal das Theaterzelt renoviert werden. Und dann dauert es noch weitere zehn Jahre, bis das Ensemble vollständig wieder zurückziehen kann. Im Optimalfall! Für alle Beteiligten heißt es also weiterhin: flexibel bleiben!

Keine Einsingräume für Sänger:innen

Das gilt auch für die Sängerinnen und Sänger. Denn, auch wenn sie in Passau proben, findet ein Teil der Vorstellungen in Landshut statt. Es fehlt beispielsweise an Einsingzimmern, denn die Garderoben sind zu eng und hellhörig und grenzen unmittelbar an die Bühne, sodass sogar ein Kleiderhaken, der zu laut an die Stange gehängt wird, bei leisen Stellen im Zuschauerraum hörbar ist. "Unser Wotan hat sich auf der Toilette eingesungen", erinnert sich Krukowski mit einem bitteren Lachen. Andere nutzen die Probebühne – doch nur vor der Vorstellung, denn währenddessen ist auch diese zu hellhörig – und manch Orchestermusiker spielt sich im Fundus-Container ein. Gerade bei kleineren Partien ist diese fehlende Einsingmöglichkeit – trotz entsprechender Vorbereitung zuhause – laut Peter Tilch gar nicht so ohne: "Wenn man auf die Bühne kommt und in drei Minuten auf den Punkt kommen muss, dann ist die Partie schon vorbei, bis der Schleim von der Stimme ist."

Heikle Akustik

Theaterzelt Landshut | Bildquelle: Peter Litvai, © Landestheater Niederbayern Die Akustik des Zeltes eignet sich zwar für größere Werke und Musicals, nicht aber für Barockopern oder filigrane Schauspielwerke. | Bildquelle: Peter Litvai, © Landestheater Niederbayern Hinzu kommt die Akustik. Sie "erinnert ein bisschen an den Dom von Mailand", beschreibt Joachim Vollrath. "Man sagt etwas, dann wartet man zwei Sekunden und dann kommt das Gesagte wieder zurück als Echo." Was für große Orchesterwerke, Musicals oder etwa Wagneropern recht gut funktioniert, ist für Barockopern oder filigrane Schauspielwerke besonders heikel. Um das auszugleichen, werden die Schauspielerinnen und teilweise auch die Sänger verstärkt – einer von vielen Kompromissen. Aber aufgeben kommt für die Menschen im Theaterzelt Landshut nicht in Frage. "Dafür lieben wir unseren Beruf alle, die wie wir hier arbeiten, viel zu sehr."

Sendung: "Allegro" am 20. Dezember 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.

Dienstag, 20.Dezember, 21:22 Uhr

Rudolf Schnur

Es gab Alternativen

Bitte keine weiteren Märchen vor Weihnachten.
Die Probleme die bei einem Zelt auftreten (Heizung, Lärm usw.) wurden in der Plenarsitzung in der die Entscheidung fiel, dargestellt. Alternativen in festen Bauten (z.B. ehem. Wäscherei am Klinikum - hierfür gab es eine Grob-Planung eines Stadtratskollegen) wurden mit der Begründung abgelehnt: "Die Zeltlösung ist Optimal!".
Jetzt den Stadtrat dafür verantwortlich zu machen, dass die Entscheidung für das Zelt fiel ist unredlich.
In der Tat ist es jedoch hoch an der Zeit, dass dieses Provisorium endet. Es liegt jedoch nicht am Willen, sondern an den finanziellen Möglichkeiten in dieser schweren Zeit. Pflichtaufgaben gehen nunmal vor freiwilligen Leistungen.
Rudolf Schnur, Stadtrat

    AV-Player