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Wiener Festwochen Oksana Lyniv kritisiert Teodor Currentzis

Müssen die Wiener Festwochen umdisponieren? Die ukrainische Dirigentin Oksana Lyniv stellt laut eines Blogs ihre Teilnahme infrage. Sie will im Konzertprogramm nicht in einen Kontext mit Teodor Currentzis gestellt werden - wegen dessen Verbindungen zu Russland.

Oksana Lyniv im Teatro Comunale di Bologna | Bildquelle: Michele Lapini / Teatro Comunale di Bologna

Bildquelle: Michele Lapini / Teatro Comunale di Bologna

Zwei musikalische Großproduktionen. Zwei Requiems, die sich mit Krieg, Antisemitismus, aber auch Völkerverständigung auseinandersetzen: So der Plan der diesjährigen Wiener Festwochen.

Zwei Requiems, dirigiert von Oksana Lyniv und Teodor Currentzis

Das Kaddish Requiem "Babyn Jar" soll unter der musikalischen Leitung der ukrainischen Dirigentin Oksana Lyniv mit dem Kyiv Symphony Orchestra aufgeführt werden. Das SWR Symphonieorchester soll Benjamin Brittens "War Requiem" unter der Leitung des russisch-grichischen Dirigenten Teodor Currentzis spielen. Beide Dirigenten seien, so die Wiener Festwochen, seit dem Beginn des Angriffskriegs der russischen Streitkräfte gegen die Ukraine zwangsläufig Repräsentanten ihres jeweiligen Landes.

Oksana Lyniv will kein "Whitewashing" für Teodor Currentzis betreiben

Dass Oksana Lyniv durch diese Programmierung der Festwochen in Verbindung mit Teodor Currentzis gebracht werden soll, kritisierte die Dirigentin gegenüber dem Musikblog "Crescendo" mit deutlichen Worten. "Ich kann es gegenüber den fast 150 Musikerinnen und Musikern, die aus dem Krieg in der Ukraine nach Wien reisen, nicht verantworten, in einen Kontext mit Teodor Currentzis gestellt zu werden und eventuell sogar an einem Whitewashing teilzunehmen."

Kritik an Currentzis' Verbindung nach Russland

Der Dirgent Teodor Currentzis | Bildquelle: picture alliance / Vyacheslav Prokofyev/TASS/dpa | Vyacheslav Prokofyev Der russisch-griechische Dirigent Teodor Currentzis ist in der Klassikwelt umstritten. | Bildquelle: picture alliance / Vyacheslav Prokofyev/TASS/dpa | Vyacheslav Prokofyev Teodor Currentzis hat sich bislang nicht zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine positioniert. Sein Orchester MusicAeterna erhält Gelder der sanktionierten VTB-Bank und tritt mit Gazprom-Sponsoring auf.

"Currentzis Verbindungen nach Russland und sein Schweigen zum Angriffskrieg auf meine Heimat machen es derzeit unmöglich für mich, in einem Kontext mit ihm aufzutreten", zitiert Crescendo die ukrainische Dirigentin. Es sei auch mit den Festwochen nicht abgesprochen gewesen, dass die Konzerte miteinander in Verbindung stehen. "Ich hoffe sehr, dass wir in den nächsten Wochen eine gemeinsame Lösung mit den Wiener Festwochen finden", so Oksana Lyniv.

Teodor Currentzis, der umstrittene Dirigent

Warum ist die Diskussion um Currentzis eigentlich so kompliziert? Ein Klärungsversuch.

Intendant hält an Auftritt des Kyiv Symphony Orchestra fest

Milo Rau, Intendant der Wiener Festwochen, erklärte gegenüber BR-KLASSIK, er stehe im ständigen Kontakt mit allen Beteiligten und hoffe, mit ihnen gemeinsam eine gute Lösung zu finden. "Ich stehe hinter Oksana Lyniv, ihre Haltung ist 100-prozentig verständlich." An der Aufführung des "Kaddish Requiem" will Milo Rau auf jeden Fall festhalten. Dass durch die Programmbewerbung der beiden Requiems ein personeller Zusammenhang zwischen Lyniv und Currentzis und der Eindruck einer Zusammenarbeit hergestellt worden sei, sei unglücklich und falsch. Andererseits begrüßt der Intendant grundsätzlich die Debatte um den eingeladenen Dirigenten Teodor Currentzis. "Es gibt Dinge, zu denen man sich verhalten muss." Wichtig ist dem Intendanten, "dass alle Künstlerinnen und Künstler bei den Wiener Festwochen im für sie richtigen Kontext auftreten können."

Sendung: "Leporello" am 6. Februar 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (5)

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Montag, 12.Februar, 21:50 Uhr

Edeltraud Mai

Nun doch Entweder-Oder-Entscheidung

stimmt, Currentzis käme auch mit Euros gut klar. Aber die Existenz seines in Petersburg ansässigen Ensembles mit ca. 250 Mitarbeitern ist mutmaßlich von an seine Person gebundenen VTB- und Gazprom-Geldern abhängig. Damit wäre es absehbar im Falle der geforderten klaren Stellungnahme zu Ende; was wahrscheinlich vielen seiner Künstler die Existenzgrundlage entziehen würde.
Ich kann sehr gut verstehen, dass Ukrainern solche (Konjunktiv-)Überlegungen vollkommen egal sind.
Wir erleben hier zum Glück weder Krieg noch politische Repression. Daraus resultiert aber eine Verpflichtung zu besonderer Sensibilität gegenüber allen, die in solchen Situationen leben (müssen). Die Leitung der Wiener Festwochen war hier in der Verantwortung und ist ihr mit der heutigen Entscheidung auf keine Weise gerecht geworden.
Currentzis wird gecancelt, aber Österreich wird weiter für russisches Gas bezahlen.

Montag, 12.Februar, 14:33 Uhr

Vitali Bodnar

Entweder-Oder 2

Sehr geehrte Edeltraud Mai,
die Antwort auf Ihre Frage ist ein klares "Ja": Es ist mehr als nur eine Zumutung für alle Ukrainer:innen, dass Österreich noch immer mit Gazprom russisches Gas importiert, obwohl es andere Möglichekeiten gäbe. Somit finanziert Österreich russische Armee mit, die ukrainische Kinder, Männer und Frauen tötet und ihre Häuser zerstört. Die Position von Oksana Lyniv ist ihr Beitrag als Künstlerin, dass es sich ändert. Aber zurück zu Currentzis: er bräuchte wirklich kein blutiges russisches Geld und könnte es sich leisten, mit seinem Ruf als renommierter Dirigent gegen Putins Krieg zu äußern. Tut er aber nicht. Daher volles Verständnis und Unterstützung für Oksana Lyniv!

Donnerstag, 08.Februar, 15:19 Uhr

Edeltraud Mai

Entweder-Oder

Erstens: Solang Currentzis und seine Musiker von musicAeterna (in Wien spielt das SWR Orchester!) in Petersburg leben und arbeiten, tut er gut daran, sich weiterhin weder hier noch dort zu Putins Krieg zu äußern. Das sollte hierzulande akzeptiert werden; die Frage ist ohnedies, wie lange das in Russland noch akzeptiert wird!
Zweitens: Oksana Lyniv begibt sich in einen eklatanten Widerspruch. Wg. Currentzis will sie ihren Musikern einen Auftritt in Wien nicht zumuten. Aber ist es nicht eine Zumutung für alle Ukrainer:innen, dass Österreich im Rahmen langfristiger Verträge mit Gazprom russisches Gas importiert, weiterverkauft (aktuell Frankfurter Rundschau 08.02.2024) und damit nicht nur Putins Krieg mit einem Blutzoll finanziert, sondern auch noch davon profitiert?
Frau Lyniv, denken Sie darüber nach und seien Sie bitte konsequent, ohne Entweder-Oder! Machen Sie Musik und lassen Sie andere Musik machen!

Mittwoch, 07.Februar, 15:41 Uhr

Helmut Rauscher

Currentzis

Im Zweifelsfall ist mir Currentzis lieber.

Mittwoch, 07.Februar, 13:51 Uhr

Susanne Wilhelm

Ein Wunsch

Erpressungsversuche sollte eigentlich immer zum Nachteil desjenigen ausgehen, der sie initiiert. Aber auch unter musikalischem Aspekt hoffe ich für das Publikum, dass, wenn es darauf ankommt, Currentzis und nicht Lyniv bei den Wiener Festwochen auftreten wird. Ich drücke dem Publikum die Daumen.

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