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Mittwoch, 26.05.2021

12:05 bis 14:00 Uhr

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Siegfried Ochs - Dirigent und Komponist | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

BR Franken Mittagsmusik

Mit Tobias Föhrenbach

Bis Mitte 2022 gab es die Sendung "Mittagsmusik" auf BR-KLASSIK. Hier könnnen Sie weiterhin in den Archiven der Sendung schmökern.

"À la Manière de…" - Wenn Komponisten im Stil von Kollegen schreiben

Wenn Komponisten im Stil von Kollegen schreiben - darum geht es im Thema der Woche in der Mittagsmusik dieser Tage. Der Titel von zwei Klavierstücken Maurice Ravels gibt uns die Überschrift: "À la Manière de…" (auf Deutsch: "In der Manier von…" oder "Nach der Art von…"). Die Musikliteratur ist durchzogen von Stücken mit derartigen Titeln, häufig in der Variante "Im Stil von…". Unterschiedliche Intentionen stehen hinter solchen Kompositionen. Manchmal dienen sie reinen Studienzwecken - gemäß der Lehre der antiken Rhetorik, wonach der Weg zum eigenen, individuellen Stil über die "Imitatio" (die Nachahmung) und die "Aemulatio" (die Nacheiferung) von Vorbildern führt. Manchmal ist das Komponieren "nach der Art von…" aber auch eine Hommage, eine Verbeugung, ein Zeugnis der Ehrerbietung und Bewunderung. Und schließlich ist es manchmal auch humoristisch motiviert - ein Spaß. Die Nachahmung wird zur Parodie, ein Stil wird parodiert, vergleichbar einer Kabarettistin oder einem Kabarettisten, der eine Politikerin oder einen Politiker parodierend nachahmt.

Ein charmanter Spaßvogel

Zu dieser Kategorie von "Im-Stil-von…"-Kompositionen gehört das berühmteste und bekannteste Werk von Siegfried Ochs, einem Komponisten, Dirigenten und Musikschriftsteller aus der Generation von Puccini und Mahler, Debussy und Richard Strauss. Vor allem als Chorleiter machte sich Siegfried Ochs einen Namen - er gründete den Philharmonischen Chor Berlin, war Professor an der dortigen Musikhochschule, veranstaltete reine Bach-Kantaten-Konzerte und dirigierte 1928 - man lese und staune - die erste Schallplattenaufnahme eines Werks von Heinrich Schütz. Zugleich war Siegfried Ochs ein Spaßvogel, der gern Schabernack mit der Musikwelt trieb. Seine Autobiographie "Geschehenes, Gesehenes" erinnert vielfach an Mark Twains Satz: "Je älter ich werde, desto besser erinnere ich mich an Dinge, die ich niemals erlebt habe". Und Siegfried Ochs fabrizierte auch eine veritable Händel-Fälschung, die als solche lange unerkannt blieb. Sein Lied "Dank sei Dir, Herr" gab er als Original Händels aus und integrierte es in dessen Oratorium "Israel in Egypt".

"'s kommt ein Vogel geflogen"

Dass Siegfried Ochs den Stil "seiner Pappenheimer" aus dem Effeff kannte, dies offenbart auch jenes berühmteste und bekannteste Werk aus seiner Feder. Es trägt den Titel "'s kommt ein Vogel geflogen - Ein deutsches Volkslied im Stile älterer und neuerer Meister humoristisch bearbeitet". Das ländlerhafte Volkslied im 3/4-Takt erklingt im jeweils unverkennbaren Stil von nicht weniger als dreizehn Komponisten - von Bach, Haydn und Mozart, von Johann Strauß, Verdi und Gounod, von Chopin, Wagner und Beethoven, von Mendelssohn, Schumann und Brahms sowie von Meyerbeer. Den Abschluss bildet das Volksliedthema, verarbeitet im Stil eines österreichischen Militärmarsches aus der Zeit der Donau-Monarchie. Das Ganze ist eine genial auskomponierte Stilkunde, die in einer guten Viertelstunde die Musik vom Barockzeitalter bis zur Spätromanik augenzwinkernd porträtiert.

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