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Sir Simon Rattle ist ein Chefdirigent, wie man ihn sich nur wünschen kann: Gleich zu Amtsantritt beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks hat er nicht nur den BR-Chor miteinbezogen und große Symphonik dirigiert, sondern auch ein spektakuläres musica viva-Konzert und ein Familienkonzert geleitet. Projekte mit der BRSO Akademie und dem Bayerischen Landesjugendorchester folgen ebenso wie das SZ-Benefizkonzert und "Klassik am Odeonsplatz" - alles Chefsache. Und kurz vor Weihnachten setzt Rattle auch die schöne Tradition des BRSO fort, einmal pro Saison eine konzertante Opernaufführung zu realisieren. Nicht nur, dass Rattle mit Mozarts "Idomeneo" seiner neuen Wirkungsstätte Reverenz erweist - schließlich wurde das Auftragswerk des Münchner Hofs 1781 im Cuvilliés-Theater uraufgeführt. Außerdem bietet Mozarts Choroper dem BR-Kollektiv erneut eine dankbare Aufgabe, und Rattle kann bei dem Projekt seine Arbeit mit dem BRSO in historisch informierter Aufführungspraxis weiter vertiefen.
In seinem akademischen Libretto zu "Idomeneo" hat der Jesuit Giambattista Varesco einen Stoff aus der antiken Mythologie aufgegriffen. Nach dem Sieg im Trojanischen Krieg gerät der Kreterkönig auf dem Heimweg in höchste Seenot - der Meeresgott Neptun will Idomeneos Hybris mit dessen Untergang bestrafen. In seiner Not leistet Idomeneo das fatale Gelöbnis, den ersten Menschen, dem er nach seiner Rettung an Land begegnet, dem Meeresgott zu opfern - unseligerweise ist es sein Sohn Idamante. Die opferbereite Liebe der gefangenen trojanischen Prinzessin Ilia zu Idamante besänftigt schließlich den Zorn Neptuns - und ihre intrigante Rivalin Elektra hat das Nachsehen.
Umso mehr verwunderte schon die Zeitgenossen, wie Mozart aus den dramaturgischen Schwächen des Librettos musikalisch Funken schlagen konnte: Ingeniös hat er das steife Korsett der Opera seria aufgebrochen und aus den starren Figuren handelnde Menschen mit all ihren Emotionen und Affekten gemacht. Rattle konnte ein prominentes Solistenquartett um sich versammeln - mit dem Tenor Andrew Staples als gebrochenem Titelhelden, mit der Mezzosopranistin Magdalena Kožená in der Hosenrolle des Idamante sowie mit den beiden Sopranistinnen Elsa Dreisig als Furie Elektra und Sabine Devieilhe als zartfühlender Ilia.